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Wenn man. von biblijher Poeſie hört, ſo denkt man zunä<hſt an den
Pſalter, der ſo ganz und gar aus Herz und Mund Jösrael3 ſich in Herz
und Mund der Gegenwart übererbt hat wie kein altteſtamentliches Buch.
Der Verf. der vorliegenden, überaus gründlichen, von weitgehender Fach-
gelehrſamkeit zeugenden Studie widmet deshalb den Hauptteil jeiner Unter-
juhungen den Pfalmen; er weiſt aber mit feinem poetiſchen Verſtändnis
nach, daß die ganze Bibel reich iſt an weltlichen und religiöſen Dichtungen,
deren Verwendung im Unterrichte ſich empfehlen dürfte.
Den Theologen intereſſiert beſonders der 1. Teil der Arbeit, in dem der
Verf. die bibliſche Poeſie na<H ihren Stoffen, ihren Formen und ihrer Ent-
ſtehung Jarakteriſiert. Auf Grund der neueſten Ergebniſſe - der Religions-
wiſſenihaft mit Bezug auf die religiöſe EntwiKlung des Volkes Jsrael
bietet der Verf. hier eine literarhiſtoriſche Arbeit über hebräiſche Poeſie, wie
ſie in gleicher Ausführlichkeit, Gründlichkeit und Zuverläſſigkeit kaum exiſtiert.
Für Pädagogen iſt das Buch inſofern wertvoll, weil es die Grundſähe einer
äſthetiſ< würdigen und vernünftigen Behandlung feſtlegt, die dur< ZInhalt
und Form den Geiſt der bibliſhen Poeſie, den Geiſt warmer und tiefer
Religioſität in die Kindesjeele hineinſenken joll. Alles, was hier übei Ver-
wendung und Behandlung bibliſcher Lyrik, über Fruhtbarmachung des In-
halt3 geſagt iſt, verdient volle Beachtung. Die Kinder durch Anlehnung
an religiöſe JIdealgeſtalten, dur< Verknüpfung der Dichtung mit einem
religiöſen Ereignis, dur< Sicuationsmalerei, durch ſtitmmungsvollen Vor-
trag vom ſc<hauenden Verjenken zum inneren Erleben, Empfinden und
Fühlen zu führen, iſt eine Förderung, die ſich aus dem lyriſchen Charakter
der bibliſjhen Dichtungen von ſelbſt ergibt. Dur< eine ſol<he Weiſe der
Behandlung wird auch die religiöje Wirkung verbürgt.
Die dem Buche beigegebenen, „praktiſchen Entwürfe“ über den 46., 137.,
23., 133, und 130. Ptalm find methodiſ< dur<da<hte und geordnete Stoff-
und Gevankenſammlungen für ſelbſtändig arbeitende Lehrer. Sie bieten
ein überreiches Anſhauungsmaterial; ſie ſind aber in ihrer Reichhaltigkeit
und Weitſchweifigkeit eine gewiſſe Gefahr für ſolche, die nicht zu ſichten ver-
ſtehen. In der hiſtoriſchen Grundlegung mit ausführlichen kulturgeſchicht-
lichen, politiſchen und geographijhen Hinweiſen geht der Veri. entſchieden
zu weit. Das mögen treffliche Fingerzeige für den Forſcher ſein, für Kinder
ſind derartige geſchichtswiſſenſhaftliche Ausführungen zu ſ<wer. Alles in
allem iſt aber das Werk ein wertvoller Beitrag zur Religionömethodik, den
wir Theologen und Lehrern warm empfehlen können. M. E.
In neuer Auſlage ſind erſchienen:
Markwort, W., Bibliſ<he Geſ<hichten.
Auflage. 220 S. Braunſchweig und Leipzig 1903. H. Woller-
mann. 1 M.
Hollenweger, C., Evangeliſches Religionsbuc. 2. verbeſſerte
Auflage mit Bildern. 131 S, Leipzig 1903. Dürrſche Buchhand-
lung. I M.
Voelker und Stra>, Bibliſc<e Geſchichten. 3. neubearbeitete Auf-
lage. 128 S. Leipzig und Berlin 1903. Th. Hofmann. 75 Pf.
Grundig, Einheitliches Religion3buch. 7. Auflage. 336 S.
Leipzig 1903. Julius Klinkhardt. 1 M. 50 Pf.
Pfeifer, Lernſtoff des evang.-<riſtl. Religionsunterrichts8.
2. Au8gabe. 57 S. Halle a. d. S. 1903. H. Schroedel. 80 Pf.
Urquhart, Rev. John, Die erfüllten Weisſagungen. 3. Auflage.
189 S. Stuttgart 1903. M. Kielmann. 2 M.
Schäfer, Guſtav, Kir<hengeſc<hichte. Der Entwiälungsgang der Kirche
Jeſu Chriſti in Umriſſen und Ausführungen. 3. vermehrte und
verbeſſerte Auflage. 260 S. Langenſalza 1904. Hermann Beyer
und Söhne. 2 M. 50 Pf.
