Full text: Das Schulwesen in Preußen ... im Staate, in den Provinzen und Regierungsbezirken - 1921 (1924) (1)

 
 
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deutung der Anſtalten für das Unterrichtöweſen viel größer, als die Zahl erkennen läßt; ſie beruht auf dem Werte dieſer Anſtalten für 
die Ausbildung der Lehrer. Neben den Seminarübungsſchulen haben nur die Privatſchulen für die Allgemeinheit ein gewiſſes Intereſſe. 
Vergleiht man die Zahlen für 1921 mit denen für 1911, ſo ergibt fich, daß nur die Privatſchulen ſowohl der Zahl der 
Anſtalten wie der der Schüler nach zugenommen haben, und zwar recht beträchtlich (um 69,96 bezw. 78,23 % ). Die Seminarübungs3- 
ſchulen und Schulen in Rettungöshäufſern und Fürſorgeanſtalten ſind zwar der Zahl der Schüler nach geſtiegen, dagegen der Zahl der 
Anſtalten nach zurückgegangen. Die Schulen in Anſtalten für körperlich oder geiſtig Zurükgebliebene haben ſich der Zahl der An- 
ſtalten nach vermehrt, dagegen der Zahl der Schüler nach vermindert. Die Schulen in Blindenanſtalten find der Zahl der Anſtalten 
nach gleichgeblieben, der Zahl der Schüler na<h zurügegangen. Eine Abnahme nach beiden Richtungen hin zeigen die Schulen in 
Waiſen- und Erziehungö8häuſern und in Taubſtummenanſtalten. 
Es wäre zwecklo8, alle Schulen dieſer Gruppe mit derſelben Ausführlichkeit zu behandeln, mit der im vorſtehenden die 
öffentlic<en Volköſchulen beſprochen worden find. C3 dürfte vielmehr genügen, nur noch ein paar. kurze Bemerkungen über die beiden 
wichtigſten Arten, die Privatſchulen und die Seminarübungsſchuülen, zu machen. 
Unter den Privatſchulen, die zu "/,, auf die Städte und nur zu 8/16 auf das Land entfallen, ſpielen die ſogenannten 
Familienſchulen die Hauptrolle. Sie machen mit 174 von 413 faſt die Hälfte aller Privatſ<ulen aus. Dieſe Schulen, deren Schüler- 
zahl - meiſt außerordentlich klein iſt, und in denen der Unterricht mehr „familienmäßig“ erteilt wird, werden in der Regel von ſchwäch- 
lichen Kindern beſucht, die durch kreiSärztliches Atteſt vom Beſuch der öffentlichen Volksichule befreit ſind. 82 Schulen werden von 
Stiftungen, Korporationen und religiöſen Orden unterhalten, die Mehrzahl entfällt davon auf die Provinzen Brandenburg, Sachſen 
und Weſtfalen. 
Bei den Privatſchulen entfallen auf eine Schule durchſchnittlich 33,81 Schüier und 1,35 vollbeſchäftigte Lehrkräfte, während 
es bei den öffentlichen Volksſchulen 164,11 Schüler und 3,50 planmäßig beſchäftigte Lehrer ſind. Über drei Viertel der Schulen haben 
gemiſchte Klaſſen, was bei ihrer Kleinheit nicht überraſchen kann. Dem konfeſſionellen Charakter nach iſt faſt die Hälfte proteſtantiſch, 
etwa ein Drittel ohne beſtimmte religiöſe Richtung, der Reſt verteilt ſic auf katholiſche, jüdiſche und au8geſprochen paritätiſche Schulen. 
Die Privatſchulen ſind in der Regel wenig gegliedert; 362 von 413 haben nur 1 bis 3 Stufen, nur 51 mehr als 3 Stufen. 
Daraus gebt hervor, daß es ſich meiſt um eine Vorſchule oder Grundſchule handelt. Bei den Familienſchulen iſt es vielfac< ſo, daß 
die Leiter (in der Regel Frauen) zwar Schüler für alle Stufen annehmen, aber ſelten alle Stufen beſetzt ſind. Wie eben ſchon 
erwähnt, ſind die Lehrkräfte meiſt weiblich. Von 558 für das3 Lehramt vorgebildeten vollbeichäftigten Perſonen ſind 397 Lehrerinnen. 
Beim Vergleich von 1911 mit 1921 fällt, wie jichon oben erwähnt, auf, daß die Zahl der Privatſchulen ſich um 69,96 % 
vermehrt hat, die Zahl ihrer Schüler ſogar um 78,28 %, und zwar war die Zunahme der Knaben doppelt ſo groß wie die der 
- Mädchen. Es iſt aber möglich, daß dieſe Zunahme nur ſcheinbar iſt und darauf zurückgeführt werden muß, daß 1911 die Familien- 
ſchulen nicht mitgezählt worden ſind. Ob von 1911 bis 1921 tatſächlich die Zahl der Prwatſchulen mit Volk3ſc<hulziel fiark vermehrt 
worden iſt, eiwa zwecds Umgehung des Grundſchulgeſetzes, läßt ſich nicht mit Sicherheit feſtſtellen. 
