Veiſage zur Allgemeinen Deutſchen Lehrerzeitung Rr. 12.
nzeiger für die neueſte pädagogiſche Literatur. -
ortet NEB mni Unter Mitwirkung mehrerer Sqhulmänner DEI dud
Nr. 3. 1904. herausgegeben von XXXII. Jahrgang.
"IF den Schriftleitern der Allgemeinen. deutihen Lehrerzeitung,. EFT
Monatlih erſheint eine Unmmer. -- Preis für Nicht-Abonnenten der Allgem. deutſchen Cehrerzeitung jährlich 2 Mark = 1 f1. 20 kr. OÖ. MW.
Reſigion.
Dorner, D. Dr. A., Grundriß der Religion3philoſophie.
448 S. Leipzig 1903. Dürrſche Buchhandlung. 7 M.
Die Erforjihung der Religion kann von den mannigfaltigjten Geſichts-
punkten aus betrieben werden. Je na<hdem man die Neligion nur pjyc<o-
logiſ< und geſchichtlich zu erforſchen und aus dieſem Tatjahenmaterial all-
gemeine Geſichtspunkte zu gewinnen ſucht oder eine überempiriſche Realität
annimmt, fpri<ht man von einer empiriſhen oder ſpekulativen Betrachtung
der Religion.
Der Verf. kann ſich weder für die eine, no<9 für die andere Betrach-
tungs3weiſe entſcheiden, ſondern ſucht den empiriſhen Stoff der Religion3-
geſHichte und ReligionspſyHologie mit philoſophijhen, in3beſondere meta-
phyſiſ<en Betra<ßtungen zu verbinden, weil er der Meinung iſt, daß man
ohne Metaphyſik niht durhkommt. Wer auf diejem Standpunkt ſteht und
jonſt in ſeinem Denken und Reflektieren ſpekulativ gewandt iſt, wird in dem
vurch Tiefe, Reihtum und Wahrheit der Gedanken ausgezeichneten Werke
einen zuverläſſigen Führer dur< das ſchwierige Gebiet der Religionsphilo-
jophie, eine Frucht der neueren Philoſophie, finden. In philoſfophijh klarer
und ernſtreligiöſer Weiſe werden behandelt: 1. Die Darſtellung der Religion
als Verhältnis Gottes und des Menſ<en (Phänomenologie der Religion
mit ihren Reſultaten und das Ideal der Religion), 2. die Begründung der
Religion in Gott (Metaphyſik), 3. PſyHologiſc<he Betrachtung de3 religiöſen
. Subjekts und ſeiner Betätigung (der Glaube) und 4. Geſche de3 religiöſen
vebens. Auch für Empiriſten beſonder3 leſenswert ſind die Abjhnitte über
das Verhältnis der Religion zur Sittlichkeit, zur Erkenntnis und zur Kunſt
(„mit der Religion iſt die freieſte Forſ<ung und die freieſte Entfaltung der
Kunſt vereinbar“). .
Soviel zur Empfehlung des Buches, das eine gewiſſe Verwandti<haft mit
Schleiermacher, Pfleiderer und Pünzjer zeigt, obgleich. bei Dorner der meta-
phyſijHe. Standpunkt der herrſchende iſt. Wir erkennen den philoſophiſchen
Scharffinn des Verf, an und achten den Trieb der Reſlexion, der ſich auſ
dem angedeuteten Wege de3 göttlichen Geheimniſſes zu bemächtigen jucht.
Wir modernen Menſchen ſind aber zu ſehr Empiriſten, als daß wir jfolche
. Spekulation über die verborgenen Vorgänge in Gott für notwendig erachten
könnten. Gerade für den Unterricht in der <riſtlichen Religion bedeutet
die grundſäklihe Ausſcheidung aller metaphyſiſchen Elemente Beſeitigung
der I<werſten Laſten. M, E.
Bonſſet, Prof. D. Wilhelm, Das Weſen der Religion dar-
geſtellt an ihrer Geſchichte. 286 S. Halle a. d. S. 1903.
Gebauer-Schwetſ<hke. 4 M. .
