Full text: Pädagogisches Jahrbuch - 1.1903(1904) (1)

8 11. Teil: Literarische Rundschau. 1. Abschnitt: Eingehende Besprechungen. 
 
vor aller Erfahrung vorhanden, aber es ist real zugleich ein AposSteriori, ingofern 
es doch nur in der Erfahrung und mit jeder Erfahrung uns zum Bewuſstsein zu 
kommen vermag. 
Wie nun der Verſasser den Raum- und Zeitbegriff ausführlich entwickelt -- 
er unterscheidet einen metaphysisSchen, pSychologisSchen und empirisch-intuitiven 
Raum -- und die Notwendigkeit des Kaugalitätsgesetzes für unger Denken in dem 
Naturgegetz der Seele nachweist, muſs hier übergangen werden. 
Kbeuso würde es über den Rahmen dieger Besprechung hinausgehen, dar- 
zulegen, in welcher Weise das pSychologische Naturgesetz auf die Gebiete der 
Psychologie, der Logik und der Sprachwisgenschaft angewandt wird, und wie es 
zugleich Kriterien bietet für die Festlegung des Unterschiedes von Mensch und 
Pier, von Mann und Weib, von Wissenschaft und Knyst. 
Es kam uns hier nur darauf an, die Hanuptgedanken des grundlegenden 
metaphysiSchen wie die- Prinzipien des aufbauenden "Peils kurz anzudeuten, um 
dadurch das Interesse weiterer Kreise auf dieses Werk hinzulenken, das eingehend 
Studiert und. als Ganzes erfaſst Sein will, um recht verstanden und gewürdigt zu 
werden. Und als Ganzes iSt es eine Sehr beachtenswerte Erschemung, da es mit 
dem Gedanken einer Weiterbildung der Kantischen Lehre Ernst macht und in dem 
„Naturgesetz der Seele“ und der Art, wie dasselbe begründet und angewandt wird. 
eine wirklich neue, mit grofsem Scharfsinn und Streng logischer Gebundenheit 
entwickelte Hypothese bietet. 
Als einer Neuerscheinung auf erkenntnistheoretischem Gebiete Sollte ihm 
vor allem auch die Aufmerksamkeit der Lehrerwelt zu teil werden, und dies um 
«0 mehr, als der Verfasser --- gleich Herbart und Lotze -- durch die Annahme 
ciner Seele dem ersten Erfordernis einer für die Schule brauchbaren Auffassung 
entspricht und in Seinem der intellektualistiSchen Lehre Herbarts entgegengesetzten 
Voluntarismus -- ähnlich wie Wundt und andere -- eine Richtung vertritt, welche 
mehr und mehr an Boden gewinnt und auch nicht ohne Einfluſs auf die Schule 
bleiben kann. Es ist höchst interessant, wie hier nicht nur der Zusammenhang in 
Fühlen, Erkennen, Wollen, Empfinden und Begehren in einem geistigen Mechanis- 
mus auf der Grundlage der Willenstheorie anschaulich dargelegt, Sondern zugleich 
auch gezeigt wird, wie der Satz bezw. das Urteil dadurch entsteht, daſs die geistigen 
Gleichgewichtspunkte des Erkennens und Empfindens durch einen Willengakt ver- 
bunden werden und immer erneut mit naturgegetzlicher Notwendigkeit verbunden 
werden müssen. 
Was das Buch dem aulserhalb des engeren Kreises der FachphiloSophen 
Stehenden noch ganz besonders Schätzenswert macht, ist eine eingehende Analyse 
der erkenntnistheoretischen Gedanken ICants, die zum Verständnis der Ausführungen 
wegentlich beiträgt und zugleich in die. Lehre Kants tiefer einzuführen geeignet 
izt. Der Verſasser muſste Sich Ja mit Kant auseinandersetzen und daher vor 
allem dessen Lehre gründlich kennen. Er hat Sich aber auch eine ebenso tietf- 
gehende wie umfasSsende Kenntnis der Kantliteratur angeeignet, was Ihm in den 
Stand Setzt, die verschiedensten Angichten über umstrittene Punkte der Kantischen 
Philosophie heranzuziehen und kritisch zu beleuchten. Und wenn er dabei häufig 
genug in die Lage kommt, Kant gegen Interpretationen in Schutz zu nehmen, die 
auch nach unserm Dafürhalten dem vinne der Kantischen Ausführungen nicht 
gerecht werden, So wird er andererSeits ireilich Selbst diesem Yorwurf nicht immer 
vanz entgehen, So z. B., wenn er voraussetzt, Kant habe unter Raum und Zeit 
fertig im Geiste liegende, nicht aber funktionelle Formen verstanden. Indessen 
Solehe Verschiedenheiten der Auffassung kommen. begonders wenn Sie, wie im an-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.