Full text: Zeitschrift für pädagogische Psychologie und Jugendkunde - 29.1928 (29)

592 Schrifitum 
 
im übrigen warten und wachsam dastehen. Er ist dem Höheren preisgegeben. Ihm in 
dieser Haltung beizustehen, das ist die Auſgabe des Arztes. 
Das Material des Buches ist empirisch, die Haltung aber gläubig. Damit, und vielleicht 
auch mit der Übergetzung aus dem FranzösiSschen mag zusammenhängen, daß die Be- 
griffe nicht immer Scharf genug umrisSsen Sind. Doch nimmt man das gern in Kauf. 
Die Lektüre wirkt 80 befreiend und aufbauend, So freudig und tief, daß man Sein eigenes 
Leben neu Schaut. Das 1ist die AbsSicht des Buches. Wendet es Sich auch bewußt nicht 
an den Fachmann (die wisSenschaſtliche Bearbeitung erscheint später getrennt unter dem 
Titel: Seelenkunde und Heilkunst), 80 wird um 80 mehr der Arzt, Seelsorger und Er- 
zieher „Anregung zum Verständnis der ihm anvertrauten Mitmenschen“ finden. 
Zürich. Arthur FiScher. 
Alfred Mann. Denkendes Volk, volkhaftes Denken. Grundstein zum Bau der 
deutschen Volkshochschule. Neuer Frankſurter Verlag, Frankfurt 1928. 148 S. 
Dem Thema der Erwachsenenbildung Sind bisher noch wenig SySstematische Bearbei- 
tungen gewidmet worden ; das vorliegende Buch siellt eine Solche dar. Da Sein Verfasser, 
der Jetzige Direktor der Breslauer Volkshochschule, ein ehemaliger Schüler von mir iSt, 
80 muß es genügen, wenn ich hier kurz und ohne perSönliche Stellungnahme auf dieses 
Buch hinweise, in weichem Mann eine philoSophiSche und psychologische Besinnung auf 
die Pädagogik der VolkShochschule volizieht. Der Inhalt Sei in Stichworten angedeutet. 
Es werden füni Grundgesetze der deutschen Volkshochschule aufgestellt, die die Beziehung 
zum Beruf der Schüler, deren Seibstlätigkeit, die Soziologische Notwendigkeit der Volks- 
bildung, die pädagogischen Methoden der Arbeitsgemeinschaft und die Seinsformen der 
Denkgegenstände zum Gegenstand haben. Die Begonderhbeit des „Volksdenkens“ wird 
gegenstandstheoretisch und pSychologiSch dargestellt, die Stellung der Volkshochschule zu 
den großen bewegenden Denkinhalten ungerer Zeit entwickelt. Die „Arbeitsgemeinschaft“ 
als die der VolkShochschule gemäße Form tritt als Endpunkt der deutschen Bildungs- 
Entwicklung hervor, deren ſrühere Etappen die Lernschule und die Arbeitsschule Sind, 
eine Pestalozzi-Gedenkrede Schlicßt das Buch. 
HBamburg. W. Stern. 
Prof. A. S. SalusSchny, Unterrichtismethoden für ein Kinderkollektivyv. 
Charkow, Knigospilka 1926. 18 S. 
Die Pädagogik der SowjJeiregierung Schenkt viel Auſmerksamkeit der Anerziehung von 
kollektivistiSchen Neigungen bei Kindern. Der Autor vorliegender Arbeit nimmt an, daß 
es unmöglich sei, einem Kinde außerhalb eines Kinderkollektivs kollektivistische Neigungen 
beizubringen, und daß Solche Gewohnbheiten nur im Kinderkollektiv anzueignen Sind. 
Jedoch ist der in der heutigen Soziologie angenommene Begriff des Wortes „Kollektiv“, 
noch weniger der in der Pädagogik gebräuchliche Begriff klargestellt. Der Autor Kritisiert 
die versSchiedenen Verguche, den Begriff festzustellen, insbeSondere die VerSsuche Bechierews 
und Mc. Dougalls und Schlägt Seine eigene Definition des Begriffes „Kollektiv“, unter An- 
gabe vollständig objektiver Kennzeichen vor. Unter „Kollektiv“ verstieht der Autor eine 
Gruppe von Personen, zwiSchen denen gewisse Wechselbeziehungen entstanden Sind und 
welche gemeinschaftlich auf diese oder Jene Reize reagieren. Diese Definition umfaßt 
alle Typen von Kollektiven, doch Sind diese Typen ziemlich mannigfach. Der Autor bringt 
auch geine eigene Klassilizierung der Kollektive in Vorschlag, die nach Seiner Voraus- 
Setzung aus fünf Grundtypen bestehen Sollen, aus zweien von Sich aus entstandenen 
(einem kurz- und einem langfristigen) und aus drei orgamgierten : einem 'anglrigügen, 
einfachen und komplizierten. 
Als Grundmethoden des Unterrichts in Kinderkollektiven betrachtet der Autor die B&- 
obachiungsmethode und die Methode des natürlichen Experimentes. 
Die objektive Erforschung des Verhaltens des Kollektivs erfordert eine Berückgichtigung 
aller derjenigen Bedingungen, unter welchen das Kollektiv entsteht, wirkt und gsich aut- 
löst.. Jeder Akt des Verhaltens eines Kollektivs ist durch endogene und exogene Reize 
bedingt. Der Autor führt ein Schema für den Uuterricht eines jeden Typs eines Kollektivs 
an. BeSonders interesSant iSt der Verguch des Unterrichts in von Sich aus entstandenen 
Kollektiven von Kindern im Vorschulalter, in organigierten Kollektiven von Kindern im 
Vorschulalter und in organigierten Kollektiven in der Schule 
Der Versguch, die Organisgationsfähigkeit der Schulgruppen zu bestimmen, ergab inter- 
esSante Daten. Es wurde auch genug Raum gelassen für Hinweise, die die Sstatistische 
Bearbeitung der ErgebnisSe geben könnte. Es muß hier auch bemerkt werden, daß die 
Methodik der Unterguchung der Kinderkollektive gegenwärtig bei breiten Kreisen von 
Pädagogen und Pädalogen großes Interesse hervorgerufen hat. 
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