Full text: Hamburgische Schulzeitung - 3.1895 (3)

es iſt daher zu erwarten, daß er die betreſſende Hand- 
lung ſowie die Erregung ihres Motivs nicht nur nicht 
erſtreben, ſondern ihr widerjſtreben wird. Und daß 
die Verknüpfung des durch die Strafe auferlegten Übels 
mit den inneren Motiven ſich beſonders verſtärke 
(was ja in Intereſſe des Zöglings durchaus zu forden 
iſt), das fann der Erzieher dur< ſein Verhalten eben- 
falls bewirken (indem er dem Zöglinge begreiflich macht, 
daß die Strafe ihm in Wahrheit für ſeine fehlerhafte 
Geſinnung etc. auferlegt, durch die verbotene Handlung 
nur äußerlich veranlaßt ſei). (Fortſ. folgt). 
Feuilleton. 
Zur Weihe der Schule. 
Prolog aus dem zur Einweihung des neuen Schulgebäudes in 
Cuxhaven gedichteten Feſtſpiel (von Aug. Noelle). 
Deutſche Schule. 
Wer zählt die Tempel, die weit und breit 
In deutſchen Landen mir ſind geweiht ? 
Wohin ihr bli>t, gen Süden und Norden, 
Der Sdcule ijt ihr Recht geworden. 
Allüberall ragt ihr ein Haus: 
Hier ſieht's beſcheiden, dort ſtattlich aus. 
In keiner Stadt, in keinem Fle>en 
Braucht ſich die Schule zu verſte>en ; 
Drum wird mein liebes deutj<es Land 
Mit Fug das „Land der Schulen“ genannt. 
-=- Ihr wißt's, -- ihr könnt es hören und lejen -- 
Nicht immer iſt es alfo geweſen, 
Nicht immer hat es jo wohl geſtanden! 
Einſt war es finſter in deutſchen Landen; 
Ich drü&te mich in Winkel und Een, 
Kaum wagt' ich's, den Kopf hervorzuſtre>en. 
Und meine Jünger, die Lehrer und Meiſter 
Der Scule, -- fie wurden gehalten wie Knechte, 
Hießen unruhige, ke>e Geiſter, 
Haiten viel Pflichten und wenig Rechte; 
Mußten fürſichtigli< und leis 
Fahren im tiefgeſ<hnitt'nen Gleis, 
Durften nach rechts nicht und links ausſc<auen, 
Nach blinnigen Wiejen, in grünen Wald, 
Denn gar bald im gebieterij<-rauhen 
Tone ericholl ein dräuend „halt!“ 
„Umkehr der Wiſſenſchaft!“ ſchrie im Grimme 
Dazumalen ein Rufer im Streit. 
Iſt ſie verklungen, die Unkenſtimnte? 
ſie begraben, die arge Zeit? 
Ja, ſie iſt es! die alten morſchen 
Gößen zertrat der Neuzeit Fuß; 
Frei iſt das Denken, frei das Forjhen : 
Schule der Neuzeit, dir gilt mein Gruß! 
Fege mit ſcharfem, eiſernem Bejen 
Jeglihen Wuſt aus der Kinder Hirn, 
Lehr" ſie im Buche der Wahrheit leſen, 
Lehr" ſie's verſteh'n mit denkender Stirn. 
Aber neben der nüchternen Wahrheit 
Laß au<ß dem Schönen fein holdes Recht: 
Wärme im Herzen, im Haupte Klarheit, 
-- Alfo will i< der Deutjhen Geſchlecht! 
Wahrheit iſt ſtreng, die Liebe gelinde, 
Deſſen bleibe dir auc< bewußt; 
Nahſt du allein mit Strenge dem Kinde, 
Wirſt du. im Keim erſti>en die Luſt. 
Nur wo Strenge mit Liebe im Bunde, 
Kann der Kindheit Pflanze gedeih'n: 
Darum ſollſt du zu jeder Stunde 
Vater und Mutter dem Sulkind Jein! 
Zit 
FREENEN 
277 
 
