Full text: Pädagogisches Jahrbuch - 1.1903(1904) (1)

Johannes Meyer: Der deutschsprachliche Unterricht. 113 
 
 
||. Der deutschsprachlichg Unterricht. 
Von Johannes Meyer, 
A. Studienwerke. 
Karl Barthel: Die Nationalliteratur der Neuzeit. 10. Auflage, nen bearbeitet 
und fortgesetzt von Max Vorberg, weitergeführt und vollendet von Guido 
Burkhardt. Gütersloh, C. Bertelsmann. 1144 S. M. 10.--. 
An Literaturgeschichten, die die Neuzeit behandeln, haben wir keinen Über- 
fals. Und doch kann niemand insbegondere auf diesem Gebiete einen Pfadweiser 
entbehren, um im Gewirr der Sich oft gegensgeitig aufhebenden Urteils zur Klar- 
heit zu kommen. Damit ist auch Schon ansgesprochen, daſs der Literaturhistoriker, 
der die Neuzeit uns vorführen will, eines feSten Standpunktes bedarf, von dem 
aus er die Neuerscheinungen benrteilt. Die vorliegende Literaturgeschichte 
macht löblicherweise aus ihrem Standpunkt kein Hehl. Offen heiſst es in dem 
Vorwort: „Das gebildete christliche deutsche Haus bedarf eines Buches, das die 
Dichterwerke unsgeres Volkes nicht ausschlieſslich unter ägtbetsch-künstlerischen 
Gegichtspunkten betrachtet. Für uns als Christen muls auch der christliche, der 
Sittlich religiöge Gesichtspunkt zu Seinem Rechte kommen. Nicht in erster Linie 
freilich darf diesger Maſsstab angelegt werden, wenn es gilt, ein Werk nach 
Seinem IUterarisechen Werte zu beurteilen, Aber wir müsgsen das Recht haben, 
bei jeder Erscheinung der Schönen Literatur zu fragen, ob das Buch uns in betrefi 
der darin zur Geltung kommenden Weltanschammsg Sympathisch ist oder nicht, 
ob es dazu dient, unger deutsches Volk, dem unsere ganze Liebe gehört, zu 
heben und in Seinem inneren Wachstum zu fördern oder ob es einreiſst statt 
zu bauen.“ 
Wer diesen Standpunkt teilt, wird in dem vorliegenden Buche einen 
zuverlässigen Führer finden, der über alle hervorragenden Erscheinungen vor 
den Dichtern der romantischen Schule an bis zu den „Modernen“, ja bis zu dei 
erfreulichsten Erscheinuing in unserer ganzen hentigen Romanliteratur Gust. 
Frenssen, ausführlich orientiert. Mit einem der vielen tielschanenden Gedanken, 
die in „Jörn Uhl“ eingestreut gind, schlieſst das Buch: „Sieh mal, wenn du die 
guts, kluge Fürsorge deiner Mutter gehabt hättest, und wärest eben und glatt in 
die Naturwissenschaſten getreten: dann, meinst du, wäre dein Leben richtige 
verlaufen. Nun ist da, wie du ganz richtig Sagst, ein Bruch, Du hast 80 da 
Gefühl, als wärest dn früher einmal, vor Jahren, falsch gefahren und führest nun 
noch auf dem Nebenwege und gähest die rechte Straſse, die du fahren Sgolltest, 
von ferne. Aber ich Sage dir, Jörn: du kannst alle ernsten Menschen fragen, es 
iSt in jedem Menschenleben etwas, was nicht gstimmt, Und weiſst du: warum: 
Wenn es genau Stimmen würde, würde es dünn klingen, Jörn; und wenn wir 80 gehen 
würden, wie Mutter gern wollte, würden wir glatt und platt werden, Jörn. Win 
müssen alle in die Sandwege hinein, Jörn, damit die Geschichte Fülle und 
Tiefe bekommt.“ Und Jörn Stimmt dem bei und gagt: „Ja, Zutrauen haben: das 
iSt alles.“ 
Nach Überwindung mancher Schwierigkeiten, die Sich der Vollendung 
dieser neuen Bearbeitung entgegengestellt haben, ist es erfreulich, das Werk 
nunmehr zum Abschluls gebracht zu Sehen. 
Pädag. Jahrbuch I. B8
	        
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