Thrändork, Dr. E., Kir<engeſ<hichtliches Leſebuch für Oberklaſſen
höherer Schulen. 111, Teil: Neuzeit. 2. verbeſſerte und vermehrte
Auflage. 95 S. Dresden 1903. Bleyl und Kämmerer. 70 Pf.
| Deutſche Sprache.
Gorges, Mittelhochdeutſc<he Dichtungen. Scöningh3 Aus-
gaben deutſcher Klaſſiker, 27. Band. 224 S. Paderborn
1903. Ferd. Schöningh. 2 M.
- Dieſer gut ausgeſtattete neueſte Band der Schöninghſ<hen Sammlung
wird ebenſo wie ſeine Vorgänger, die zum Teil ſchon in 8. bis 10. Auflage
erſihjienen ſind, gern benutzt werden. In einer Einleitung von 27 Seiten
führt er in den Urſprung und die Eigenart des Mittelhoc<hdeutſchen ein und
gibt einen literargeſhichtlichen Abriß über die zu ſeiner Zeit gepflegten
Dichtungsarten und ihrer Hauptvertreter, wobei er beſonders ausführlich
auf die Stoſfe unjerer beiden großen Volksepen eingeht. Der Hauptteil
enthält, teils im Urtext, teils in Überſezung, teils in beidem ausgiebige
Proben aus Nibelungenlied und Gudrun, den wichtigſten Kunſtepen mit Be-
rüFfichtigung der wichtigſten Vertreter dieſer Gattung (aus dem Eneit, dem
armen Heinrich, aus Parzival und Triſtan und Jſolde) und endlich Perlen
der Lyrik unſerer erjten Blütenperiode, neben ſolchen von Kürenberg, Sper-
vogel, Reimer der Ältere, Heinrich v. Veldeke u. a. natürlich die ſchönſtem
Minne- und politiſ<en Lieder von Walter v. d. Vogelweide. Die Erläute-
rungen im Anhange werden unter Leitung eines im Mittelhochdeutſch be-
wanderten Lehrers dazu beitragen können, die Schüler tiefer in das Ver-
ſtändnis der Dichtungen einzuführen. P. Z.
2. gänzlich umgearbeitete
Raſche, E., Der Geſhäftöaufſatz al8 Konzentrationsſtoff
für den Fortbildungsſchulunterricht, ſowie Lehrſtoffe
aus den Geſchäftsgängen von 18 Gewerbebetrieben.
118 S. Meißen 1903. H. W. Sclimpert. 1 Mk.
Der Verfaſſer zieht in dem vorliegenden Hefte -- einem Ergänzungs3-
heſte zu jeinen Muſterbüchern zu den Arbeitöheſten für Fortbildungsſhüler --,
wie au<ß an Fortbildungöſ<ulen kleiner Orte, in denen die Gliederung nach
Berufen nicht dur<zuführen iſt, eine Konzentration des geſamten Unterrichts-
ſtoffe3 um einen fingierten Geſhäftsgang ohne Zwang ſich ermöglichen läßt,
wie alſo auh in ihnen der Beruf der Schüler in den Mittelpunkt de3 ge-
ſamten Unterrichts geſtellt werden kann. Der 2. Teil des Heftes enthält
Lehrſtoſſe aus den Geſchäftsgängen von 18 Gewerbebetrieben, die auch in
Einzelabdrüfen unter dem Titel „Aufgaben zum Geſchäftsaufjaß und zur
Buchführung ujw. für die Hand der Schüler" zum Preiſe von 10 Pf. zu
haben jind. Die Aufgaben ſind praktiſch, und wir können ſie deshalb emp-
fehlen, ebenſo wie oben beſpro<henes Heft, das Fortbildungsſchullehrern
kleinerer Orte ein guter Ratgeber und Führer ſein kann. P. Z.
Sonntag, L., Wie kann die Privatlektüre zur Untex-
ſtüßung de3 Unterrichts herangezogen werden? 20S.
Leipzig 1903. Hahn. 35 Pf.
Privatlektüre leiſtet ſich mand<hes Kind, Leider iſt ſie na< Umfang und
: Inhalt nur zu oft jo beſchaffen, daß jie mehr ſ<hadet al3 nüßkt, jei es, daß
fie infolge ihrer Planloſigkeit zerſtreuend wirkt, jei es, daß ihr Inhalt dem
in der Schule Gelehrten feindlich gegenüberſteht. Deshalb iſt es wohl eine
weſentliche Aufgabe der Schule, die Privatlektüre in ſolh<e Bahnen zu len-
ken, daß ſie das im Unterricht Gebotene vertieft und erweitert und dem
Kinde ſo organiſch einen größeren Anſhauungs- und Lebenskreis erſchließt.
