Faber über Waschinski: Das kirchliche Bildungswesen in Ermland usw. 97
W. verwertet nun nicht nur die Metropolitan- und Diözesansynoden-
berichte, Sondern auch viele bischöfliche Sendschreiben, Statusberichte
und Visitationsprotokolle; letztere erwiesen Sich als begonders ergiebig. --
Ihrer Nationalität nach war die Bevölkerung in dem ehem. Ordensland
Polnisch Preußen (Westpreußen und Ermland) noch im 18. Jh. über-
wiegend deutsch. Schon in den zwanziger Jahren des 16. Jh. zog die
Reformation in den deutschen Kulturzentren Danzig, Elbing und Thorn
ein und drang von dort aus giegreich über das Hache Land vor, wo
ihr in erster Linie Rat und Bürgerschaft der kleineren deutschen Städte
zufielen: deutsch und evangelisch wurden fast identische Begriffe; nur
in dem fast rein deutschen Ermland wurde die Ausbreitung der neuen
Lehre durch strengste Abwehrmaßnahmen der Bischöfe (Kardimal St.
Hogins usw.) unterbunden.
Der mit dem Konzil von Trient eingetzenden Gegenreformation
gelang es im Bunde mit den Jeguiten, der Reformation Halt zu gebieten,
ja Sogar manches Verlorene zurückzuerobern, aber noch 1769 gibt der
Bischof von Leslau für geine Diözese die Zahl der Evangelischen (mit
Danzig und Thorn) auf über 125000 gegenüber 161000 Katholiken an.
Insgesamt zählte man in Polnisch Preußen in den letzten 175 Jahren
polnischer Herrschaft etwa 900 gelbständige Pfarreien. Nach dem von
der Kirche immer aufs neue eingeschärften Grundsatz Sollte bei jeder
Kirche auch eine Schule gehalten werden; in Wirklichkeit wurde Jedoch
diesger Zustand auch nicht im entferntesten erreicht: am Ende des
16. Jh. breitete Sich z. B. in Pommerellen eine „geistige Wügste“ aus,
befand Sich doch 1583 in Schwetz die einzige katholische Pfarrschule im
gegamten Archidiakonat! Oft Sind die Schulhäuger für andere Zwecke
vermietet, in Viehställe verwandelt oder überhaupt spurlos verschwunden ;
mitunter mußte gich der Schulmeister gelbst erst Seine jämmerliche
Schulkate errichten. Erstaunlich ist vielerorten die ganz unglaubliche
Interesselosigkeit der adligen Patronatsherren; 50 ließ --- um nur ein
Beispiel zu bringen -- der Schloßherr von Kamin die Schule kurzer-
hand abbrechen und das Holz aufs Schloß bringen.
Line rühmliche Ausnahme bildet das Bistum Ermland, das in Jeder
Beziehung einen Vergleich mit dem umliegenden Herzogtum Preußen
aushalten konnte. --- Z. 'T. noch besger stand es in den Gebieten der
großen evangelischen Städte (anf Danzig wird am Schluß näher ein-
gegangen werden) S0wie in der evangelischen Diaspora; zum Vergleich
wäre hier eine knappe Übergicht über Sämtliche ev. Landschulen gehr
willkommen gewesen. Insgesamt betrachtet, wurden im 18. Jh. (für
das 16. und 17. Jh. fehlt es an den nötigen Unterlagen) von den
katholischen Pfarrschulen nur etwa 6--8 0/, der schulpflichtigen Kinder
erfaßt; in Pr. Stargard (1710) und Schöneck (1729) Sinkt der Prozent-
Satz auf 5, m Dirschau (1765) gar auf 3. Mit andern Worten: die
Mehrzahl der katholischen Kinder wachsen noch im 18. Jh. ohne jede
Schulbildung auf. Sehr begrüßenswert sind hier die dem 1. Bande bei-
Zeitschr. f. Gesch. d. Erzieh. u. d. Unterrichts. XVII], 1. 1927. .