Full text: Anzeiger für die neueste pädagogische Literatur - 33.1904 (33)

 
 
Aamir 
 
 
Veilage zur Allgemeinen Deutſchen Lehrerzeitung Rr. 3. 
 
 
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Anzeiger für die neueſte pädagogiſche Literatur. 
um ANCE I Mme Unter Mitwirkung mehrerer Shulmänner nk CE umu un 5 
Nx. 1. 1904, herausgegeben von XXXIIN. Jabrgang. 
en den Scriftleitern der Allgemeinen deutſchen Lehrerzeitung. es 
 
| Monatlich erſheint eine Nummer. -- Preis für Nicht-Abonnenten der Allgem. deutſchen Tehrerzeitung jöhrlih 2 Mark = 1 ff. 20 kr. 6. Ww. 
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Die Grundwiſſenſchaften der Pädagogik. 
(Ethik, Pſychologie, Anthropologie uſw.) 
Buſſe, Ludw., Prof., Geiſt und Körper, Seele und Leib. 
X und 488 S,. Leipzig 1903. Dürr'ſche Buchhandlung. 
8 M. 50 Pf. 
Da3 Buh ſührt uns in umfaſſender, alle Geſichtsöpunkte berükſfichtigen- 
der Weiſe in die Anſichten und Lehren über das Verhältnis des Phyſiſhen 
zum Pſychiſhen ein. Nachdem der Verf. kurz den idealiſtiſch-ſpiritualiſtiſchen 
Standpunkt erörtert hat, wird von ihm der Materialismu3 in ſeinen ver- 
ſchiedenen Formen klar gelegt und zurückgewieſen. Den Hauptteil des 
Buches bildet die Unterjuhung über den pſycho-phyjiſhen Parallelismus, 
da über dieſe Form des Verhältniſſes von Phyſiſhem und Pſyhij<hem in 
der letzten Zeit ſehr viel geſchrieben worden iſt und dieje Anſicht die 
Wiſſenſ<aft gegenwärtig beherrſ<t. Zuletzt wird noc< die pſychophyſiſche 
Wechſelwirkungstheorie vorgeführt, an die ſich als Schluybetra<tung Grund- 
züge einer idealiſtiſ<-ſpiritualiſtiſhen Weltanſhauung anſchließen. Das 
Werk berückſichtigt eine große Zahl Philoſophen der Vergangenheit, beſon- 
der38 aber die Philoſophen und Naturforſcher der Gegenwart und ſett jich 
mit ihnen auseinander; es geſchieht dies zuglei< jachlich, objektiv, 8ine ira 
et studio, es werden ſowohl die Vorteile wie auch die Nachteile der ein- 
zelnen Theorien ſorgfältig abgewogen. Scarf geht der Verf. allerdings 
dem pſyc<hophyſiſ<en Paralleliamus zu Leibe, womit wir ſehr einverſtanden 
ſind. Während von vielen Seiten dieſe Theorie als ein Axiom, als ein 
Prinzip von allgemeiner Anerkennung, das keines Beweiſes mehr bedürfe, 
hingeſtellt worden iſt, haben wir auch in dieſen Blättern wiederholt darauf 
hingewieſen, daß dieſe Lehre auf metaphyſiſhen Vorausſezungen beruht, 
die bei genauer Überlegung viel weniger Wahrſcheinlichkeit für ſich haben, 
al8 die jeder anderen Theorie. Auch die Pädagogik hängt vollſtändig in der 
Luſt, wenn man ſich auf dieſelbe ſtüßt. Wir hoffen deshalb, daß das Werk 
Buſſe's viele aus ihrem „dogmatiſcgyen Shlummer“ aufrütteln werde und 
empfehlen das Buc< aufs wärmſte auch den Pädagogen, wel<e ſolc<hen 
philoſophiſHen Fragen ebenfalls ein lebhaftes Intereſſe entgegenbringen. 
J. 
Lay, W. A., Dr., Experimentelle Didaktik. Jhre Grund- 
legung mit beſonderer Rückſiht auf MusSkelſinn, Wille und 
Tat. 1. Teil. XU u. 595 S. Wiesbaden 1903. Otto 
Nemnich. 9 M. 
 
