29. Die falsche u. die rechte Art, auf höheren Schulen Patriotigmus zu pflegen 313
mehr. Die Oktoberfeuer am 18. Oktober zur Erinnerung an die Völker-
Schlacht bei Leipzig waren nur noch eine Kinderbelustigung. Nur 1863,
also nach 50 Jahren feierte einmal die ganze Bevölkerung den Ehrentag
als nationales Fest mit Gottesdienst und mit allerlei Akten und Auf-
führungen. Aber es war doch mehr nur ein Strohfeuer, stark auflodernd, in-
des matt verglimmend. Wo Sollte auch namentlich in den Thüringer
Kleinstaaten der Nationalsinn begondere Nahrung finden? Sah man doch
Selbst im Militärstaat Preußen Turnen in den Schulen mißtrauisch an!
Erst Seit 1866 und begonders nach 1870 ging ein mächtiger, frisgcher
Zug durch alle deutschen Lande, die Schule auch als Pflegstätte des
Patriotigmus zu ästimieren. Jetzt Spannte man Sogar regierungsgeitig alle
Segel auf, die Jugend mit vaterländischer Geginnung zeitig zu erfüllen,
damit nicht die bei uns Deutschen 80 überaus vaterlandslogen Geginnungen
der Sozialdemokratie unbeimlich immer mehr Boden gewinnen. Denn
jener Geist, »der stets verneint«, würde, Schon in die Schulen eingedrungen,
im der braugeköpfigen Jugend Sehr Schlimme Verheerungen anrichten.
Nunmehr veransgtaltet man vielerlei, geflisgentlich Schon allda den National-
Sinn zu hegen und zu pflegen. Man begeht Yestakte zu Ehren der Re-
genten, in vielen deutschen Staaten Jährlich deren zwei, einen für den
LandegSherrn, einen für den Kaiser. Man beteiligt sich auch im behörd-
lichen Auftrag mit den Schulen bei patriotischen Gelegenbeiten, z. B. bei
Kinweihung von Nationaldenkmälern an Festumzügen. Dennoch gind die
Wirkungen dieser Maßnahmen nicht begonders verheißungsvoll, ibr Wider-
hall ist vielfach matt, dazu auch undeutlich. Da dürfte man doch mit den
Mitteln nicht wählerisch genug gein. Das führt ungs darauf, über die Art
und Weige dieger Betätigungen nachzudenken, Dabei ergibt gich alsbald,
daß es eine doppelte Art gebe, eine falsche und eine rechte. Mit Jener
wird nichts Rechtes gefördert, eher geschadet; nur mit dieser kann man
ergprießlichen Frfolg erhoffen, wofern man recht warten gelernt bat. Möge
man wenigstens aus der Kingicht in vorkommende Mißgriffe für die Zu-
kunft lernen, vorgichtiger zu verfahren! Die Aufgabe ist ja hochwichtig,
und es gilt, bei Solchen beiklen Vornahmen das Rechte zu treffen. Oder
wer verantwortet es, im bisherigen Trott und Schlendrian mit lägsiger
Vertrauensgeligkeit fortzufahren? Oder wer wollte gar zwar den Defekt
zugestehen, aber ihm gegenüber stumpfsinnig es bei der Klage belagssen,
daß bei löblichem Willen leider die entfesselnden Kräfte fehlen?
1.
Kennzeichnen wir zunächst die unrichtige Art, in Schulen, begonders
den höheren, Patriotigmus zu wecken und großzuziehen ? Sie offenbart Sich
wohl am verhängnisvollsten in einem Jahrelangen Gegehichtsunterricht, Wwo-
fern dieger nur geflisgentlich auf Glorifikationen aller Herrscher aus einer
Dynastie um jeden Preis sich zuspitzte. Natürlich gollen z. B. die hohen
Verdienste der Hohenzollern als Regenten weder für Preußen von Geburt,
noch auch für alle anderen Reichgangehörigen heruntergegsetzt oder gar
verleugnet werden; das wäre Ja nicht bloß Schnöde Gegschichtsfälschung,
Sondern auch unverzeihlicher Undank Selbst auch dem Herrgott gegenüber,