Full text: Pädagogisches Jahrbuch - 2.1904(1905) (2)

Joh. Meyer: Deutsche Volkstumspädagogik. 5 
 
pädagogisches System Schaffen zu können, wenn er ein philogophisches System 
zu Seiner Grundlage macht, die pädagogischen Lehren mit philosgophiSchem Maſs- 
Stabe miſst. Ohne Zweifel werden Ethik und besonders Psychologie auch von 
einer „deutschen“ Pädagogik Keineswegs vernachläggigt werden dürfen, jene, weil 
das dentsche ethische Pflichtgefühl in der Erziehung eine hervorragende Berück- 
Sichtigung erheischt, diese, weil Sie dem deutschen Individualigmus für die 
Beobachtung der verschiedenen Individualitäten mit vollen Händen das wissen- 
ScChaftliche Mäterial in den Schoſs wirft. Aber philogophische Systeme gsind etwas 
höchst SnbjJektives und daher ohne Dauer. Herbart, Hartmann, Wundt -- 
alles flieſst, und wer weiſs, was danach kommen wird? Weil aber philogophigche 
SySsteme etwas SubjJektives und ohne Dauer Sind, können Sie nicht als maſlsgebendes 
wisSenschaftliches Grundkriterium für ein pädagogisches System dienen. Dazu 
iSt nur etwas allgemeingültig Objektives, etwas Dauerndes gegchickt, und 
SO viel wir auch Suchen mögen, nichts vereinigt diese beiden Kigenschaſten besser 
in Sich als das Volkstum. Die philoSophiSche Pädagogik wechgelt fortwährend 
-“- nicht nur ihren Inhalt, wie gie als fortschreitende WisSenSchaft dürfte und 
Sollte -- Sondern auch ihr Prinzip, bald Idealismus, bald Realismus, hier Opti- 
miSmus, da Pessimismus u.s.X., während die Volkstumspädagogik immer das 
nicht wie die Philosophie in Schulen und Richtungen anseinanderfallende Volks- 
tum zum Prinzip behält. Das Volkstum kann Sich ändern, durch Wandelungen in 
den äufsgeren Bedingungen des Volkslebens, durch KultureinflüSse von auſfsen her. 
Aber es ändert Sich nur unwesentlich und langsam: die Grundlage bleibt 
im grofsen und ganzen Stets dieselbe, die „entsche“ Pädagogik wird infolgedessen 
immer die „herrschende“ Sein, Sie wird nie durch eine andere ersetzt, Sondern nur 
in Sich Selbst mäſsig abgewandelt werden. Ihr Fortschritt als WisSenschaft aber 
wird darin bestehen, eben Jene leigen und allmählichen Verschiebungen des Volks- 
tums wachen Blicks durch beständige Belauschung der VolksSeele zu erkunden 
und zu verarbeiten,“ 
| Es iSt ein kühner, aber ein in Sich geschlossener Gedanke, den Zimmer hier 
entwickelt hat, und man darf gespannt Sein, wie 8ich die pädagogische Wissen- 
Schaft dazu Stellen wird. Kine Ausgeinandersgetzung mit ihm wird jedenfalls 
erfolgen, dazu ist Zimmers Arbeit denu doch auf alle Fälle zu ernst zu 
nehmen. Und aus jeder derartigen Augeinandergetzung, gleichviel wie ihr Ergebnis 
ausfällt, erwächst Ja der WissSensSchaft reicher Gewinn! 
Beigegeben Sind Zimmers fesgelnder Arbeit vier interes3ante Bildertafeln, 
„Deutsches Familienleben“, „Pädagogen und PhiloSophen des 18. und 19. Jahr- 
hunderts“, „Schreibende und disputierende Gelehrte“ und „Würzburger Stoſs- 
mengur“. Ebenso gind alle anderen Abschnitte des Werkes mit einigen Sorgfältig 
ausgewählten Bildertafeln ausgestattet, die mit allen Hilfsmitteln der modernen 
'Pechnik teils in Farbendruck, teils in Holzschnitt und Kupferätzung hergestellt 
Sind. Wir nennen nur einige von denen, die in der zweiten Auflage nen hinzu« 
gekommen Sind: die farbigen Blätter „Deutsche Volkstrachten“ und „Braäutzug 
von Ludwig Richter“, die impogante Angicht der Marienburg, ein Brief Goethes 
an Lavater, Rethels Stimmungsvolle Zeichnung „Der Tod als Freund“, ein Paksi- 
mile aus dem „Sachgsengpiegel“, das baugeschichtlich interessante Blatt „Tempel- 
herren- und Wedekindshaus in Hildegheim“, die Porträts von Karl Maria von 
Weber und Richard Wagner, und die stimmungsvolle Silhouette Paul Kontwkas 
zu dem Volkslied „O Strafsburg“, 
In Verbindung mit dem ausgezeichneten und reichen Inhalt macht auch
	        
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