 
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Wenn man von dem Titel des Buches ausgeht, erwartet man, daß der 
Verf. die Grundſäße des Unterrichts auf Grund von Experimen- 
ten vorführen werde. I< habe aber beim Leſcn des Buches wiederholt 
das Titelblatt anſehen und den Kopf ſchütteln müſſen. Der Verf. ſpricht 
viel von Phyſiologie, Pſychologie, Biologie, Ethik, Neligion, Äſthetik, 
Rehtsphiloſophie und allen möglichen Wiſſenſ<haften, aber wenig von der 
experimentellen Didaktik, ſo daß wir wohl ſagen können, daß */s des Buches 
niht zum Thema gehört, ſelbſt wenn ſein Werk nur die „Grundlegung“ 
enthalten ſoll. E8 ſind pſy<hologiſ<-pädagogiſche Abhandlungen mit reichem 
Tatſahenmaterial, die uns der Verf. bietet, die aber na< unſerer Meinung 
der Klarheit ſehr ermangeln. Bei ſeinen pſyhologiſchen Erörterungen hebt 
der Verf. beſonders hervor, daß er die motoriſchen Prozeſſe und Bewegungs- 
vorſtellungen, die bei den Shulmännern noh eine terra incognita darſtellen, 
eingehend behandelt habe. Nah genauer Orientierung über dieſe Frage 
bin ich jedoch der Meinung, daß der Verf. auch in dieſem Punkte un3 im 
Unklaren läßt; er verwedſelt vielfach die Nervenbewegung, die Bewegungs- 
vorſtellung und die Vorſtellungsbewegung, ſtüßt jim auf unbewieſene Hypo- 
theſen der Gehirnphyſiologen und de8 pſy<ho-phyſiſchen Parallelismus. 
Viele andere Ausführungen über dieſen Gegenſtand erſheinen uns als 
Phantaſien des Verf. Uns ſteht ein Nerven: und Muskelme<hanismus zur 
Verfügung, den wir wohl weiter üben können, über den wir aber keine 
Vorſtellungen beſißen, und zwar zu unſerem Glücke; denn wie weit würde 
ein Klaviervirtuos kommen, wenn alle ſeine Fingerbewegungen als Vor- 
ſtellungen in ſeinem Geiſte vorhanden wären und vorhanden ſein müßten. 
In dem Abſchnitt Sah: und Sprachunterricht S. 165 u. ff. führt der Verf. 
ſeine Experimente über den RNedtſchreibeunterriht, den Geſang, das 
Rechnen uſw. vor, die er in ähnlicher Weiſe ſhon früher veröffentlicht 
hat. Bekanntlih hat L, gefunden, daß beim Abſchreiben die Kinder die 
wenigſten Fehler machen, und er verlangt, die Behörde ſolle nur gewiſſe 
Übungen vorſchreiben und andere verbieten. Wir können hierin aber keine 
große Weisheit erbli>en. Wenn das Buch neben dem Kinde liegt, iſt es 
ſelbſtverſtändlich, daß es dann weniger Fehler mac<ht. Der Zögling würde 
 