-- Deutſche Schule, = ein Doppelbau 
Ragſt du empor in des Himmels Blau. 
Auf granitenem Fundamente 
Ruhet in Kraft das Untergeſchoß, 
Troßend dem Sturme der Elemente 
Stehet es feſt und ſc<licht und groß. 
Und Millionen von Kindern wallen 
Täglich nach ſeinen geräumigen Hallen, 
Knaben und Mädchen in buntem Gemiſch : 
Aber ſo viele auch ſien dadrinnen, 
Ungelabt geht feines von hinnen, 
Alle finden gede>t den Tiſch. 
Das iſt des Volkes gewaltige Schule! 
Thronend auf einfach gezimmertem Stuhle 
Legt ſie des Wiſſens gediegenen Grund. 
Wolle, mein Volk, dies nimmer vergejſen, 
Cern' es denkend und dankend ermeſſen: 
So nur bleibſt du ſtarf und geſund. =- 
Und ob dieſem bunten Gewimmel 
Wölbt ſich der Aufbau heiter gen Himmel, 
Wo ſich erweitert des Wiſſens Kreis! 
Aber auch hier, niht mehr und nicht minder, 
Lernen und ſtreben Germania's Kinder, 
Iſt auch verſchieden der Arbeit Preis. 
Jegliche Arbeit gereichet zur Ehre. 
Aber des Volkes fleißigem Heere 
Thun die Häupter und Führer not. 
Kundige Führer dem Volke zu werdeu, 
--- Das iſt Dieſer Beſtimmung auf Grden, 
Führer dur<s Leben bis in den Tod. 
Darum wirket vereint und gemeinſam, 
Nimmer ſuche der Einzelne einjam 
Sich dem Gemeindienjt jtolz zu entzieh'"n. 
Hochmut hüben und Sceelſucht drüben 
Bleib' euch ferne: ihr jollt euch lieben! 
Alfo wird Deutſchland ewiglich blüh'n! 
Blickt in das Familienleben ! 
Der Menſch, ſehe er in welchem Alter immer, 
iſt mehr oder minder abhängig von jeiner Umgebung. 
Dieſe Art der Abhängigkeit iſt am ſtärkſten dei jugend- 
licßen Perſonen, bei Kindern. Mit zunehmendem Alter 
ſhwächt ſie ſich ab und weicht vor dem beſtimmenden 
Einfluſſe des eigenen Willens zurüs, ohne jedoch gänz- 
lim zu verſ<winden. Der Erzieher hat das Verhalten 
ſeines Zöglings nicht nur an jich in Betracht zu ziehen, 
er muß dasfelbe auch, ja ganz beſonder2 nach den 
urſählihen Momenten hin zu erxforichen trachten. Er 
muß den Quellen desſelben nachgehen. Ohne eine 
rehte Erkenntnis in dieſer Richtung giebt es keine 
gute Erziehung. Im Gegenteil: ohne ne wird das 
Kind falſch beurteilt und für Dinge verantwortlich ge- 
maht, die ihm durd) gegebene Verhältniſſe augelaitet 
werden. Es verfällt der Ungerechtigkeit ſeines Erziehers. 
Daraus ergiebt ſich für den Lehrer die Pflicht, nac 
einem Einbli> in die Familienverhältniſe feiner Schüler 
zu trachten, weil eben dieſe Verhältniſſe das ganze 
Verhalten des Kindes am ſtärkſten beeinfluſſen. 
Es giebt Lehrer, die dieſe Pfliht erfüllen. Aber 
es ſind ihrer nicht viele. Die meiſten haben dazu 
keine Zeit oder keine Luſt. Die Aufgabe iſt ja auch 
nicht immer leiht. Inu mancher Familie iſt der Lehrer 
eine nicht gern geſehene Erſcheinung. Man fühlt jich 
beengt und verlegen, wenn er eintritt. Er ſeht viel- 
leiht Dinge, die man gerade ihm gerne verbergen 
möchte. Oder man hat Sünden gegen die Scule,
	        
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