Um da3 Weſen der Religion vom Standpunkte der vergleichenden Reli-
gionögeſchichte darzuſtellen, durchwandert der Verf. die weite Welt des reli-
giöſen Lebens von ihren Uranfängen bis zur Jetztzeit und ſchildert nach
einigen allgemein orientierenden Sätzen über das Weſen der Religion in
lebendiger, überaus klarer und überzeugender Weiſe die Religion der Wilden,
die Nationalreligion der Griechen und Babylonier, die prophetiſhe und G2-
jezeszreligion (Judentum, Parſiömus, Jslam) und die Erlöſung5religionen
(Buddah und Plato). Für Fragende und Ringende, für Zweifelnde und
Ungewiſſe ſind beſonders die Sc<lußkapitel über Weſen und Zukunft des
Chriſtentums leſenswert. Hier wandelt der Verf. in den Bahnen Harna>s,
ja, er geht in ſeinen Anſichten über die Erlöſungstheorie, über das Dogma
von der Gottheit Chriſti, die Trinitätslehre, die Satisfaktions- und Opfer-
idee, da3 Wunder, den alten Offenbarungsbegriff no< darüber hinaus. Was
bleibt dann no<? Ängſtliche werden meinen: ein Trümmerhaufen. Nein!
Selbit da, wo der Verf. fi< von Luther und Paulu3 hier und da löſt,
kettet er ſich und den Leſer um ſo feſter an die Perſon und das Evange-
lium Jeſu. Das Chriſtentum iſt ihm zwar nicht die Religion ſchlechthin,
aber die vollkommenſte und biöher höchſte Spezies des Genus, Die geſamte
große Geſchihte des menſchlihen religiöſen Leben3 erſcheint ihm als ein
großes Werk Gottes.
- Willig und gern haben wir uns von den warmherzigen Ausführungen
fortreißen laſſen, die Spannung wuchs von Seite zu Seite, und wir glauben,
daß niemand das glänzend geſchriebene Buch ohne wahre Befriedigung aus
der Hand legen wird. . - M. E.
Meltzer , Dr. Hermann, Empfehlens3werte Bücher zum
evangeliſchen Religion3unterricht. 40 S. Dresden
1903. Bleyl & Kämmerer. 75 Pf.
Wenn das dünne Büchlein auch nur ein Verzeichnis empfehlenswerter
Werke zum evangeliſchen Religionsunteriicht enthält, jo erſcheint es uns für
Lehrer und Lehrerinnen, die ſich wiſſenſchaftlich weiterbilden wollen, gerade-
zu unentbehrlich. Dur<h die den Titeln der Bücher beigefügten Urteile
über Inhalt und Charakter der Werke wird das Heftchen zugleich ein zu-
verläſſiger Wegweiſer dur< die immer gewaltiger anſchwellende pädagogiſche
Literatur, weil es das Beſte aus der großen Maſſe heraushebt und dadurch
das Suchen nach geeigneten Schriften zur Vorbereitung für den Beruf und
den "Unterricht weſentlich erleichtert. Wir begrüßen die Herausgabe der
„Bücherei der Pädagogiſchen Geſellſchaft zu Jena“ mit Freuden und er-
muntern unſererſeits die Mitglieder der Vereinigung zur weiteren Ver-
folgung der JZdee auch auf anderen Gebieten. M. E.
Kaiſer, E.. 32 Anſprachen und bibliſ<e Andachten
für höhere Schulen. 54 S. Leipzig 1903. Chriſtoph
Steffen. 1 M.
Wer ſolche Andachten nicht ſelbſtändſg auszuarbeiten vermag, findet in
der Sammlung einzelne hübſche Gedanken; als Muſter können die An-
ſprachen aber kaum empfohlen werden, da ſie viel zu kurz und unbedeutend
ſind. ME
Wißmann, Dr. Georg, Die unterrichtliche Behandlung
der Gleichniſſe Jeſu Ein Beitrag zur Reform des Re-
ligion3unterrichts. 119 S. Dresden 1904. Bleyl & Käm-
mever. 2 M.
