Full text: Zeitschrift für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts - 17.-19.1929 (17 bis 19)

Fischel: Die Jüdische Pädagogik in der tannaitischen Literatur. 115 
 
typus vom europäischen verwischt und nicht herausgearbeitet. Ein 
wahres Bild vom Erziehungs- und Bildungswegen in nachbiblischer Zeit 
kann aber erst gewonnen werden, wenn das umfangreiche Material, das 
Sich über die ganze talmudische Literatur erstreckt, zusammengestellt, 
auf Seinen pädagogischen Gehalt hin objektiv und zwar mit einem 
den Quellen angemessenen Maßstab untersucht wird. 
Ohne den Angspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, haben 
wir diese Aufgabe hier zunächst für einen bestimmten Zeitraum, für 
die S0genannte tannaitische Epoche unternommen!), Unter jeweiliger 
Berücksichtigung des geschichtlichen Hintergrundes haben wir vergucht, 
die bezeichnenden Züge innerhalb des jüdischen Bildungswegsens aus 
den jüdischen Quellen aufzuweisen und die Bedingungen, die zu jenem 
besgonderen Bildungstyp geführt haben. Die Arbeit verfolgt in erster 
Linie ein bildungsgeschichtliches Ziel. Sie will ein Beitrag für 
eine Geschichte der Pädagogik?) im Altertum Sein, innerhalb der auch 
die talmudische Pädagogik ihren gebührenden Platz innehaben wird. 
pie will dem Historiker der Pädagogik ein Material an die Hand geben, 
das ihm bisher, nicht zuletzt wegen der Schwierigkeiten der Sprachlichen 
und inhaltlichen Erfasgung der Quellen, mehr oder weniger verschlossen 
bleiben mußte. 
Zum Verständnis des jüdischen Bildungswesgens gehört vor allem 
eine nähere Beleuchtung des Wegens der zu Gebote Stehenden Quellen, 
auf die Sich „die Pädagogik in der tannaitischen Literatur“ Stützen kann. 
Denn in der Art und Zusammengetzung der Quellen prägt Sich Schon 
das Kigentümliche der jüdischen Pädagogik aus. Zunächst fehlen uns 
für unsere Aufgabe all die Quellen, die dem Gesgchichtsschreiber der 
Pädagogik irgend eines europäischen Landes ohne weiteres zur Ver- 
fügung Stehen, die in Hellas wie in Rom und durch das ganze Mittel- 
alter hindurch bis heute 80 reichlich fließen: Schulprogramme, Lehr- 
pläne, Schulverordnungen, gelbständige Abhandlungen über Fragen der 
Bildung und Erziehung usw. Dagegen haben wir ein außerordentlich 
umfangreiches Schrifttum vor uns, das aber keinem Sonderfach, 
!) Unter der tfannaitischen Literatur versteht man Jene Werke, die den 
bis zum Ende des 2. nachchrist]. Jh. ausgebildeten Traditionsstoff enthalten. 
Zu diesen gehören in erster Linie die Mischna, die älteste und bekannteste 
Sammlung des halachischen Stoffs, die Togefta, ein Parallelkodex zur Mischna, 
und die 80gen. halachischen Midraschim : a) Mechilta (Kommentar zu Exodus), 
b) Sifra (Kommentar zu Leviticus), ec) Sifri (Kommentar zu Numeri u. Deute- 
ronomium). Nähere Auskunft über diess Werke wie überhaupt über diese 
Epoche gibt Strack, H. (s. Abkürz.); vgl. Jewiseh Encyclopedia u. 
Gr aetz, H., Geschichte des jüd. Volkes. Bd. 3, 4. Leipzig 1905. -- *?) Wir 
fassen „Pädagogik“ im weitesten Sinne auf mit Hönigswald, R., Über die 
Grundlegung der Pädagogik. München 1918. S. Sl, als „Übermittlung der 
Kultur durch die ältere Generation auf die jüngere“ . . . „als den Inbegriff der 
Beziehungen, die den Tatbestand der Wisgengübermittlung definieren“ oder 
mit Ziegler S8. 1, „als die planmäßige Einwirkung der älteren Generation 
auf die leibliche und geistige Entwicklung der Heranwachsenden“. 
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