A. Geilsler: Zwei grundlegende psychologische Werke. . 7
In dem vorliegenden 1. Bande!) haben die beiden ersten Abschnitte Dar-
Stellung gefunden und zwar in doppelter Weise: einmal in bezug auf die Personen
und das anderemal in bezug auf die Sache. Innerhalb jeder dieser Zeiträume
wird der Höhepunkt der Generation begonders berücksichtigt, weil nach des Ver-
fasgers Meinung von ihm aus am besten das Gerügt des geistig-geschichtlichen
Aufbaues zu überblicken ist und weil die Chronologie die Logik der Tatsachen
und die Systematik der Darstellung Stört.
Die Quellen gind ergiebig gewertet und aus dengelben vieles Neue ge-
Schöpft, was erinnerungswert ist. Dadurch wird das Werk gewissermaſsen zugleich
ein Quellen- und Nachschlagewerk, welchem Zwecke auch die beigegebenen aus-
führlichen Register dienen Sollen.
Im biographischen Teile begnügt Sich der Verfasger nicht damit, „nur die
nach unserem Urteile bedeutenden Gelehrten zu besprechen, vielmehr beachtet er
auch die betriebsamen Nachahmer, die in bewuſster Rücksicht auf die Zeitbe-
dürfnisse geschrieben und eben dadurch das geistige Durchschnittsmaſs ihrer
Gegenwart gekennzeichnet haben“, also die zeitgenössiSchen Anhänger der Jje-
weiligen GeisteShelden. Darin liegt ein weiterer, nicht unwesentlicher Vorzug
dieser „Gegch. d. n. d. PSychologie“. Denn es ist doch klar, daſs man, um allge-
meine Sätze über Seelische Phänomene eines bestimmten Volkes, einer bestimmten
Zeit zu gewinnen, nicht nur hervorragende Denker, Sondern auch die Durchschnitts-
individuen kennen muſs, um die Leistung eigenartiger schaffender PhiloSophen
historisch richtig zu beurteilen. Andernfalls, d. i. also, wenn nur der Zugammen-
hang hervorragender Denker unter sich, losgelöst von dem triebkräftigen Mutter-
boden der MasSsenproduktion Darstellung erfährt, gewinnt der Leser nur ein ein-
Seitiges Bild. Der Verfasger Sagt: „Besser als an Kichbäumen Sieht man an
Strohhalmen, woher der Wind weht: wer die Psychologie des 18. Jahrhunderts
an Leibniz und Kant schildern zu können glaubt, befindet Sich in demgelben Irrtum
wie der politigche GeschichtssSchreiber alten Schlages, der die Schickgale von
Königen und Königsgenossen anstatt die des Lebens der Nation erzählt, Dynastie-
Statt Volksgeschichte Schreibt.“ Desgoir liefert auf diese Weise ein in Jeder Hin-
Sicht durchgearbeitetes Geschichtsbild und rückt es damit zugleich in das rechte,
in das erforderliche Licht. Aus dieger Erwägung heraus wird der kulturhistorische
Hintergrund (das politische und wirtschaftliche Verhältnis) der deutschen Psycho-
logie aufgerollt und ihre Beziehung zur Juebensauffasgung nachgewiesen. Ver-
fasser zeigt, wie in allen Perioden der Entwickelung der Pychologie drei Vaktoren
auf die Gestaltung dieser WisSensSchaft eingewirkt haben: praktische Menschen-
kenntnis, religiös-moralische LKinflüSsze und mnaturwisgenschaftliche Erkenntnis.
Dessoir begnügt Sich nicht, Individuen zu zeichnen, über die Werke derselben zu
referieren und ihre gegenseitige Abhängigkeit zu unterguchen bezw. nachzu-
weisen; vielmehr forscht er nach der inneren Entwickelung der Wissgensgchaft,
achtet auf das Vergehen und EKmporblühen bestimmter Fragen innerhalb dergelben,
wie auch auf ihre Beziehungen zu anderen Wissenschaften. Davon zeugen die
beiden letzten Teile, welche den Bestand der deutschen PSsychologie im 18. Jahr-
hundert (Begriff und Verfahren der Psychologie, die Seele der Tiere, --- die Ver-
mögenstheorie, die ASsoziationstheorie, -- die Sinnlichkeit; Kinbildungskraft, Er-
1) Die Vorarbeiten zum 11, Bande Sind Soweit fortgeschritten, dals der Verf.
hofft, ihn nach etwa vier Jahren veröffentlichen zu können. Eine vorläufige
Übergicht, die bis zur Gegenwart reicht, enthält Dessoirs Artikel über Geschichte der
Psychologie im „Encyklopädischen Handbuche der Pädagogik“.