Von jeher ſind die Gleichniſſe Jeſu -- nach der Bergpredigt -- als der
wertvollſte Kern des Evangeliums erkannt worden. Das beweiſen die zahlreichen
Erläuterungen der Gleichniöreden des Herrn, Ihre einzigartige Schönheit
auch in äſthetiſcher und literargeſchichtlicher Hinſicht betont, das wahre Wejen
der unvergleichlichen Parabeln erkannt zu haben, iſt unſtreitig ein Verdienſt
Jülichers. Was bisher uoc< fehlte, war eine erſchöpfende kritiſhe Dar-
ſtellung der Frage ihrer 'unterric<tlihen Behandlung. Dieſe Lücke füllt
Wißmann durch die vorliegende Studie in geradezu meiſterhaſter, vollendeter
Weiſe aus und liefert damit einen wertvollen Beitrag zur Reform des
Religionzunterrichts.
Auf Grund eingehender Studien unterſucht der Verf. im grundlegenden
Teile ſeiner Abhandlung Zwe&>, Weſen und Überlieferung der Gleichnijje
Jeſu und gelangt zu dem Reſultat, daß weder die Verſtokungstendenz, noch
die allegoriſche Auslegung der Parabeln als der Meinung Jett entſprechend
angeſehen werden dürfen. Sie ſind nicht zum Zwecke der Verhüllung ge-
ſprochen, ſondern ſic wollen die Herzen gewinnen; ſie ſind ihrem Weſen nach
niht dunkel, ſondern klar, darum erheiſhen ſie keine Deutung, jondern Anz
wendung; ſie kulminieren in einem einheitlihen Grundgedanken, um den
ſiH alle anderen Gedanken organiſch gruppieren. Die klare Erfaſſung des-
ſelben iſt die Hauptſache bei der Erklärung. Wie die Gleichniſſe parabo-
liſ< zu behandeln ſind, wie vor allem die klare Hervorhebung des Grund-
gedankens und ſeine Anwendung auf das Leben ſich zu geſtalten hat, zeigt
der ausführende Teil, der außeidem reich iſt an trefflichen Winken über
Auswahl, Gruppierung und Verteilung der Gleichniſſe auf die einzelnen
Klaſſenſtufen. Der Anhang bietet: den Kontert, wiſſenſchaftlichen Text,
Schultert und die Grundgedanken aller für die Schule in Betracht kommen-
den Gleichniſſe.
Den Ideen Jülichers folgend, haben zwar ſhon Thrändorf, Lietz, Heyn,
Voigt, Evers u. a. ſich für paraboliſche Gleichniöerklärung entſchieden; keiner
aber hat ſo energiſch mit der allegoriſierenden Methode gebrochen wie Witz-
mann. Wir ſind de3halb überzeugt, daß jeder, der in der Frage der Gleich-
niSerklärung mitreden will, dieje gediegene, klare Abhandlung ſtudieren muß,
M. E.
Bell, Fr., Bilder und Beiſpiele für die Predigt und den
Religion3unterricht. 142 S. Hannover 1903. Carl
Meyer. 2 M.
Es iſt beinahe überflüſſig, über den Nutzen der Bilder und Beiſpicle für
die Predigt und den Jugendunterric<t ein Wort zu verlieren; denn jeder
Geiſtlihe und Lehrer kennt den Wert derſelben. Praktiſch; und anj<haulich
zu unterrichten, iſt ein Fundamentalſatz der Pädagogik; konkret und leicht
ſjaßli< zu predigen, eine Forderung, die immer aufs neue geſtellt werden
muß. Da e3 aber oftmals ſ<wer ijt, die richtigen Beiſpiele zu ſinden, ſo
bietet der Verf. eine reihe Sammlung von Leſefrüc<ten aus Sriver, Spur-
- geon, Becher, Theremin, Funke, Frommel, Gerok, Ahlfeld u. a. in alpha-
betiſcher Folge, die ſich herrlih zur Illuſtration der Predigt und Lehre
eignen. Wer nicht aus dem Born der eigenen Phantaſie zu |c<höpfen ver-
mag, findet in Bell3 Buche manchen trefflichen Gedanken, einen biblijchen
Begriff zu erläutern und dem Hörer nahe zu bringen. M, E.