ſuchen und ihre Kinder ihnen zuführen? Wie darf
man es fortwährend mit Pathos als ein allgemeines
Menſchenrecht proflamieren, daß die vom Schöpfer
verliehenen Anlagen Ausbildung erlangen und für ihre
Verwendung freie Bahn gegeben werden müſſe, wenn
man der Hälfte der Menſchheit, nämlich dem weiblichen
Geſchlechte, möglichſt viele Hinderniſſe bereitet und ſie
vom Genuſſe dieſes Menſchenrechtes zurückhält, damit
Konkurrenz abgewehrt werde? = -- Neulich beſprach
ic) dieje und ähnliche Gragen nit einem Freunde; er
meinte furzweg, unſere Zeit jei eine große Lüge. --
Ich will's nicht glauben, Herr Redakteur, ſondern an-
nehmen, daß es mir ſchwer falle, ihre Grſcheinungen
richtig zu deuten. VWMein Freund und ic< werden wohl
alters)chwach.
Der Ihrige.
Feuilleton.
Condoner Vilder.
Von H. Berndt.
iH. Cin Sonntag - Rachmittag im Stdcpark.
Wenn man jene unterirdiſcheit Verfehrswege, be
jonders die Untergrundbahn, als eine, wenn auch not-
wendige Schattenteite des Londoner Lebens bezeichnen
muß, 10 weit es fich um die Geſundheit handelt, ſo
ſind die vielen Londoner Parks helle Lichtfeiten, und
der Hydepark einer der hellſten unter ihnen.
Dieter entſpricht in ſeiner Bedeutung für London
etwa dem Tiergarten für Berlin Ungeheure Scharen
ſtrömen beſonders Sonntags dorthin, um einen Genuß
ZU haben, der den Meiſten unter ihnen die ganze Woche
verſagt üt: Natur und friſche Luft. Auch icß habe
den) eben mehrmals aufgeſucht, it. a. auch ain einem
Sonntag-Nachmittag. Die Erlebniſſe an dieſem Tage
lege iM der nachfolgenden Schilderung zu Grunde
Nachdem ich in der „Royal Atbert Hall,“ einem
außerordentlich großen Konzerthauſe unweit der Süd-
weſte>e des Parks, ein Orgel- und Geſang-Konzert
gehört und den Anbli> des nahen, prachtvollen „Albert
Memorial“ in den „Kenſington Gardens“ uv< einmal
genonen hatte, das ich gleich in den erſten Tagen meines
Londoner Aufenthalts eingehend beſichtigt hatte, brauchte
i< mice) nur dem Erholung ſuchenden Menſchenſtrom
anzuſchließen, um bald durch ein Gitterthor dei
Hydepark zu gelangen.
„Der Park itt nach allen Richtungen von Wegen
durchſchnitten. . In Wirklichkeit iſt der Park auf
allen vier Seiten von deut Häuferuneere Londons ein-
geichloßen; aber der Lärm der Waffen verſtummt hier,
man glaubt auf dem Lande zu fein, ſo idylliſch iſt es.
Überall begegnen, überholen Uns Leute; andere liegen
auf dem Raſen ausgeftre>t, gen auf Stühlen, wandeln
auf und neben den Wegen.“ Das Betreten des Raſens
it nämlich überall geſtattet mit AuSnahme derjenigen
Plätze, welche etwa neu angeſät find und daher dem
beſonderem Schuße des Publikums empfohlen werden.
An den Wegen ſtehen viele Bänke für jederman n Un:
entgeltlich zur Berfügung, während die Benutzung eines
der zahlreichen Stühle auf den Rafenpläten einen
Penny koſtet.
Auf dem „Serpentine“, einem Gewäſſer, welches
den Park von Nordweſten ua< Südoſten in weitem
Bogen durchzieht, wimmelt es von Ruderbooten. Ih
benuße die einzige Brüde, welche über den Serpentine
führt, und gelange alsdann quer durd) deit Park nach
In
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Worten das traurige
der Oſtſeite, wel<he mit Ausnahme des äußerſten Oſt-
randes von Bäumen und Anlagen gänzlich frei und
daher zu Maßſen-Verjammlungen äußerſt geeignet iſt.