 
aber nicht zur Selbſtändigkeit geführt werden, wenn man ihn immer nur 
abſchreiben ließe. Wenn aber der Verf. nach der Behörde ruft, ſo könnte 
man den Spieß auch umdrehen: was würde er ſagen, wenn ein Karlsruher 
Bürger verlangen wollte, Herr L. jolle die Jugend nic<t mehr mit ſinn- 
loſen Übungen quälen. Wir bedauern, auf weitere Einzelheiten, ſo 3. B. 
auf die Frage na< den Akuſtikern, Optikfern und Motorikern hier nicht 
eingehen zu können, wir möchten nur noh hervorheben, daß wir die hohe 
Meinung, die der Verſ. von ſeinem Wirken beſißt, nicht teilen, und daß 
wir der Überzeugung ſind, daß ſein Werk die Pädagogik von dem „rohen 
Empirismus, der blindgläubigen Dogmatik, der müßigen Spekulation, der 
überwuhernden Oberflächlichkeit , dem niedrigen“ Drill“ uſw., wenn ihr 
dieſe Laſter wirklih anhaften, wohl ſ<werlih zu befreien imſtande jein 
wird. . . 
Menmann, Prof., Über Ökonomie und Technik des Lex- 
nens. Separat-Abdru> aus der „Deutſchen Schule“. 102 S. 
Leipzig 1903. Julius Klinkhardt. 1 M. 50 Pf. 
Bei der fundamentalen Bedeutung, die das Gedächtnis für alle geiſtige 
Entwiklung hat, iſt dies für den Pädagogen immer ein Kapitel von her- 
vorragentem Intereſſe. Was nun aber dieſe Studie beſonder3 heraushebt, 
iſt der Umſtand, daß hier ein Schüler Wundts auf Grund eigener Experi- 
mente dartut, was dieſe Richtung der Piyc<ologie, die ibei ihrer Jugend 
natürlich erſt allmählih Früchte für die Pädagogik reifen läßt, immerhin 
ſchon leiſten kann. Manche38 Geläufige wird beſtätigt, aber mandhe3 andere er- 
weiſt ſih als Vorurteil. Wie oft mögen Lehrer auf&Grund ſolcher ihre 
Kinder, ohne es zu wiſſen, ungerecht behandelt haben. Es ſei nur hervor- 
gehoben, daß das kindlihe Gedächtnis dem übender Erwachſener . weit unter- 
legen iſt, daß die Gedäctni3pflege troß des vielen Lernens gar arg ver- 
nachläſſigt wird, weil man nur auf die Aneignung des Stoffes, nicht 
aber auf die Art der Aneignung adtet. ' kg. 
Jahn, M., Dr., Dir., Pſy<ologie als Grundwiſſenſc<aft 
der Pädagogik. Ein Lehr- und Handbuch. XU u. 509 S. 
Leipzig 1904. Dürrſche Buchhdlg. 7 M. 20 Pf., geb. 8 M. 
Dieſer ſtattlihe Band liegt in vierter verbeſſerter und vermehrter Aufs- 
lage vor. Das tut ſich ſhon äußerlich in einer Erweiterung um 3 Bogen 
gegenüber der 3. Aufl. kund. Überall wird man die nac<hprüfende Hand 
ſpüren. Wir werden au< über die jüngſten Äußerungen zu den verſchie- 
denſten - Problemen der Pſychologie orientiert, und in beſonnener Weiſe 
werden ſie kritiſ< gewürdigt. Das bringt uns auf die Stellung de38 Buches. 
Der Verf. verfolgt die doppelte Aufgabe, einerſeits den Erzieher auf Grund 
der Erfahrung über die wirkliche Natur und Beſchaffenheit de8 Zöglings 
aufzuklären und an einer genügenden Anzahl von Beiſpielen alles vorzu- 
führen, was im Kinde ohne beſondere Erziehungseinflüſſe aufwächſt; andrer- 
ſeits ſucht er zu zeigen, wie das natürlic) Gegebene zu benußen ſei, um die- 
jenigen Inhalte und Formen des Seelenlebens entſtehen zu laſſen, welche 
den Menſ<hen über das Naturwüchſige erheben und ihn vervollkommnen. 
Der Verf. ſjuc<ht nach verſchiedenen Seiten hin der experimentellen Pſychologie 
gere<ht zu werden; er iſt aber der Meinung, daß dieſelbe nicht ausreiche, 
der Pädagogik nac<h jeder Richtung hin als Fundament zu dienen. Auf den 
Inhalt ſelbſt näher einzugehen, hat einem ſolchen umfänglichen Handbuche gegen- 
über jeine Schwierigkeit. Außer einigen einleitenden Bemerkungen gliedert ſich 
das Werk in 5 Abſchnitte: 1) Das Sinnesleben unter Berüſichtigung der 
Hauptlehren der Pſychophyſik. 2) Da3 innerhalb des 
pſyhiſhen Mehanismus. 3) Die höheren, den überſ<hreiten- 
den Bewußtſein8weiſen. 4) Die Pſychologie des und die Willens- 
bildung. 5) Theoretiſche Säge über das Weſen und die Entwieklung der 
Seele. Nah der oben angegebenen Auſgabe des Werkes zerfällt es in zwei 
Hauptteile, und es entſprechen ſich ſo der 2. und 4. Abſ<hnitt. Auf die 
abſchließenden Bemerkungen dieſer Abſchnitte möchten wir ausdrülich hin- 
weiſen, da ſie das Verſtändnis des Buches weſentlich erleichtern. Die zahl- 
reichen Literaturangaben werden dem beſonders wertvoll ſein, der ſich mit 
dieſer oder jener Frage no< weiter beſchäftigen will. Ein 14ſeitiges Re- 
giſter erleichtert den Gebrauch des Buches als Na<hſ<hlagewert. Pg. 
Lobſien, M., Schwankungen der pſy<hiſchen Kapazität. 
Einige experimentelle Unterſuchungen an Schulkindern. 110S. 
Berlin 1903. Reuther u. Reichard. 3 M. | 
Die Abhandlung beginnt mit einer hiſtoriſhen Überſicht über: das“ 
Weſen des pädagogiſch-pſy<ologiſhen Experiments, führt dann die Unter- 
ſuchungen des Prof. Schuyten in Antwerpen Über die Schwankungen. der 
Aufmerkſamkeit vor, bringt dann weiter die Berſuchsergebniſe ves Verf. 
die zum Schluß zu einem Vergleich mit den Reſultaten Schuytens und zr 
 
 
 

	        
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