Kluge: Der Humanismus des 16. Jh. in Seinen Bezieh. z. Kirche 11. Schule. 9
von Sich aus und für gich lögen maß. Dann wird vielleicht auch das.
Urteil Schwinden, das ich an Sich nicht hindern kann, daß nämlich die
Hälfte von dem, was hier zur Darstellung kommt, auf einem wertlogen
und S0gar einfältigen Treiben beruhe?). Das zeitgeschichtliche Moment
macht den dürftigen Inhalt wertvoll, die Geistigkeit, die das Zeitalter
zugammentügt 2).
Der zweite Band der „Institutio“ (1587) ist von der Schule der
Kirche (pium ecclesgiae Christi ministerium) gewidmet; Seine Vorrede
richtet gich an die Diener der Kirche und erörtert, weghalb diese die
Schule gich angelegen gein lasgen müsgen. Die Kirche war im MA.
die allgemein anerkannte Form des geistigen Lebens, die Inhaberin
aller Wahrheit und deghalb gelbstverständlich Herrin der Lehre. Alle
Schulen waren hinsichtlich der Lehre ihr unterstellt*). Diese Herr-
Schaftsstelung erfährt nun in der neuen Lehre eine Abschwächung:
Kirche und Schule Sollen -- und zwar auf den ausdrücklichen Befehl
Gottes -- eine Gemeingschaft bilden. Das entspricht dem karitativen
Charakter der Kirche, die alle ihre Glieder an Sich zieht und umfaßt.
Es igt auch ein Ausdruck der Anerkennung der Dienstg, die die Schule
der Kirche erweist durch Unterricht und Bildung der Menschengeele.
Diese „Wohltaten“ sind die Vermittlung der „Sacrae literae“ durch
Darbietung der Sprachenkenntnis und Vermittlung allgemeinen Wisgens:
Unterricht in dem Quadrivium mathematicum, Arithmetik, Geometrie,
Musik, Astronomie. Bei Behandlung der Unterrichtsfächer wird im
einzelnen davon die Rede Sgein, in wie überschwenglicher Weise, in
welchem z. T. grotesken Ausmaß den Profanwisgenschaften ein religiöger
Charakter und ein religiöger Anstrich gegeben wurde, 80 daß man
tragt: Was trieben die Humanisten eigentlich in den Wissenschaften,
wenn deren Kenntnis für eimen Theologen unumgänglich nötig war?
Chytraeus Sagt: „Die KElemente der Physik und Mathematik bringen
Licht in viele Dunkelheiten der hl. Schrift. Wie soll man die Lehre von
2) A. 'PTurnebus (s, u. S. 30) leitete Seinen „Libellus de methodo“
(Parieiis 1600. 31 Bl, [Ex.: Berlin, Staats-B.]) mit den Worten ein: „Equidem
non dubito, quin hic meus liber multorum in me partim odia provocaturus
Sit partim rigum lacessiturus“. -- *) Die Originale -- gämtlich aus der
Preußischen Staatsbibliothek -- habe ich mitunter übergsetzt, freilich dabei
gemerkt, daß deren logisch-zwingende Beflügeltheit oft erstickt unter der
Belastung unschmiegsamer, steinerner technischer Mühe des Verdeutschens.
Das Material der Anmerkungen gieht nach Handwerk aus. Ich hoffe, daß
dieses in gewisgem Sinn kleinliche System der Belege, des Notizengammelnsg,
das die Forschung an ihrer Peripherie nicht entbehren kann, das Ziel der
Arbeit nicht stört. -- Den zweiten Teil der Untersuchung, der den Humanis-
mus in Seinen Beziehungen zur Sprachwigssgenschaft, zu den Realien und zur
allgemeinen Kultur behandelt, hoffe ich diegem ersten Teil bald nachschicken
zu können. -- *) Stein 5, 8. 26: „Es ist keine Frage, daß ursprünglich der
ethische Träger der Idee des Bildungsanspruchs die Kirche gewesen, die
überhaupt dazu bestimmt war, die Freiheit da zu vertreten, wo die ganze
übrige Gegellechaft 8ie aufgegeben, während gie gie stets da bekämpfte, wo
die letztere Sie forderte“.