3. Das 40. Jahrbuch des Vereins für wisgengchaftliche Pädagogik 537
Probleme, die heute noch im Vordergrunde des Interesse Stehen; Pphygio-
logische Bedingtheit der ersten Erziehung, Spiel und Ernst, das Selbst-
handeln, das Fürgichgelbstleben und die Imagmation als wichtige Faktoren
für die innere Entwicklung, die reiche Phantagietätigkeit und das Ge-
Staltungsbedürfnis des Kindes, die Notwendigkeit Märchen zu bieten, *)
ganz vorgichtige Beeinflussung des religiögen Moments und Verhinderung
der Mechanigierung des Religiögen u. s. f. Die Schleiermachersche Päda-
g0gik würde in ein modernes Gewand gekleidet ganz modern anmuten.
Hs muß mit Vöhringer anerkannt werden, daß Schleijermachers Päda-
gogik noch heute viel Anregungen bietet, aber auch daß er Dur die eine
Hälfte der Pädagogik, die auf Ethik gegründete, gegeben hat. Vöhringer
hätte in geiner Darstellimg anch mit der Ethik begimnen müsgsen. Ms
zeigt gich, daß Schleiermacher es nicht vermocht hat, aus Seiner Ethik
die Pädagogik abzuleiten, er hat auch ignoriert, daß dies Herbart vor ihm
Schon getan hatte. Schleiermachers Ethik ist zudem als Güterlehre nicht
geeignet zur Aufstellung eimes Erziehungszieles, weil es Sich bei ihm um
die Entwicklung der Güter handelt, also er stellt keine ethischen Auf-
gaben. Hs ist Schwer in Schleiermacher einzudringen. er war stark von
Spinoza beeinflußt. Aber man kann von Schleiermacher deswegen das
Erziehungsziel nicht entnehmen, weil die Entwicklung gelbst ihm das Ziel
iSt. Es wird auch auf Thilos Religionsphilogophie zur näheren Infor-
mierung verwiegen.
3. B. Tittmann-Leipzig, Herbart in franzögischer Beleuch-
tung, dargegtellt auf Grund des Buches »Le Pedagogie de Herbart« (Paris,
Librairie Hachette, 1905, XI n. 402 S8.) par 1. Gockler, Docteur de 1a
Facults des Lettres de Paris.
Es iSt zwar erfreulich, daß man in Frankreich mehr und mehr Her-
barts Pädagogik würdigt, und daß gich den früheren Arbeiten (Mauxion
1902 und Compayre 1903) ein neues anreiht. Gockler gibt im 1. Teile
ein von erstaunlicher Belegenheit und von wisgengchaftlichem Ernst zeugende
Biographie Herbarts, im 2. Teil das Sygtem und im 3. Teil die Kritik.
(Gockler erhebt eine Menge Ausgstellungen uind Wüngehe, die in der
deutschen Herbarftliteratur teils des öfteren widerlegt, teils aber auch be-
achtenswert gind (übertriebene Wertschätzung des Intellekts, geküngtelte
Symmetrie der Definitionen, zu enges Frziehungsziel, Widersprüche in den
einzelnen gittlichen Ideen, Inkorrektheit der Gliederung »Regierung, Zucht,
Unterricht«, Mißachtung der geelischen Betätigung, begonders der schöpfe-
riSchen Phantasie des Kindes, Fehlen des patriotischen, des hygilenischen
und des wirtschaftlichen Interesse in der Reihe der Interesgen, Über-
Schätzung der Bedeutung des erziehenden Unterrichts), aber er erkennt
an, daß Herbarts Pädagogik heute noch lebensfähig (!) und eimes eim-
gehenden Studiums würdig gel, daß er gle auf Ethik und Psychologie ge-
gründet, daß er überbaupt als erster eim System aufgestellt. Kine Haupt-
quelle der Kraft Seines SysStems liege aber in der Übereinstimmung mit
1) »Die Gründe dagegen, die aus dem Prinzip der Wabrhaftigkeit hergeleitet
werden, Stammen aus einem falschen Verständnis dieges Prinzips. «