Von den 213 Seminarübungsſchulen, die ſich überwiegend in der Stadt befinden (200), werden 147 vom Staat, 47 von 
Gemeinden, der Reſt von Gemeinden mit Staat3-, Krei3- uſw. Zuſchuß, von Stiftungen, Korporationen, Orden oder Privatunter- 
nehmern unterhalten. Die durchſc<hnittlihe Größe diejer Schulen entſpricht mit 160,51 Schülern auf die Anſtalt ungefähr derjenigen 
der öffentlichen Volksſchulen (mit 164,11 Schülern). Von den 1 198 Klaſſen entfallen 625, alſo mehr al3 die Hälfte, auf gemiſchte 
Klaſſen, 442 (mehr al3 ein Drittel) auf Mädhenllaſſen und nur 131, alſo wenig mehr als ein Zehntel, auf Knabenklaſſen. Dem- 
entſprechend überwiegen auch unter den Schulkindern die Mäd<hen (mit 20 999 gegen 13 189 Knaben). Dieſe auffallende Tatſache 
dürfte wohl damit zuſammenhängen, daß in den lezten zwanzig Jahren (ſeit dem Kultusminiſier von Studt) die Zahl der Lehrerinnen 
verhältnisSmäßig viel ſtärker vermehrt worden iſt als die der Lehrer. Dazu hat insbeſondere auch die Reform des höheren Mädchen- 
ſ<hulweſens im Jahre 1908, die neue Wege zum Lehrerinnenberuf eröffnet hat, beigetragen. Ihrem konfeſſionellen Charakter nach 
waren 125 Seminarübungsſchulen evangeliſch, 67 katholiſch, 2 jüdiich und 5 paritätiſch. Das Zahlenverhältnis zwiſchen evangeliſchen 
und katholiſchen Schulen entſpricht ungefähr dem Verhältnis zwiſ<en evangeliſchen und katholiſchen Schülern der öffentlichen Volks8- 
Ichulen (62,38 bezw. 35,76 % aller Schüler). Da aber die katholiſc<en Schulen durchſchnittlich Ueiner ſind (ſie haben nur 147,36 Schüler 
gegen 160,55 bei den Proteſtanten), ſo machen die fatholiſ<en Schüler mit 10 754 weniger als die Hälfte der evangeliſchen (22 948) 
aus, während die katholiſchen Schulen ſelbſt, wie wir eben ſahen, ſich aus mehr als die Hälfte der evangeliſchen beliefen. Der ver- 
tifalen Gliederung naß ſind mit Ausnahme der zweiſtufigen Schulen alle Stufenzahlen unter den Seminarübungsichulen vertreten, 
der Hauptſache nach allerdings Schulen mit mehr als vier Stufen. 
€. Die mittleren Schalen, 
Die öffentlichen mittleren Schulen. 
In den Tabellen über die öffentlichen mittleren Schulen ſind eine ganze Reihe verſchiedener Schularten zuſammengefaßt. 
Das Mäittelſchulweſen in Preußen iſt durch die Beſtimmungen des Kultusminiſter3 vom 3. Februar 1910 neu geordnet worden. In 
dieſem Erlaß heißt e8: „Die Entwicklung auf dem Gebiete des Handwerks, des Kunſtgewerbe3, des Handel3 und der Jnduſtrie 
erfordert eine geſteigerte AusSbildung der Knaben und Mädchen für dieſe Erwerbs8zweige. Im Zuſammenhang damit macht fich das 
Bedürfnis nach einer guten Vorbereitung auf mancherlei mittlere Stellungen im Verwaltungsdienſte des Staate3 und der Gemeinden 
wie größerer Induſtrie- und Handel3geſchäfte geltend. Dieſen Forderungen vermag die Volksſchule auc< in ihren entwicelteſten Ge- 
ſtaltungen wegen der mannigfachen Schwierigkeiten, unter denen ſie als allgemeine Pflichtſ<mule arbeitet, nur in geringerem Grade 
zu dienen. Bei der höheren Schule aber liegen die Ziele nach der wiſſenſchaftlichen Seite, ſodaß auch ſie in ausreichender Weije 
dazu nicht imſtande iſt. Daraus ergibt ſich die Notwendigleit einer zwiſchen der eigentlihen Volksſ<hule und der höheren Schule 
ſtehenden Schuleinrichtung, die unter Vermeivpung auc< des Scheines wiſſenſchaftlichen Betriebes die Kinder in ihrem LebenSkreiſe 
heimiſch macht und ſie vefähigt, ſich in ihrem ſpäteren LebenSberufe zurechtzufinden“. Es wird dann in dem Erlaſſe weiter a118- 
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