Borführung einiger theoretiſcher und praktiſcher Konſequenzen Veranlaſſung
geben. Die Unterſuchungen des Verf. beſtehen darin, daß er in jedem
Monat je 40 Wörter, welche deutlich vorgeſprochen wurden, von den Schülern
und Schülerinnen ſeiner Schule niederſchreiben ließ, ſo daß ihm ſchließlich
80000 einzelne Ergebniſſe zur Verfügung ſtanden. Die Unterſuchungen
ſind nicht ohne Intereſſe für die Lehrer; um aber die „pſychiſche Kapazität“,
die „Aufmerkſamkeitgenergie“ der einzelnen Zöglinge ſeſtzuſtellen, ſind ſie
viel zu unbedeutend. J.
Martig, E., Anſchauungspſyc<ologie mit Anwendung
auf die Erziehung. Für Lehrer- und Lehrerinnenſeminare,
ſowie zum Selbſtunterricht. 303 S. Bern 1903. France.
geb. 3 M. 20 Pf.
Die 6. Aufl. dieſer Pjyc<hologie iſt bis auf Einzelheiten im großen und
ganzen unverändert geblieben. Das Werk verwertet die abgeklärten Ergeb-
- niſſe der neueren Wiſſenſchaft. Wir erinnern nur an die experimentelle
Pſychologie, an die pſy<opathijhen Minderwertigkeiten die auch ihre ge-
bührende Beachtung finden. Eine ueue Auflage ließe jſih nach unſerer
Meinung dadur< no< vervollkommnen, daß ſie dem Lernenden Hinweiſe
auf die pſychologiſche Literatur gäbe, die faſt völlig fehlen. Da3 könnten
für viele Antriebe und Wegweiſer zum Weiterarbeiten ſein. Cin Buch ohne
ſolche Hinweiſe erwe>t ſo leicht das [ſchädliche Gefühl des Fertigſein3. Pg.
Kinkel, W., Dr., Joh. Fr. Herbart, ſein Leben und ſeine
Philoſophie. VIII u. 204 S. Gießen 1903. IJ. Ritder-
ſche Buchhandlung. 3 M.
Nach einem kurzen Vorwort bietet uns Kinkel Herbarts Leben und
philoſophiſhen EntwiFlungsgang. Dann führt er uns in jieben Unter:
abſchnitten Herbart8 Syſtem vor; er unterſcheidet vie Metaphyſik, die Piy<Go-
logie, die praktiſ<e Philoſophie , die Äſthetik, die Religionsphilojophie und
die Pädagogik. Sowohl die Darſtellung des Lebens Herbarts, als auch
die Vorführung ſeiner Lehren iſt dem Verf. re<t gut gelungen, jelbſt die
ſchwierigeren Teile der Herbartjhen Philoſophie ſind von ihm zwar kurz,
aber do<h ausführlih genug zuſammengeſtellt worden. Weniger haben
uns die kritiſhen Bemerkungen, die der Verf. den ſieben einzelnen Ab-
ſchnitten beigegeben hat, gefallen. Sie ſind 3. T. ungenügend, andrerſeits
bieten ſie dur<aus nicht3 neues. Vor . allen Dingen halten wir es für
- notwendig, auc) im einzelnen einen Philoſophen innerhalb der Geſchichte
der Philoſophie und ſeiner Zeit zu beurteilen. Das Buch würde gewinnen,
wenn dieſe kritiſchen Bemerkungen wegfielen, die Lehren Herbarts aber no<
mchr im Zuſammenhange der Zeitgenoſſen betrachtet würden. J.
Vorländer, Immanuel Kant, Die Religion innerhalb
der Grenzen der bloßen Vernunft. Dritte Auflage.
96 u. 260 S. Leipzig 1903. Dürrſche Buchhdlg. (Philojophijche
Bibliothek, Bd. 45). 3 M. 20 Pf.
- Die gediegene, umfangreiche Einleitung berichtet über Kant3 religiöſe
Entwiklung und gibt das Geſchichtliche über Entſtehung, Veröffentlichung
-- bekanntlich auch ein intereſſantes StüF<hen deutſcher Kulturgeſchichte --
und Wirkung der Schrift. Die Ausgabe dieſes heute no< ſo aktuellen
Werkes ſei wärmſtens empfohlen. Pg
Baumgarten, N., Dr. med., Neuraſthenie, Weſen, Heilung
und Vorbeugung. XX u. 347 S. Wörishofen 1903.
Verlagsanſtalt Wörri8hofen. 4 M.
Das Werk iſt für Ärzte und Nichtärzte geſchrieben, und ihm liegen
die praktiſchen Erfahrungen und aufmerkſamen Studien einer langen Reihe
von Jahren zugrunde, die der Verſ. in dem bekannten Kurort gemacht hat.
