Full text: Hamburgische Schulzeitung - 3.1895 (3)

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des Zopfes ſolch ein redaktionelles Begleitſchreiben in 
wortgetreuer Überſezung mitgeteilt: „Sieh Deinen 
Sklaven hingeworfen zu Deinen Füßen. I< beuge 
mich nieder vor Dir und erflehe von Deiner Güte die 
Gnade, leben und ſprechen zu dürfen. Dein geehries 
Manutjkript hat geruht, das Licht ſeines hehren Inhalts 
auf uns fallen zu laſſen. Hingeriſſen haben wir es 
dur<flogen. Bei den Gebeinen meiner Ahnen, nie 
habe ich ſolchen Wiß, fol<es Pathos, jolc< hohe Ge- 
danken gefunden. Mit Furcht und Beben ſchicke ich 
das Schreiben zurück. Denn wollte ih den Schaß, 
den Du mir geſandt, veröffentlichen, dann würde der 
Kaiſer befehlen, man ſolle ihn zur Norm machen, und 
es dürfe nichts mehr veröffentlicht werden, was ihm 
nicht gleicht. Wenn man aber, wie ich, die Litteratur 
fonnt, fo weiß man, daß in zehntauſend Jahren michts 
erſcheint dem gleich, was Du geliefert hajt. Darum 
fende ic Dir Dein Schreiben zurü&. Zehntamjend 
Mat flehe ich um Deine Nachſiht. Glaube mir, mein 
Haupt liegt zu Deinen Füßen. Mache damit, was 
Du willſt. Deiner Sklaven Sklave.“ 
Am ſchwarzen Breti. Der „Kikeriki am Saale- 
ſtrande, Humoriſtiſche Gratis8beiläage des QGeneral- 
Anzeigers für Halle und den Saalkreis“ enthält in 
No. 20 vom 28. Juli d. I. eine ekelerregende Sudelei, 
die an Gemeinheit alles überbietet, was uns bisher 
ain Beſchimpfung des Lehrerſtandes zu Geſiht oder Gehör 
gefommen iſt. Als Beleg fei folgendes angeführt: Der 
„Dorfſchulmeiſter,“ frühere Maunrergeſelle Kohn (!) in 
Tarnow hält ſich für ein verfanntes Genie. „Dieſer 
Schulmeiſter“, der ſich fälſchlich „Herr Kantor“ nennen 
läßt, „behauptet ſteif und feſt, er habe das Perpetunm 
mobile entdedt“, da man ihn aber „eines Beeren 
belehrt“, To ſucht er, „tief gekränkt“, „Troſt bei der 
Flaſche.“ Cinmal aber hat er == „veruntlich im 
ſtillen Branntweindutel“ == wieder einen „genialen 
(Gedanfen.“ Er fekt ſeiner Fraun in der Sprache eines 
Stallfnechtes feine neueſte „CEntde>fung“ auseimander : 
eine Reife naß Amerika in 12 Stunden. Koyn will 
ſich in einem Luftballon bis zu einem. „Heſtimmten 
Punkte“ erheben, dort 12 Stunden warten, „bis Amerika 
unter ihm iſt“ und fich dann herunterlayen. Als jeine 
Frau ihm höhniſch rät, in ihrer Krinoline anzuneigen, 
ſucht er Troſt bei der Flaſche. Auf dem Heinnveg 
aus dem Wirtshaus beſehließt er, <q am andern Morgen 
tot zu ſtellen, damit das „Geſindel“ einiehe, was es 
an ihm verloren habe. Als feine Frau wüh an einem 
vager erſcheint, hält ne den „alten Tyrannen“ wirklich 
für tot und eilt jammernd aus dem Haufe. Nun pielen 
fich am Bette des Scheintoten allerliebſte Scenen ad. 
Zunächſt klettern die Schuljungen dur<s Fentter zu ihm 
herein. Nachdem bald die Scheu überwunden iſt, giebt 
ihm der Mutigite einen Naſenſtüber, dem vald „unzählige 
andere folgen.“ Als ſic) Kohn nicht rührt, ruſt der 
Sclingel beruhigt aus: „Gott ſei Dank, daß ihn der 
Teufel geholt hat!“ Ein zweiter fügt hinzu: „Mein 
Vater ſagt: Der Kantor iſt nicht das Hängen wert,“ 
und ein dritter: „Mein Vater ſaat: Der alte verſoffene 
Schulmeiſter iſt mein beſter Kunde, der ſäuft allein 
mehr Schnavs, als ſämtliche Knehte im Dorfe zujammen 
genommen.“ 
Da treten der Pfarrer Lampe und der Sdul- 
vorſteher Hinze ein. Der Geiſtlihe jpricht u. a.: 
Hätte uns der Tod nicht von ihm befreit, jo hätte ich 
jet unausbleiblih die Disziplinarunterſuchung gegen 
ihn und feine Kaſſation beantragt, er war ein zu wum- 
würdiger Lehrer, dem wir dieſe verwilderte, rohe, die- 
 
