Full text: Hamburgische Schulzeitung - 3.1895 (3)

 
)amburgijche Sd 
 
ulzeitung. 
Eine Wochen <hrift für die Angelegenheiten des Unterrichts, 
der Erziehung und des LKehrerſtandes. 
Redaktion: 
Chr. Hamann, Hamburg, 
Finfenau 2, D- 
Herausgegeben 
von hamburgiſchen Lehrern. 
Verlag: 
Ottio Meißner, Hamburg, 
Hermannſtraße 44. 
 
Die Hamburgiſche Schulzeitung erſcheint wöchentlich in einem Bogen Groß-Quartformat zum Preiſe von 1 Mark 50 Pf. für das 
Vierteljahr. Beſtellungen nehmen alle Buchhandlungen und Poſtämter ohne Preisaufſchlag an. -- Beiträge ſind an die Redaktion, 
Rezenſions-Exemplare an die Derlagshandlung oder an die Redaktion zu ſenden. Jnſerate werden für die Petitzeile von 60 mm 
Breite mit 26 Pf., Beilagen nach Übereinkunft berechnet. 
Nachdru> aus dieſer Zeitung iſt, falls nict ausdrücklich verboten, nur unter deutlicher Quellenangabe geſtattet. 
3. Jahrgang. 
Sewinariſtiſche Juternate. 
In der „Berliner Börſenzeitung“ finden wir nach- 
folgenden bemerkenSwerten Artikel: 
„Wer die Schule hat, hat die Zukunft,“ wurde 
einmal behauptet, und der das ſagte, war nicht etwa 
ein Kleriker der Ihwärzeſten Sorte, obwohl ja die An- 
ſtrengungen der Geiſtlichkeit, die abtrünnige Schule 
unter ihre Botmäßigkeit zu bringen, deutlich genug 
beweijen, das man auc<h im Lager der Frommen im 
Lande die Wahrheit der genannten Behauptung wohl 
erkannt hat. 
Die Jugend itt des Volkes Hoffnung; kaum einen 
Stand giebt es, der eine größere Verantwortlichkeit in 
der Ausübung jeines Berufes trüge, als der Lehrer, 
und unter den Lehrern wieder der Volksſchullehrer; 
denn die Zeit iſt vorüber, da die Fürſten Geſchichte 
madten, auch die, da die obern Zehntauſend n< damit 
befaßten = heute und no<; mehr in der Zufunſt 
ſchreibt das Volk feine eigene Geſchichte. 
Und weil auf den Schultern der Lehrer ein ſo 
wichtiges, folgenſI<weres Werk ruht, darum müßte man 
annehmen, daß man ihrer Ausbildung ganz beſondere 
Sorgfalt zu teil werden lätßt. Worin beſteht dieſe be- 
jondere Sorgfalt? In der behördlichen Wertichätung 
ſpielt die Volksſhullehrer-Bildung eine ſehr unterge- 
ordnete Rolle. Man ſträubt ſich ſogar mit Händen 
und Füßen dagegen, den Lehrer mit einem Sekundaner 
gleich zu ſtellen (Cinjährig-Freiwilligen-Dienſt!). Dem 
entjpricht auc) der naive Verſu<h, die Erziehung des 
werdenden Lehrers in ganz beſondere Weiſe zu beein- 
iluſſen. 
Mit den Vorbereitungsanſtalten für den Lehrer- 
beruf ſind -- jetzt wohl faſt überall =- Internate ver- 
bunden, in denen die Zöglinge drei Jahre zu verbleiben 
haben. In diejen Internaten erhalten ſe Unterricht, 
Koſt und = Erziehung. Auf Uniformen iſt man noch 
nicht verfallen; zwe&entiprechend würden ſie ſein! 
Die Erziehung beſteht im weſentlichen in einer 
Menge Verbote und Gebote. Dem Seminariſten 
it genau vorgeſ<hrieben, wann er auſſtehen und fein 
Bett machen muß, wann er feine Stiefel zu pußen und 
fich zu waſchen hat. Zu beſtimmter Zeit wird der 
Frühkaffee genoſſen, dann folgt die ichematiſche Morgen- 
anda<ht mit obligater Orgelbegleitung; dann der Unter- 
7. Auguſt 1895. 
 
Fr. 32. 
richt. Nac“ 12 Uhr wird Mittag gegeſen, dann iſt 
vielleicht eine kurze „Ausgehzeit“ von 1-- 1*/; Stunde; 
darauf neuer Unterricht bis zum Abendbroi. Ein kleines 
Stündchen dürfen die Zöglinge darauf 1pazieren gehen 
oder Lektüre treiben (aber ja nichts Verbotenes!), dann 
heißt es wieder arbeiten (aber nur aufgegebene Pena! 
Die Inſpektion geht um!) bis Glocdenton zur ver- 
I<lafenen Abendandacht ruft und darau! jedermännig- 
li; zu Bett muß (um 9 reſp. 10 Uhr). Reviſion 
ſorgt auch hier dafür, das niemand "Nd etwas anderes 
einfallen laſie als zu ſchlafen. 
So geht es einen Tag wie den andern; höchſtens 
IaB - Mittwohs und Sonnabends die „Ausgehezeit“ 
etwas länger ausfällt, und daß Sonntags zur Kirche 
fommandiert wird. Das iſt die erziehliche Vorbe- 
reitung auf den Lehrerberuf! 
Wir wiſſen, daß man „höhern Orts“, abgeſehen 
von dieſem Drill, ein wetentliches ErziehungSsmoment 
in dem Verkehr der Zöglinge unter 1ic< erbli>&t. Als 
ob der Verfehr der Zöglingg unter jich nicht ebenfo 
und wohlthätiger wirken könnte, wenn jie nicht in 
ein Internat geſperrt werden, als wenn man ne 
wahllos zu je acht in ein Wohnzimmer zujammenthut 
und drei Jahre lang die widerſtrebendſten Naturen an- 
einander koppelt! Cs itt für uns keine Frage, daß 
das Unheil, das dadurc< entſreht, ja nur entſtehem 
fönnte, hundertmal den geringfügigen Segen aufwiegt, 
den man bei der Jnuternierung im Auge hat. 
Nber vielleicht legt man das Schwergewicht bei 
den feminariſtiſchen Internaten gar micht einmal auf 
die Erziehung, fondern auf die Intenſtät der Ausbil- 
dung? Aber iſt etwa das Stidium der Medizin, 
der Jurisprudenz, der Theologie weniger erüſt, 
daß mai glaubt, die Kafernierunag dort ent- 
behren zu können? Das ſtimmte herzlich ſchlecht zu 
der Gerinqſ<häßung, mit der man in den Kreiten, die 
nh berufen fühlen, Thron, Altar und Moral zu ſchützten, 
auf den Volksi<ullehrerſtand herabneht! Nimmt man 
aber an, es in den Seminarien mit einem weniger 
leiſtungsfähigen Material zu thun zu haben, dat der 
Yernende vor jegliher Zerſtreuung geichüßt werden 
müſte, daß dem Seminariſten verderblich wird, was 
man dem flotten Bruder Studio als Tugend- 
probe auslegt, daun vergißt man das eine dabei, daß 
die Ungeſtillte Sehmucht nah dem Wogen und Rauſchen
	        
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