)amburgijche Sd
ulzeitung.
Eine Wochen <hrift für die Angelegenheiten des Unterrichts,
der Erziehung und des LKehrerſtandes.
Redaktion:
Chr. Hamann, Hamburg,
Finfenau 2, D-
Herausgegeben
von hamburgiſchen Lehrern.
Verlag:
Ottio Meißner, Hamburg,
Hermannſtraße 44.
Die Hamburgiſche Schulzeitung erſcheint wöchentlich in einem Bogen Groß-Quartformat zum Preiſe von 1 Mark 50 Pf. für das
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3. Jahrgang.
Sewinariſtiſche Juternate.
In der „Berliner Börſenzeitung“ finden wir nach-
folgenden bemerkenSwerten Artikel:
„Wer die Schule hat, hat die Zukunft,“ wurde
einmal behauptet, und der das ſagte, war nicht etwa
ein Kleriker der Ihwärzeſten Sorte, obwohl ja die An-
ſtrengungen der Geiſtlichkeit, die abtrünnige Schule
unter ihre Botmäßigkeit zu bringen, deutlich genug
beweijen, das man auc<h im Lager der Frommen im
Lande die Wahrheit der genannten Behauptung wohl
erkannt hat.
Die Jugend itt des Volkes Hoffnung; kaum einen
Stand giebt es, der eine größere Verantwortlichkeit in
der Ausübung jeines Berufes trüge, als der Lehrer,
und unter den Lehrern wieder der Volksſchullehrer;
denn die Zeit iſt vorüber, da die Fürſten Geſchichte
madten, auch die, da die obern Zehntauſend n< damit
befaßten = heute und no<; mehr in der Zufunſt
ſchreibt das Volk feine eigene Geſchichte.
Und weil auf den Schultern der Lehrer ein ſo
wichtiges, folgenſI<weres Werk ruht, darum müßte man
annehmen, daß man ihrer Ausbildung ganz beſondere
Sorgfalt zu teil werden lätßt. Worin beſteht dieſe be-
jondere Sorgfalt? In der behördlichen Wertichätung
ſpielt die Volksſhullehrer-Bildung eine ſehr unterge-
ordnete Rolle. Man ſträubt ſich ſogar mit Händen
und Füßen dagegen, den Lehrer mit einem Sekundaner
gleich zu ſtellen (Cinjährig-Freiwilligen-Dienſt!). Dem
entjpricht auc) der naive Verſu<h, die Erziehung des
werdenden Lehrers in ganz beſondere Weiſe zu beein-
iluſſen.
Mit den Vorbereitungsanſtalten für den Lehrer-
beruf ſind -- jetzt wohl faſt überall =- Internate ver-
bunden, in denen die Zöglinge drei Jahre zu verbleiben
haben. In diejen Internaten erhalten ſe Unterricht,
Koſt und = Erziehung. Auf Uniformen iſt man noch
nicht verfallen; zwe&entiprechend würden ſie ſein!
Die Erziehung beſteht im weſentlichen in einer
Menge Verbote und Gebote. Dem Seminariſten
it genau vorgeſ<hrieben, wann er auſſtehen und fein
Bett machen muß, wann er feine Stiefel zu pußen und
fich zu waſchen hat. Zu beſtimmter Zeit wird der
Frühkaffee genoſſen, dann folgt die ichematiſche Morgen-
anda<ht mit obligater Orgelbegleitung; dann der Unter-
7. Auguſt 1895.
Fr. 32.
richt. Nac“ 12 Uhr wird Mittag gegeſen, dann iſt
vielleicht eine kurze „Ausgehzeit“ von 1-- 1*/; Stunde;
darauf neuer Unterricht bis zum Abendbroi. Ein kleines
Stündchen dürfen die Zöglinge darauf 1pazieren gehen
oder Lektüre treiben (aber ja nichts Verbotenes!), dann
heißt es wieder arbeiten (aber nur aufgegebene Pena!
Die Inſpektion geht um!) bis Glocdenton zur ver-
I<lafenen Abendandacht ruft und darau! jedermännig-
li; zu Bett muß (um 9 reſp. 10 Uhr). Reviſion
ſorgt auch hier dafür, das niemand "Nd etwas anderes
einfallen laſie als zu ſchlafen.
So geht es einen Tag wie den andern; höchſtens
IaB - Mittwohs und Sonnabends die „Ausgehezeit“
etwas länger ausfällt, und daß Sonntags zur Kirche
fommandiert wird. Das iſt die erziehliche Vorbe-
reitung auf den Lehrerberuf!
Wir wiſſen, daß man „höhern Orts“, abgeſehen
von dieſem Drill, ein wetentliches ErziehungSsmoment
in dem Verkehr der Zöglinge unter 1ic< erbli>&t. Als
ob der Verfehr der Zöglingg unter jich nicht ebenfo
und wohlthätiger wirken könnte, wenn jie nicht in
ein Internat geſperrt werden, als wenn man ne
wahllos zu je acht in ein Wohnzimmer zujammenthut
und drei Jahre lang die widerſtrebendſten Naturen an-
einander koppelt! Cs itt für uns keine Frage, daß
das Unheil, das dadurc< entſreht, ja nur entſtehem
fönnte, hundertmal den geringfügigen Segen aufwiegt,
den man bei der Jnuternierung im Auge hat.
Nber vielleicht legt man das Schwergewicht bei
den feminariſtiſchen Internaten gar micht einmal auf
die Erziehung, fondern auf die Intenſtät der Ausbil-
dung? Aber iſt etwa das Stidium der Medizin,
der Jurisprudenz, der Theologie weniger erüſt,
daß mai glaubt, die Kafernierunag dort ent-
behren zu können? Das ſtimmte herzlich ſchlecht zu
der Gerinqſ<häßung, mit der man in den Kreiten, die
nh berufen fühlen, Thron, Altar und Moral zu ſchützten,
auf den Volksi<ullehrerſtand herabneht! Nimmt man
aber an, es in den Seminarien mit einem weniger
leiſtungsfähigen Material zu thun zu haben, dat der
Yernende vor jegliher Zerſtreuung geichüßt werden
müſte, daß dem Seminariſten verderblich wird, was
man dem flotten Bruder Studio als Tugend-
probe auslegt, daun vergißt man das eine dabei, daß
die Ungeſtillte Sehmucht nah dem Wogen und Rauſchen