Die Schule wird dabei auch darauf hin zu wirken haben, daß das Kind nicht zu
viel lieſt, um das Geleſene auc< wirklich verarbeiten zu können. DeShalb
iſt Sonntags Vorj<lag einer Klaſſenbibliothek in geringem Umfange vom
1. (Bilderbücher!) bis zum 8. Shuljahre gewiß zu billigen. Dieſe Ein-
rihtung wird der beſte Weg jein, die Privatlektüre in die angedeuteten
Bahnen zu lenken; ſie wird zugleich den Eltern den richtigen Weg für die
Auswahl der Lektüre für ihre Kinder zeigen können. Den Vorſchlägen
Sonntag3 für die Auswahl der Klaſſenlektüre kann man auch im ganzen
beiſtimmen. Da die Heimatliteratur beſonders zu berüjichtigen iſt, wird
natürlich hier und da anders auszuwählen ſein. -- Das Scrifthen iſt
Eltern und Lehrern zu empfehlen. P. Z.
Lüttge, Ernſt, Die mündliche Sprachpflege als Grund-
lage eines einheitlihen Unterrichtes in der Mutter-
ſprache. 107 S Leipzig 1903. Wunderlich. 1 M. 40 Pf.
Da3 Beſtreben, den Deutſ<unterricht einheitlich zu geſtalten, alſo alle
Fächer desſelben ſo zu verbinden, daß bei aller Vielgeſtaltigkeit die Cinheit
der Sprachbildung gewahrt bleibt, hat den Verfaſſer bewogen, vorliegendes
Buch zu ſchreiben. Das Hauptgewicht ſoll, wie jhon Hildebrand fordert,
auf das gehörte und geſprochene Wort gelegt werden; denn die lautſprach-
liche Bildung iſt die natürliche Grundlage der ſchriftlichen Sprachpflege. Der
Verfaſſer weiſt das nach, führt dann vor, wie fich die mündliche Sprah-
pflege praktiſch geſtalten läßt und zeigt zuletzt, wie ſich die ſchriſtſprac<hliche
Bildung auf der Grundlage der lautſprachlihen entwielt.
Das ungemein lebendig und klar geſchriebene Buch wird allen, die es
in die Hand nehmen, eine Fülle von Anregungen für den Unterricht geben.
Der Deutſhunterriht wird ſich fruchtbringender geſtalten und mehr Freude
bereiten als jetzt, wenn man ſich in die Ideen des Verfaſſers eingearbeitet
hat. Ja, ein derartiger Unterriht muß mit der Zeit auh dahin führen,
daß die Rehtſ<reibung niht mehr das Kreuz des Deutſ<hunterrichtes iſt,
ſondern, da er ſich auf natürlicher Grundlage entwickelt, leichter, faſt un-
bewußt, feſt und dauernd im Kinde wurzeln. Im großen und ganzen wird
ein Unterricht, wie ihn Lüttge vorſ<lägt, ganz weſentli zur Veredelung
der Sprache und de3 Sprechens führen. Und was dürſte uns gerade jekt,
wo alles von der Kunſtpflege in der Schule ſpricht, näher liegen, als die
Kunſtpflege der Schule; es iſt doh die Sprache der Kernpunkt des ganzen
menſc<lihen Lebens, und ſollte eine Veredelung der Sprache nicht auch eine
Veredelung des Denkens und Wollens nah ſich ziehen? Freilich, wollen wir
das erreichen, dann müſſen wir uns auch mit dem Verfaſſer einverſtanden
erklären, der, wie ſhon ſo mancher vor ihm und ſo viele mit ihm fordert, daß
der erſte Unterricht in der Schule nicht mehr das Leſen und Screiben ſein,
darf, ſondern, daß dafür etwas Neues geſchaffen werden muß, das die Hand
das Gemüt, den Geiſt de3 Kindes und damit verbunden auc< das Sprach-
gefühl desſelben bildet, Das Buh kann allen, denen die Mutterſprache und
der vunterricht in derſelben am Herzen liegt, niht warm genug empfohlen
werden. D,
Velhagen u. Klafings Sammlung deutſ<her Sc<hulaus8-
gaben. 97. u. 98 Lieferung. Deutſche Proſa, 3. u. 4. Teil:
Moderne erzählende Proſa, 1. u. 2. Bändchen, ausgewählt von
Dr. G. Borger. 155 u. 192 S. Leipzig 1903. Geb. 1 M.
u. IM. 20 Pf.
Wir begrüßen die beiden neuen Bändchen der bekannten Sammlung
mit großer Freude. Sie enthalten in guter Auswahl Erzählungen und
Novellen von P. Noſegger, M. von Ebner-Eſ<henbac<h, D. v. Liliencron, CE,
v. Wildenbru<h, Herm. Villinger, Th. Stern, C. F. Meyer, W. Raabe und
Ad. Stern. Einleitende biographiſche Abriſſe des Lebens und Schaffens der
Schriftſteller und zahlreiche Erläuterungen am Schluſſe ſind geeignet, nicht
nur in der Schule, ſondern auß im Hauſe dieſe Büchlein zum Gegenſtand
einer gewinnbringenden Lektüre zu machen und unſeren beſten zeitgenöſſiſchen
Projaikern Eingang in die deutſche Familie zu verſchaffen. PP, Z.