Full text: Zeitschrift für pädagogische Psychologie und Jugendkunde - 29.1928 (29)

Heinz Werner, Über magische Verhaltungsweigen im Kindegalſer 465 
der geistigen Liebesfähigkeit und die spätere Durchdringung der Sexual- 
gefühle durch persönlich gerichtete Wertgefühle. Vorzeitiges Körperhelden- 
tum oder körperliche Berufsarbeit hindert die Entfaltung der Verstandes- 
anlagen. Umgekehrt macht ein absichtliches oder durch die Lebensumstände 
bedingtes Sichabsperren von der Triebwelt, ein Sicheinspinnen in eime Welt 
der Ideale untauglich für die Aufgaben der Selbst- und Arterhaltung, untüch- 
üg im Kampf ums Dasein und gegenüber den Forderungen des Gesell- 
Schaftslebens. | 
In welcher Weize der Junge Mensch am Ende Seiner geistigen Entwick- 
lung Triebwelt und Wertwelt in Sich vereinigt und versöhnt, hängt, wie wir 
Schon für den reifen Menschen gezeigt haben, von der persönlichen Eigen- 
art ab, die durch Erb-, Fremd- und Selbstbildung bestimmend wird. Daß die 
pbantasiemäßige Vortastung zu verschiedenen Zeiten im Laufe der Reifung 
verschledene LösSungsmöglichkeiten als die endgültigen erscheinen läßt, 1ist 
Selbstverständlich. Ebenso, daß das Suchen und Proben die wesentlichste 
Ürsache für die ÜUnausgeglichenbheit des jungen Menschen für Seine inneren 
Spannungen und Unruhen 1st. Man faßt die Reifezeit oft als Kampf des 
nach Selbständigkeit drängenden Menschen gegen den Erziehungszwang 
der Außenwelt auf. Gewiß 1st dieser Entwicklungsabschnitt ein Kampf, aber 
in erster Linie ein innerer Kampf des triebgebundenen Ich mit dem wert- 
gerichteten Ich. 
x *- 
Über magische Verhaltungsweisen im Kindesalter.: 
Von Heinz Werner. 
Wenn wir von magisScher und magileartiger Haltung beim Kinde sprechben, 
80 dürfen wir -- gemäß dem beutigen Stande der Forschung -- picht mit 
einem ganz präzigen Begriffe von „Magie“ beginnen. Im Gegenteil ist es 
vorteilhafter, das ganze Bündel der psychologisch Sicher Sehr verschieden- 
artigen Denk- und Handlungsweisen dann mit dem Terminus „magisch“ zu 
belegen, wenn es Sich um Einflußpnabmen auf Natur und Personen handelt, 
die Jenseits einer „technischen“ -- im prägnantesten Fall naturwisSenschaft- 
lichkaugalen -- FasSung liegen. Die magische Haltung befindet Sich zwischen 
zwei extremen Polen: der mehr oder weniger Spielerischen Verbaltung auf 
der einen, der echt religiöSgen auf der anderen Seite; wir finden beim Kinde 
Selbst des früben Alters alle Übergänge von der einen zur anderen Form 
verwirklicht. Nichtsdestoweniger muß betont werden, daß zu unterscheiden 
iSt zwiSchen einer Frühform des Magischen, bei der das Magische kaum ab- 
gelöst ist von einer natürlich-kindlichen Art zu handeln und zu denken und 
1 Einige Stellen dieses Aufsatzes, insbesondere diejenigen, die gich auf die ersten Lebens- 
jahre beziehen, finden gich gleichlautend in dem Anhang, den ich zu W. Sterns Psycho- 
logie der frühen Kindheit, 5. Aufl, beigetragen habe. 
Zeitschrift f. pädagog. Psychologie. 838
	        
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