60 IL Teil: Literarische Rundschau, 1, Abschnitt: Hingehende Besprechungen.
Zur Geschichte der Pädagogik.
Angezeigt von Schuldirektor Vetter in Dresden.
Hertz, Dr. Georg, Pfarrer: Das Schulwegen der deutschen Re-
formation im 16. Jahrhundert. Heidelberg 1902, Carl Winters
Uniwergitätsbuchhandlung. Mk. 16.--, geb. Mk. 18.--.
Der Verfasser hat Sich bereits durch Seine „Pädagogik der Jegniten“ als ein
bedeutender Geschichtsschreiber der Pädagogik erwiesen. Das vorliegende Werk.
bestätigt und befestigt dieses Urteil. Denn in ihm bietet uns der Verfasser die
Schon längst erwartete grundlegende und erschöpfende Darstellung des Schul-
wegens der deutSchen Reformation im 16. Jahrhundert dar, die auch die trefflichen
Behandlungen dieser bedeutendsten Epoche der deutschen Geschichte der Päda-
g20giKk bei Paulsen (Geschichte des gelehrten Unterrichts 1 B), Schmidt (Geschichte
der Pädagogik in weltgeschichtlicher Entwickelung etc.) und Raumer (Geschichte
der Pädagogik etc. 1. T.) nicht zu ersetzen vermochten.
Neben dieser geschichtlichen Bedeutung des Werkes, dessen Studium
fortan für jeden, der Sich mit der Geschichte der Pädagogik befaſst, unentbehrlich
Sein wird, hat das Werk, desgen EBrScheinen mitten hineintällt in eine Zeit, in der
konfessionelle Vragen wieder brennend werden, eine eminent aktuelle Bedeutung,
Der 1. Teil handelt von der prinzipiellen Stellung der Reformation zum
Schulwesen und zum Zwecke der Erziehung. Hier Setzt Sich der VerfasSer in
überzeugender Weise mit dem von humanistiSscher wie katholischer Seite erhobenen
Vorwurf auseinander, daſs das Schulwesen des 16. Jahrhunderts durch die Retor-
mation Schwer geschädigt worden Sei, vergl. Krasmus v. Rotterdam, Wicel, Janssen.
Gerade das Gegenteil ist richtig. Natürlich machte die neue Geistesströmung
manchem Schulwesen ein unrühmliches Ende, das infolge der in der Kirche
grasSierenden Schäden ein anrühmliches Dasgein fristete. Aber aus diesen Ruinen
erblühte neues Leben.
Gestützt auf eine Seltene Literaturkenntnis, eine geradezu bewunderungs-
würdige Kenntnis Sämtlicher Kirchen- und Schulordnungen, der TiSchreden Luthers
und des Briefwechgels der Reformatoren weist der Verfassger nach, wie die Refor-
mation nicht nur eine erweiterte Geistesbildung zur Vorausgetzung hat „und das
formale und materiale Prinzip der Reformation es gewesen ist, das für alle Zeiten
für ein gesnndes Schulwesen den Grund gelegt und zu Seinem Aufbau einen Sehr
grofsen Teil beigetragen hat.“ Auch den beachtlichen Nachweis erbringt der
Verfasser. daſs das katholische Schulwesen der Reformation manchen bedeutenden
Portschritt zu danken habe.
Nicht weniger als 490 Schulmänner führt der Vert. im 2. Teile Seines Werke:
auf, durch deren Werke namentlich --- das müssen wir zum bleibenden Ruhme
der Schule Sagen, die Reformation zu einer unüberwindlichen Weltmacht ge-
worden . iSt. Hier bietet der Verfasser viele und fruchtbare Anregungen zum
Weiterbau Seines Werkes. Es dürfte in der Folge gar manche Monographie ent-
Stehen über das Leben und Wirken eines der genannten Pädagogen.
Der 3. Teil des Werkes gibt eine übergichtliche Darstellung über die 116
Kirchen- und Schulordnungen des 16. Jahrhunderts, die im Anhange Sämtlich
abgedruckt ind. Damit sind jedem, der auf dem Gebiete der Geschichte der
Pädagogik in der Reformationszeit arbeiten will, die bedeutendsten Quellen zu
diesen Studien vom Verfasser in bequemster Weise zugänglich gemacht worden.