Das Buch behandelt die Nervoſität, die Nervenkraſt, die Neuraſthenie in
ihren verſchiedenen Formen, dann die Urſachen der Neuraſthenie, die pſychiſche,
die medikamentöſe, die phyſiatriſhe Behandlung, weiter die Heilung der
afuten und der <hroniſhen Neuraſthenie, zulezt wind no< die Prophylaxe
erörtert. Die Darſtellung iſt in den einzelnen Abſchnitten einfach, klar und
ſa<hgemäß; die Anſichten und Vorſchriften des Verf. ſind überall an Bei-
ſpielen verdeutliht. Das Buch iſt niht nur wertvoll und empfehlenswert
für Neuraſtheniker, ſondern auch für Geiſtliche, Lehrer, Juriſten und für
Perſonen in führenden und leitenden Stellungen, die infolge ihres Berufes
dieſer neuen „Geißel der Menſc<heit“ leichter verfallen. ÜU.
Pädagogik.
Scherer, H., Pädagogiſcher Jahresbericht von 1902
55. Jahrgang. 853 S. Leipzig 1903. Friedrich Brand-
ſtetter. 12 M.
Die Mitarbeiter des neuen umfangreichen Bandes ſind dieſelben ge-
blieben; es gehören dazu: Freytag, Friſc<, Hauſchild, Kornrumpf, Ludwig,
Martig, Matthias, Opitz, Peter, Rothe, Sikinger, Uhihorn, Unglaub, Weigeldt,
- Zimmermann; ſie haben alle fleißig gearbeitet, um auf den einzelnen
Gebieten die Schriſten zu ſammeln, zu ordnen, ihrer Bedeutung na<h zu
'beſprehen und um die Geſichtspunkte zu gewinnen für eine überſichtliche
Einleitung zu den Werken der einzelnen Disziplinen. Bezüglich dieſer Über-
ſichten wäre bei der Fülle des Leſeſtoffes, der von allen Seiten her uns
belaſtet, der Wunſch wohl berehtigt, jo kurz und knapp wie möglich ſich zu
- faſſen. Dadſelbe gilt auch ſür die allgemeine Einleitung und für die Aus-
.. führungen über die Entwi>lungsgeſchi<hte der Shule in Deutſchland, Öſter:
„eich und der Schweiz. Die Darſtellungen des Herausgebers ſind bei ſeinem
großen Fleiße und ſeiner Beleſenheit höchſt beac<htenöwert; ſie bilden aber
BC aI ee WES BE EIE SI 2 9
ſelbſtändige Abhandlungen, die als ſol<e veröffentlicht werden könnten,
während man in einem Jahresbericht eine zuſammengedrängte Überſicht
erwartet. n.
Lazarus, M., Pädagogiſche Briefe. Heraus8gegeben von
Dr. A. Leicht. 165 S. Breslau 1903. Schottlaender. 1 M.
50 Pf., geb. 2 M. 50 Pf.
Lazarus iſt jedem Pädagogen bekannt.
erſheinen zum Teil hier zum erſtenmal. Sie beſchäftigen ſich mit der
idealiſtiſchen Grundſtimmung, der Staatserziehung, Dauer der Sculzeit
und dem Weſen der Erziehung. Nur ungern verzichten wir auf die Mit-
teilung ſo mancher beſonders bemerkenswerten Stelle. Man nehme das
Büchlein ſelbſt zur Hand. Pg.
Trarbach, Konzentration des Unterrichts in der Volks-
ſchule. 99 S. Berlin 1903. Oehmigke. 2 M.
Verf. wünſcht ungezwungene Verbindung verwandter Unterrichtsſtoſfe,
und er lehnt die zum Teil wißblattreifen Vorſchläge einzelner Zillerianer
ab. Der größere Teil der Schrift gibt Stoffverteilungspläne im Sinne der
Konzentration. Seine Forderungen find maßvoll. kg.
Koeſter, Das Geſchlechtliche im Unterricht und in der
Jugendlektüre. 64 S. Leipzig 1903. Wunderlich. 60 Pf.
Der erſte Teil wünſcht, daß das Geſc<hlehtliche auch in der Schule be-
handelt werde. Beſonders eigne ſich der naturkundliche Unterricht dazu.
Weil es nicht möglich ſei, wenn es au< ſehr wünſchenswert wäre, die Kinder
bei ihrer Naivität zu erhalten, „ſo folgt für mich mit abſoluter Notwendig-
keit die Forderung, nun auch jo klar und deutlich zu ſein wie nur möglich,
d. h. joweit die Kinder ihrer geiſtigen Reife entſprehend zu folgen ver-
mögen. Wie nirgends, jo taugt die Halbheit auch hier nichts“ (30). Der
von Bölſche zitierte Vergleich des nackten Leibes mit der Blume hinkt auf
beiden Seiten. Einmal iſt die Beziehung des Jnſekt8 zur Blume nicht eine
das Empfindungsleben desſelben gej<hle<htlich berührende, ſondern eine nutri-
tive; anderſeits iſt zwiſhen Blume und Menſc< eine ſexuelle Beziehung un-
mögli<. Der zweite Teil ſtellt dieſelbe Forderung an die Lektüre. Wir
halten derartige Experimente für ſehr gewagte. Sollte hier nicht ſhon das
natürlihe Gefühl der Scham einen deutlichen Hinweis geben? Und heißt
eine Diskuſſion mit der erziehenden Autorität darüber nicht mündig machen ?
