Full text: Pädagogisches Jahrbuch - 1.1903(1904) (1)

174 1. Teil: Schulpolitische Rundschau. 2. Abschnitt: Der Volksschullehrer. 
 
Rixdorf und Schöneberg waren im Jahre 1897 allerdings noch keine 
Stadikreise, muſsten aber des Vergleichs willen hier 80 aufgeführt werden. 
Gegen diese zunehmende „Verweiblichung“ der Volksschulen wird von 
vergechiedenen Seiten lebhaft Klage geführt, namentlich wird immer wieder 
darauf hingewiesen, daſs die Lehrerinnen in ihrem Berufe viel weniger 
widerstandsfähig Sind als die Lehrer. 
Auch die Urlaubsstatistik der Berliner Gemeindeschulen für 
das Etatsjahr 1902 bestätigt wieder diese Erfahrung. In dem genannten 
Jahre Sind nämlich auf 100 Lehrer 22,99 Urlaubsfälle gekommen, dagegen 
auf 100 wissenschaftliche Lehrerinnen 34,21 und aut 100 Fachlehrerinnen 
Sogar 35,64. Noch auffallender wird .das Miſsverhältnis, wenn nicht die 
Zahl der Urlaubsfülle, sondern die Ausdehnung des Urlaubs in Betracht 
2870gen wird. Da Stellt gich heraus, daſs die Sämtlichen 2884 Lehrer nur 
21422 Urlaubstage beansprucht haben, während den Lehrerinnen, obwohl 
Sje zusammen nur 1831 Pergonen zählten, 24756 Urlaubstage gewährt werden 
muſsten. Mit anderen Worten: auf den einzelnen Lehrer fallen 7,43, auf 
die einzelne wisgenschaftliche Lehrerin 14,41 und auf die Fachlehrerin 13,51 
Urlaubstage. Mithin bedarf im Durchschnitt Jede Lehrerin ungefähr doppelt 
S0 viel Urlaubszeit wie ein Lehrer. Unter diesgen Umständen ist es nicht 
zu verwundern, daſs die weiblichen Lehrkräfte eher für den Unterricht un- 
tauglich werden und pensgioniert werden müssen als die männlichen. 
Während es an den Berliner Gemeindeschulen 1902 noch 89 Lehrer mit 
einem Dienstalter von 40 bis 44 Jahren und 34 mit einem Solchen von 45 
bis 54 gab, hatten nur 6 Lehrerinnen ein Dienstalter von 40 bis 44 Jahren, 
ein höheres Dienstalter aber keine einzige erreicht. Dabei muſs man Sich 
vergegenwärtigen, daſs die Anstellung der Lehrkräfte beiderlei Geschlechts 
ungefähr in dasselbe Lebengalter fällt. 
Bezüglich der Vorbildung der Lehrerinnen ist noch manches recht 
mangelhaft, doch Scheint man neuerdings allenthalben die Zahl der staat- 
lichen Lehrerbildungsanstalten vermehren zu wollen. 
Der Landesverein preuſsischer Volksschullehrerinnen hat 
auf Aufforderung des Kultusministeriums, die auf die Vorbildung der Lehre- 
yinnen gerichteten Wünsche Schriftlich einzureichen, dem Kultusminister 
ein Schreiben übersandt, in dem folgende Hauptpunkte enthalten gind: 
„1. Bei Aufnahme in die Lehrerinnenseminare mögen die Kenntnisse und 
Fähigkeiten gefordert werden --- eine neuere Fremdsprache eingeschlossen -- 
die eine voll ausgestaltete höhere Mädchenschule ihren Zöglingen gibt. 
2. Ein - einheitlicher Lehrplan, im wesgentlichen dem Lehrplan der Lehrer- 
Seminare entsprechend, möge allen Lehrerinnenseminaren vorgeschrieben 
werden. 3. In jeder preuſsischen Provinz, die noch Kein Lehrerinnengeminar 
begitzt, möge wenigstens ein Staatliches Volksschullehrerinnenseminar erY- 
richtet werden. 4. Auch die Lehrerinnen mögen Sowohl zu der zweiten 
Lehrerprüfung, alis auch zu den Prüfungen der Lehrer an Mittelschulen und 
der Rektoren Zzugelassen werden.“ zZur weiteren Begründung dieser Bitten
	        
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