Hier iſt der Ort, wohin die Arbeiter bei wichtigen Ge-
legenheiten oſt zu Zehntauſenden ziehen, um den zün-
denden Worten ihrer Führer zu [aujchen. An jenem
Nachmittage fanden nicht jolhe großen Verſammlungen
ſtatt, aber doch intereſſante, <harakteriſtiſche Vorgänge.
Da war zunächſt an einem Kreuzwege ein junger
Menſch von etwa 23 Jahren, welcher mit beredten
&os der Londoner Dienſtboten
ſchilderte, die heiſpielsweiſe nie imſtaude wären, über
ihre Herrſchaft vor dem Dienſtantritt Erkundigungen
einzuziehen, während es umgekehrt für die Herrſchaft
leiht wäre, genau über ihre neuen Dienſtboten nach-
zuforſ;hen. Wer nun von den Zuhörern der Not der
armen Dienſtboten abzuhelfen geſonnen jei, der möge
ſich abends um 8 Uhr in dem und dem Lokale einfinden.
Auf der benachbarten Naſenecke ſtand ein Straßen-
prediger, welcher aus dem alten Teſtamente vorlas und
über den verlejenen Abj<hnitt predi igte. Einige Geitn-
nungsgenoſſen waren bei ihm, und einer derſelben löſte
ihn ſpäter ab. Warum die Redner übrigens als
Standort meiſtens eine Naſene>e wählen, das wurde
mir hier 10 recht klar. Man denke jich den Kreuzungs-
punft zweier oder mehrerer Fußwege, deren Seiten
mit Raſen bewachſen nd. Will man das Betreten
des RaJens nicht verbieten, 19 itt es klar, daß die CE>en
am meiſten der Gefahr ausge!eßt nud, in fürzer Zeit
niedergetreten zu Werder. Darum hat man ne auch
auf zwei Seiten mit eifernein Gittern eingefaßt, während
der grüßere Teil des Naenplates ohne dieſen Schuß
it. Die Redner ſtellen nN in die durch die beiden
Gitter gebildete E>e und haben jo eine Schranke gegen
den Andrang des Publikums. Von hinten her können
fich freilich die Zuhörer dem Jedner beliebig nähern,
wie dies 3. B. ein roher Menſch von etwa 25 Jahren
that. Dieſer hatie ein rotes, amgedmyenes Gencht
mit einer diefen Schmarre und rotes Haar, ging bar-
häuptig und in Hemdsärmeln und hatte feinen Gefallen
daran, durc< allerlei dimme Streiche und Redensarten
den Redner lächerlich zu machen. Dieter ließ "ich aber
nicht aus der Fanyung bringen, und bei der Mehrzahl
der Zuhörer erreate feint Treiben Abſcheu und Ekel.
Von hier fiel mein Auge auf einen ſchwarzen
Prediger im Talar, welcher in der Näve bald redete,
bald fang und das Publifum zum NVitſingen aufforderte.
Er bat um Geld, zu welchen Zwecke, konnte ich nicht
verſtehen.
zu ziemlich
weit größere Menſ<enanfammlung als die
ſehenen. Als ich näherkam, gewahrte ich
Gjährigen Knaben, welcher über oine
Zeichenheft gehängt hatte und mm au? jedes Blatt
mit wenigen Kohlomſtirichen geichiEt und. äunzernt
Ihnell eine berühmte enalifche Perſönlichkeit zeichnete
3. B. Gladſtone und dew verſtorbenen Lord Beakons-
field. Die Leiſtungen waren in der That erſtaunlich.
Natürlich war es ihm nur um das Geld der Zuſchauer
zu thun. Zier ſeien die zuweilen künſtler aus-
geführten Bilder erwähnt, welche man nicht felten in
den weniger belebten Straßen auf den Steinplatten
mit Kreide und Kohle gemalt feht. Es iſt dies eine
der vielen Umgehungen des Getetes gegen die Bettele1.
weiter Ferne bemerkte ich 1odamn eine
biSher ge:
einen etwa
Staffelei ein
Joch weiter na< Norden Hin war wieder ein
größerer Menſchenhaufe. Aus der Mitte destelben
ragte ein auf einem Stuhle ſtehender Neger hervor.