Full text: Zeitschrift für pädagogische Psychologie und Jugendkunde - 29.1928 (29)

Yom Hochdeutschsprechen der Schulanfänger vom Lande, 
Von Paul Bode. 
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Recht mannigfaltig Sind die Anschauungen in der neueren Psychologie, 
aber dennoch streben gie alle dem einen Ziele zu, den Mensgchen in Seiner 
individuellen GeistesSlage zu verstehen. In diesem Problem des Verstehens 
liegt die Voraussetzung für die Möglichkeit eines Gemeinschaftslebens und 
einer gegenseitigen BeeinflussSung. | 
Auch die folgenden Untersuchungen wollen einen kleinen Beitrag liefern 
für das VYerständnis der Ausdrucksschwierigkeiten, wie Sie Sich 
beim Landkinde allgemein zeigen. 
Es Soll diese Frage hier Dicht untersucht werden auf Grund der besop- 
deren Seelenlage des Landkindes, wie ich das an anderer Stelle getan habe 
(P. Bode: Ausdrucksschwierigkeiten des Landkindes. „Versteben und Bilden“ 
Heft 10. 1926), Sondern wir wollen hier nur ein Moment für die sprach- 
lichen Schwierigkeiten ins Auge fassen, die der Lehrer des Landes bei Seinen 
Schulanfängern vorfindet. 
Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß die Bewohner des Landes 
fast nur mundartlich Sprechen. Nur in Schule und Kirche hören zie die 
hochdeutsche Sprache, finden Sie gedruckt in Bibel, Gesangbuch, Kalender 
und Zeitung und gebrauchen Sie höchstens dem Fremden gegenüber. Es 
versteht Sich von Selbst, daß die Kinder in der vorschulpflichtigen Zeit diese 
Mundart im Elternbhause lernen und Sprechen und dann mit einem Solchen 
mundartlichen Sprachschatz in die Schule kommen. Auch die Kinder des 
Schulpflichtigen Alters bedienen Sich außerhalb der Schule selbstverständlich 
nur der Jandesüblichen Redeweise. Bei einem Vergleich der städtischen und 
ländlichen Schulverbältnisse wird diese mundartliche Gebundenheit des Dorf- 
kindes Stets als eine besondere Eigenart der Landschule ins Feld geführt. 
Anderergeits 1st es aber auch ebenso bekannt, daß die kulturellen Einflüsse 
der Stadt in Solch vielgestaltiger Art (Handel, Verkehr, Post, Buch, Zeitung 
usSw.) in das ländliche Leben eingreifen, daß den Kindern Selbst in abgele- 
genen Orten bis zum 6. LebensJahre nicht nur einzelne hochdeutsche Aus- 
drücke vertraut werden, Sondern daß unter besonderen Bedingungen die 
Kinder die hochdeutsche Sprache auch bereits versteben und Sprechen, wenn 
Sie in die Schule eintreten. | 
Eine Klarheit über die Frage, ob die Gesamtbeit der Schulneulinge oder 
Dur ein Teil derselben das Hochdeutscbe nicht Sprechen kann, ist nun für 
eine gerechte Beurteilung der Schulleistungen und für eine richtige Würdi- 
gung der zu überwindenden Schwierigkeiten in der Landschule von einiger 
„Zeitschrift f. pädagog. Psychologie. 35
	        
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