Full text: Zeitschrift für pädagogische Psychologie und Jugendkunde - 29.1928 (29)

590 Kleine Beiträge und Mitteilungen 
 
die Dringlichkeit Jener Forderung aufs deutlichste bestätigt. Auf die Bemerkung 
von Homburger, „daß der Schulpsychologe keine Diagnose stellen dürfe“ , führte 
ich folgendes aus: Sofern es Sich um medizinische Diagnosen handle, babe 
H. Selbstverständlich recht. Übergriffe von Psychologen in die Gerechtsame des 
Mediziners (wie Sie hier und da tatsächlich vorgekommen sein mögen) Seien ent- 
Schieden zu verwerfen. Aber es gebe auch rein psychologische Diagnosen, 
die Sich auf die Fülle der individuellen Differenzen innerhalb der Normalitäts- 
breite bezieben, und für die die Psychologie selbst in den letzten Jahrzehnten 
eine umfassende Methodik ausgebildet und viele Erfahrungen gesammelt habe; 
es bestehe kein Grund und kein Recht, hier dem Psychologen das Diagnostizieren 
zu verbieten. Sodann aber werde der geschulte Psychologe viel besser als der 
durchschnittliche Lehrer die Fälle erkennen, in denen nicht mehr normale Reak- 
tionen und Verbaltungsweisen vorliegen und daber der Arzt zugezogen 
werden muß. So Sollte denn zwischen dem Psychologen und dem Psychopatbo- 
logen bier keine Gegnerschaft, Sondern eine fruchtbare Arbeitsgemeinschaft 
herbeigeführt werden. 
3. Kurze Erwähnung verdient dann noch eine „Sonderiagung für p3y- 
chische Hygiene“, die in die Versammlung der Psychiater eingegliedert war. 
Mit dieser Tagung tritt zum ersten Male der „Deutsche Verband für psychische 
Hygiene“ an die größere Öffentlichkeit. Der Verband will auf deutschem Boden 
die Bewegung fördern, die in Amerika Seit etwa 20 Jahren unter dem Stich- 
wort „mental hygiene“ eine außerordentliche Verbreitung gefunden bat; die 
Hamburger Tagung versuchte in einer großen Zabl kurzer Referate eine Über- 
Sicht über das ganze Gebiet zu geben. 
Gegenstand der psychohygienischen Bestrebungen ist die Seelische Gesundheit des 
Individuums und des Volkes; diese Gesundbeit Soll entweder wieder bergestellt 
werden, wo Sie verloren gegangen ist (Therapie) , oder Sie Soll gegen mögliche 
Schädigungen geschützt werden (Prophylaxe). Der ersten Aufgabe dienen die 
Fürsorgebestrebungen für Geisteskranke und Psychopatben; bier konnte über eine 
große Reihe Sehr verschiedenartiger Veranstaltungen und auch Reformbestrebun- 
gen berichtet werden. Dagegen ist die Arbeit an der prophylaktischen Aufgabe 
biber über keimbafte Anszätze noch nicht hinausgelangt. Um bier weiter zu 
kommen, wird es nötig Sein, daß die Psychiater -- die in der erstgenannten, tbera- 
peutischen, Aufgabengruppe selbstverständlich die maßgebenden Fachleute zein 
müssen -- eine enge Zusammenarbeit mit dem Psychologen, Soziologen, Päda- 
gogen, Kulturpolitiker anstreben. Denn bier bandelt es Sich um die allgemeine 
Seelische Volksgeszundheit, um die Einflüsse der gegenwärtigen Kultur und Wirt- 
Schaft, welche diese Gesundbeit bedroben, und um die Wege des Schutzes dagegen. 
Es wurden in diesem Teil der Tagung unter anderem behandelt die Beziehungen 
der Psychohygiene zu Psychofechnik und Berufsberatung, zu Arbeit und Er- 
bolung, zu den Leibesübungen, ferner die Großstadt als Schädling der Seelischen 
Gesundbheit, die Genußgifte und ihre Bekämpfung usw. Nur für das erste Thema 
war ein Nichtmediziner berangezogen worden; ich Selbst war beauftragt worden 
zu zeigen, wie die modernen Bestrebungen der Psychotechnik und psychologischen 
Berufsberatung durch die Berücksichtigung der Berufseignung und -neigung 
die Berufsfreude und den Berufserfolg fördern und damit die Schweren Seeli- 
Schen Erschütterungen mindern, die an unbefriedigende Berufsarbeit, an M3ß-
	        
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