Und der Mündige hält ſich ſo leicht für berechtigt!! Pg.
Hipp, Johanna, Handarbeit der Mädc<en. Reformpläne.
Mit 166 Abbildungen. 51 S. gr. 8?. Straßburg 1903.
Friedrih Bull. 5 M.
Die Verf. hat vor einigen Jahren uns durc< ein Buch erſreut, in welchem
ſie die Verbindung des Zeichnens mit den weiblichen Handarbeiten in höchſt
inſtruktiver Weiſe vorführt. Das neue Werk<en wendet fich gegen die rük-
ſtändige Art de3 Handarbeitzunterri<hts. Sie meint, daß ſie auf der primi-
tiven Stufe des „Vermittelns von Fertigkeiten“ ſtehen geblieben, während
alle andern Unterricht8gegenſtände zur „Ausbildung von Fähigkeiten“ fort:
geſchritten ſeien. Die Verf. ſtellt nun einen neuen Lehrplan auf, der wejent-
lich von dem allgemein gebräuchlichen abweicht. Vielen Gedanken und Auss-
führungen der Verf. ſtimmen wir vollſtändig bei; inbeſondere wünichen
wir mit ihr, daß die Handarbeitslehrerinnen als gute Zeichnerinnen auch
ven Zeichenunterriht an den Mädchen)<ulen übernehmen möchten. Ob aber
der neue Lehrplan der Hauptaufgabe des Handarbeitsunterrichts gerecht wird,
fleißig arbeiten zu lernen, können wir ohne praktiſche Prüſung nicht beurteilen,
empfehlen aber das intereſſante Werk<en allen beteiligten Kreijen. 3.
Mittenzwey, L., Vierzig Lektionen über die vereinigte
Geſezeskunde und Volkswirtſchaftslehre. 4. vermehrte
Aufl. 200 S. u. XXII. Wiesbaden 1903. Emil Behrend. 2 M.
Da3 Buch iſt beſtimmt zum Gebrauche in Fortbildungsſ<hulen und höheren
Lehranſtalten und zum Selbſtunterricht, beſonders auch für den Lehrer.
Wenn von einem derartigen Buche in einem immerhin kurzen Zeitraume
eine vierte Auflage ſich nötig mat, ſo jpricht dies für ſeine Brauchbar-
feit. Und ohne Überhebung ſei es geſagt, die Urteile der Preſſe ſind dur<-
weg zuſtimmend und ſprechen ihre Anerkennung aus. Es hat aud) dieſes
Buch -- wie das kaum anders zu erwarten war =- verſchiedenfa<e Na<-
ahmung gefunden, auch unter verſchiedenen Titeln, ſo als Verfaſſungs-
kunde, Geſellſhaftskunde, Bürgerkunde und wie die geſuchten Namen alle
heißen mögen, trotdem iſt das Urteil des Prof. v. Jehring: dieſes Buch
iſt „einzig in ſeiner Art“ und von allen Verſuchen, das Recht zu popula-
riſieren und volkswirtſchaftlihe Lehren genießbar zu machen, der am beſten
gelungenſte, ſchließlich auch heute noh zutreffend. Nicht der Begriff „Geſet“
oder der Begriſf „Gut“ iſt al8 Subjekt und Mittelpunkt und Ausgangs-
punkt genommen worden, ſondern der Begriff „Menſc<“", insbeſondere der
geiſtige Menſ<. Wir ſehen den Menſchen als Familienglied, als Glied der
Gemeinde, als Bürger des Staates, als Untertan des Reiches. Wir ſehen
ihn in ſeiner Tätigkeit im Nähr-, Lehr- und Wehrſtande. Wir betrachten
ihn in feinem Berufe und bei ſeiner Arbeit als Gewerbtreibenden, Indu-
ſtiiellen, Arbeiter, Kaufmann, Beamten uſw.; ferner im öffentlichen Leben
als Kirchen“ und Sculvorſtandsmitglied. als Vertreter in der Gemeinde,
im Bezirke, . im Kreiſe, im Staate und Reiche, als Richter (Sciederichter,
Friedensrichter, Schöffe, Geſ<hworener), als Beweishelfer (Zeuge, Sachver-
ſtändiger uſw.), während ſonſt bei der Volkswirtſ<haftslehre immer die
„Güter“ im Mittelpunkte ſtchen, in NüFſiht auf Gewinnung, Verarbeitung,
Verbreitung und Verbrauch, und dieſer letztere Standpunkt kann uns ---
wenigſtens für die Schule -- nie und nimmer gefallen. Wenn aber Geiſt
und Seele als die treibenden Kräfte im öffentlichen und wirtſchaftlichen
Leben angeſehen. werden, dann iſt auch die für die Pädagogik unentbehr-
liche ethiſche Baſis geſchaffen. (Selbſtanzeige.)
Dieſe liebenswürdigen Brieſe