nn 
biſche, faule Gemeinde verdanken.“ . „Wir können 
Gott nicht genug für die Gnade danken, uns von ihm 
erlöſt zu haben.“ Über die beiden aber wird geurteilt: 
„Sie waren in Wirklichkeit um kein Haar beſſer als 
er: ein unwürdiger Geiſtlicher und ein gemein denkender 
Bauer.“ 
Nun erſcheinen der Schmied, die Frau und die 
Magd des Schulmeiſters. Der Shmied verweiſt die 
weinende Magd auf die weit gefaßtere Frau, doch jene 
erwidert : „I< habe wohl Urſache, mehr zu weinen 
als die Frau Kantor,“ denn „mir hat er hoß und 
teuer verſprochen, daß ich nach ihrem Tode eine zweite 
Frau werden ſollte.“ Als ihm mim noch die Titel: 
„Scuft, Lump, erbärmlicher Menjch !“ beigelegt werden, 
it es dem Sceintoten zu viel, und er ſpringt auf.“ 
Doch genug! Der Neſt yt = Schweigen. 
Zur Lage der Seminar-Hilfslehrer wird der 
„Breuß. Lztg.“ aus beteiligten Kreiſen Jolgendes ge- 
ſchrieben: Die Lage vieler unſrer Hilfslehrer Ut zur 
Zeit eine geradezu kritiſche. Nicht ſelten wird heutiges- 
tags mit größtem Nachdruck amtlich auf fie einwirkt, 
daß ſie ihre Stellungen verlaſſen, um in den Volks- 
ſhuldienſt zu treten. Bekanntlich hat die Behörde 
und uiſrer Meinung nach mit vollem Recht =< in 
letzter Zeit verlangt, daß die im Seminardienit anzu- 
ſtellenden Lehrkräfte vor allem erſt einige Zeit n< im 
Volksſchuldienſt bewährt haven münien. Cs wäre nur 
zu wünſchen, daß man allen Neuanzuttieillenden gegen= 
über dieſe Forderung ſirikte zur Durchführung brächte 
und nicht nur den feminariſch gebildeten Anwärter? 
gegenüber, die doch gewiß in allen Fällen eher eine 
„Ahmug“ vom Volksſchuldienit baben als die in lester 
Zeit zahlreich zur Anſtellung gelangten Kandidaten der 
Theologie ete. Warum gebrauchen dieſe keine vraktiche 
Bewährung? Genügt auch in dieſem Falle der ioge- 
nannte „afademiſche freie Bli“ ?“ Warum „drang'a- 
liert“ man die ſeminar gebildeten Hilfslehrer, die 
bereits ein halbes Dußend ihrer beſten Lebensjahr2 
als „Hilfslehrer“ ſch verbittert haben, in dieter Woio? 
Wohin Jollen fie jest geben? Wiele nud verheiratet, 
haben die Altersgrenze für die Antrellung in großen 
Städten mit günſtigen Gehaltsfäten Überſhritten und 
ſiven jet da! Cs kam doch wohl unmöglich im dor 
Abſicht der Zentralleitung der UnterrichtSbehörd 
zahlreiche Eriſtenzen zu verüichten. Und als 
Vernichtung gleich müſſen verſchiedene Hilfslehror ihre 
vage emvfinden. Mit der Einziehung der HilSlogrer- 
ohr 
 
egen, 
langfam vorwärts (im letzten Jaogre okwa nur en 
Dußend); immer neue Hilfslehrer werden. angotout, 
einige Zeit mit micht gerade glänzenden „Nenmmerarionen“ 
bedacht, wd dam können ſte wieder gehen! Datz n< 
no unner Kollegen dazu fden, läßt ne mr dadur 
erklären, daß die meiſtteit keine Ahmng von den Tthat- 
ſächlichen Verhältniſſen haben. Die Hilfslehrer ver- 
langen nichts weiter als Gerehtigkeit. Man 1nelte die 
zur Zeit im Seminardieiſt befindlichen Hiltskehrer an 
und unterlaſſe in Zukunft weitere „Engagements au? 
Zeit!“ 
Auch ein Märchen. „WMürterchen, hört du gern 
et 
Geſchichten?“ = „Ja, mein Kind!“ = „Soi ih dir 
mal eine erzählen?“ == „Nun ja!“ == „Wirt du dieh 
aber auch darüber freuen?“ =- „Gewiß, mein Kid.“ = 
„Aber ſie iſt gar nicht lang.“ == „Nun, erzähle nur“ =- 
„Es war einmal eine Wayerlafde = = und die 
hab' ich eben kaput gemacht.“ 

	        
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