Full text: Zeitschrift für Philosophie und Pädagogik - 15.1908 (15)

982 Besprechungen 
 
 
meisten als etwas Selbstverständliches angesehen wird. Hat man doch 
ofi genug diese Erzwingbarkeit das wegentliche Begriffsemerkmal der recht- 
lichen gegenüber den bloß gittlichen Normen erkennen wollen, Und doch 
können Rechtsnormen als abstrakte Aussagen über Berechtigungen und 
Verpflichtungen ebengowenig Gegenstand einer Zwangsanwendung Sein, 
wie diejenigen der Sittlichkeit, Aber auch die einzelnen Rechtspflichten 
bilden nicht unmittelbar den Gegenstand des Rechtszwangs, wie auch 
dessen Zuläggigkeit aus ihnen nicht hergeleitet und nicht erklärt werden 
kann, obschon man hieran zunächst denken möchte. Von der Gebunden- 
heit an gich führt keine Brücke zu ihrer Hrzwingung, Sonst müßte das 
gleiche auch bei gittlichen Pflichten der Fall gein: die Gebundenheit er- 
gibt keine Befugnis zum Zwang und vermag für desgen Handhabung kein 
Subjekt zu liefern. « 
Nun gollte man denken, es 1ist alles im Reinen. Nachdrücklicher 
kann es nicht gegagt werden, daß der Zwang nicht ein Korrelat des 
Rechts ist. Allein der Verfagger fährt fort: »Die Erzwingbarkeit ist ledig- 
lich ein Ausfluß des gubjektiven Rechtes und hat ihren Ursprung in dem- 
Selben Harmoniegefühl und in dergelben Vorsteilung des Richtigen, wie 
jenes Selbst. Wenn bei einem gegebenen Sachverhalt das Verhalten eines 
A gegen einen B, gofern er es will, nach ungerm Rechtsgefühl als richtig 
und recht ergcheint, dann ist nach eben diegem Gefühl auch die tats3ch- 
liche Durchführung diegses Verhaltens recht und richtig und ebenso die- 
jenigen Maßnahmen, ohne welche die Durchführung nicht geschehen 
kann ... daraus folgt, daß wenn nun der Verpflichtete B geinergeits geiner 
Pflicht nicht nachkommt, wenn er gich der Durchführung des Rechts des 
A entgegengetzt, oder ihr Hindernisse bereitet, daß dann auch die Brechung 
dieges, Seines PassSiven oder aktiven Widerstandes mittels Gewalt, die An- 
wendung von Zwang gegen den Verpflichteten und zwar zunächst Seitens 
des Berechtigten gselbst recht und richtig ist.« 33. 
Wäre das 80, 80 gäbe es keine gekränkten, gebeugten Rechte, kein 
Völkerrecht, keine uneinklagbaren Schulden, keine unrealisSierbaren An- 
Sprüche usw., von denen doch der VerfasgSer öfters redet, als von Rechten, 
die nicht aufhören Rechte zu Sein, dadurch, daß gie nicht realigier- 
bar gind. 
Wäre das richtig, daß jede Maßnahme nicht bloß erlaubt, Sondern ge- 
boten wäre, ohne welche die Durchführung des berechtigten Angpruchs 
nicht geschehen kann, und daß der Berechtigte gelbst mittels Gewalt 
und Zwang geine Angprüche durchgetizen darf und Soll -- dann gäbe es 
einmal keine Grenze der Gewalt, es wäre, wie Schleiermacher gagt, eine 
Totschlagsmoral und zum andern bestände die persönliche Rache zu 
Recht. 
Der Verfasger getzt immer geordnete Rechtsverhältnisse in einem ge- 
ordneten Gemeinwegen voraus und Setzt damit voraus, daß alle Mitglieder 
dergelben stillschweigend eingeräumt haben, Anwendung des Zwangs er- 
hebt unter gewisgen Umständen und innerhalb gewisser Grenzen Keinen 
Streit, ist also Recht. Das ist die Art, wie in der Rechtspbilogophie der 
Schule Herbarts der Zwang begründet wird,
	        
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