114 11. Teil: Literarische Rundschau. 2, Abschnitt: Literaturberichte.
E. Cremer, Rektor: Die poetischen Formen der deutschen Sprache nach
ihrer historiSchen Entwickelung und ihrem Wegen dargestellt und an zahl-
reichen Beispielen erläutert. Ein Hilfsbuch für den gesamten Unterricht
im Deutschen. Berlin W. 57, Gerdes & H6del. 3382 S. Brosch. M. 4.60,
geb. N. 65.26.
Das Werk kommt dem Streben einer Zeit entgegen, die der literar.-äSthe-
tiSchen Seite des deutschen Unterrichts eine erhöhte Bedeutung beilegt und
darum an die Vor- und Fortbildung des Lehrers auf dem Gebiete der Metrik und
Poetik auch weitergehende PWorderungen zu Stellen berechtigt ist. Der Verf. be-
handelt im ersten Teile in längerer, präziser und übersichtlicher Weise Wegen.
Mittel und Gattungen der Dichtkunst, belegt die Definitionen mit zahlreichen
treffenden Beispielen und berücksichtigt auch die neueren Bestrebungen, wie Ssie
von vievers, Werner, Lipps u. a. im der Rhythmik und Progodik verfolgt werden
Die Dichtungsgattungen Sind nach der Schwierigkeit ihrer Auffasgung gegliedert:
in volkstümliche Stoffe, poetische Stoſfe einfacher Vorm, Schwierigere Stoffe und
Formen und Solche Stoffe, deren Behandlung über das Ziel der Volksschnule
hinausgeht. Mit Recht hat der Verf. auf die historische Entwickelung der ein-
zelnen Dichtungsarten immer gebührend Rücksicht genommen und das Wegen
überall aus dem geschichtlichen Werden herzuleiten gesucht, Mit den Beispielen
Sind auch die wichtigsten literarigchen Notizen über die Dichter gegeben. Bine
besonders eingehende und Schöne Behandlung hat die Ballade erfahren, die bis zur
neueren und nenuesten Zeit fortgeführt ist. Wir finden charakteristische Proben
nicht nur von Droste-Hülshoff, Möricke, C. F. Meyer, Sondern auch von den
noch lebenden Dichtern wie M. Greif, Liliencron, Arno Holz n1n. a. Auch die
klasSiSche Periode der mittelalterlichen Dichtkunst isb in zahlreichen Beispielen
vertreten. die ohne Zweifel manchen strebsamen Lehrer anregen werden, sich
auf dem an Lehrerseminaren biSher 80 stiefmütterlich behandelten Gebiete mehr
und mehr umzugehen; die Jedem Abschnitte beigefügten Literaturnachweise werden
ihm dazu eim willkommenes Hilfsmittel Sein. Die Theorie bleibt überall in
imnigster Yerbindung mit der Praxis, insgofern den wisgenschaftlichen Abhand-
lungen jedesmal kurze pädagogische Winke für die unterrichtliche Verwertung
der betr. Dichtungsart angeschJossen Sind, die den Verf. anch als tüchtigen Päda-
gogen kennzeichnen.
Klarheit des Ansdruckes und Wärme der Darstellung sprechen aus jedem
Kapitel und lassen die aufgewandte Gründlichkeit gleicherweise wie die Seelische
Anteilnahme des Verf, erkennen. Die Ausstattung des Werkes in Druck, Papier
und Einband wird auch verwöhnten Ansprüchen gerecht,
An guten Lehrbüchern dieser Art ist kein Überfluſs. Wir gind überzeugt,
daſs das Cremersche Werk gich viele Freunde erwerben wird. Das Bunch ist als
eine Sehr beachtens- und dankenswerte Darstellung zu bezeichnen. Wer Sgich
einen genauen, tiefen Einblick verschaffen will, dem kann es als ein Sicherer Leit-
faden aufs beste empfohlen werden.
W. Trausel, Übungsschullehrer: Einführung in die Phonetik und ihre An-
wendung auf den ersten Sprachunterricht. Wien, A. Pichlers Wwe. n, Sohn
96 5. M. 1.50.
„Bin zu wenig beachtetes Bildungsmoment liegt in der phonetischen Seite der
Mnuttersprache. Jene Disziplin des Ohres und der Zunge, welche lebende Fremd-
Sprachen gewähren, läſst Sich, wenngleich in anderer Weise, auch an der Mutter-
Sprache gewinnen, wenn die Überführung des Lernenden aus dem Dialekt in die