Full text: Hamburgische Schulzeitung - 3.1895 (3)

auf die Erklärung der Namen der. Straße und Pläßze. 
Das Buch von Mönceberg geht zu weit. Cine weit 
au8geſponnene geſchichtliche Darſtellung iſt für den Un- 
terricht in der 5. Klaſſe nicht richtig; ebenjo iſt Den 
Kindern nichts aus der älteren Topographie Hamburgs 
zu geben. Die Kinder bekommen zwei Bilder, die jich 
verwiſchen, da ſie nicht imſtande ſind, fie in Beziehung 
zu einander zu ſeen. Doch iſt nicht jede Bezugnahme 
auf das frühere wegzulaſſen, 3. B. bei den Denimälern, 
nur iſt eingehende Darlegung unzwe>mäßig. 
Benekes „Hamburgiſhe Sagen und Geſchichten“ 
find hingegen wohl zu verwerten, da die Sage nicht 
ſo an Ort und Zeit gebunden iſt wie die Geſchichte. 
Beſonders geeignet ſind: „Der Brauerknechte Helden- 
tum,“ „Dat lütte Nümeken“ und „Wat man nd van 
Altona vertellt.“ Nach Lage der Schule können andere 
Sagen hinzugefügt werden. 
Als Hilfsmittel für das Auge der Kinder find 
Modelle nicht in allen Fällen zu verwerten. Am bejten 
nur, um einzelne Teile einer Sache zu beſprechen. Auch 
das Relief iſt nicht zu empfehlen, es hat nur Zwe als 
praftiſches Erinnerungsmittel. Weit beſſer find Bilder 
aus der Vogelperſpektive, wie die Hamburger Haſen- 
anlagen. 
Vilder von Hamburg und ſeiner Umgebung giebt 
es in großer Menge, doch find fie meiſtens zu flein. 
Ein Bild iſt für den Unterricht uur verwertbar, wenn 
das Charakteriſtifehe für alle Kinder hervortritt. Die 
Vilder vom Hafen und der Binnenalſter von Gaßmamn 
ſind veraltet. Andere bei Döring erſchienene jind zu 
flein und nicht gut in der Farbengebung. 
Die Lithographien aus dem Landgebiet von Grieſer 
ſind zu gebrauchen, doh zu teuer. 
(Es giebt alte Bilder, z. B. vom Brande, die qut 
zu gebrauchen find. Es wäre wünmſchenSwert, went 
neue in derſelben Weiſe hergeſtellt würden. 
Da die Lehrenden darauf angewieſen jind, nd) Die 
meiſten Hilfsmittel felbit zu beſchaffen, wäre es ZU 
empfehlen, Bilder in entſprehender Größe zu zeichnen. 
Die Behörde liefert als Hilfsmittel den Plan und 
die Karte von Wichmann. Der Plan iſt der beite, den 
wir haben, und für den Unterricht in der V. Klaſſe int 
auch die Karte zu gebrauchen. Es empfiehlt ſich, vanehen 
die Vläne einzelner Gebietsteile zu benuten. (Cs iſt viel 
gewonnen, wenn die Kinder faſſe, wie ſich (Gebietsteil 
aun Gebietsteil reiht, und ſs die Karte entſteht. . 
 
Schutwiſſeuſchaftlicher Bildungsverciu. 
3. Arbeitsverſammlung (2330. Berſ. des Vereins); 
Sonnabend, 26. X., 6 h. Anweſend etwa 120 Bertonen. 
Nachdem der Präſes die amveſenden Herren Bür- 
gerſchaftsmitglieder ſowie die von den höheren Sqcnlen 
als Gäſte erichienenen Lehrer begrüßt Hat, bittet er die 
Mitglieder, für den Verkauf der im Herold'ichen Rer 
lage zum Beſten der Unterſtübungskafſen Des Voroins 
erſqienenen Broſchüre von Dr. Oſtermamt „Der VyY- 
hologiſche Materialismmus“ (30 Pf.) in ihrem Kreiſe wirken 
zu wollen. Sodann wurden vier Mitglieder nen auf? 
genommen. 
Herx Dir. Dr. Schlee aus Altona, der Begründer 
der Reformſhnle, hält munmmehr feinen Vortrag über 
„Der gemeinſame Unterbau unſerer höheren Schulen.“ 
1. Einheitsf<ule werde die Einrichtung, * die 
beſprochen werden ſolle, von Freunden und Gegner 
genannt. Ver etwa 20 Jahren wurde der Cinheitsſ<nul- 
vereitt gegründet, der es verſuchte, Gymnaſium und 
Realgymnaſium den einheitlichen Forderungen anzupanyen. 
 
Lange hat die Entwieklung zwiſchen humaniſiijchem und - 
neuzeitlichen Bedürfniſſen entſprehendem Gymnaſium 
geſ<mwankt, bis dieſelbe 1890 zu gunſten des leßteren 
abgeſchloſſen erſchien. Aber dies war das Werk frent- 
der Einflüſſe. Die Entwilung lenkte bald wieder in 
andere Bahnen ein, inſofern man dem Cateiniſchen und 
der alten Geſchichte wieder mehr Raum verſchaffte und 
den Realgymnaſialabiturienten vas Necht gab, Medizin 
zu ſtudieren. Doch klagt man jeit langem über zu 
frühe Scheidung der einzelnen höheren Schulgattungen 
und verlangte größere Einheit. Dieſe giebt der gemein- 
ſame Unterbau. Die Schüler erhalten 3 Jahre Ele- 
mentar-, 3 Jahre Realſhulunterricht. Mit 12 Jahren 
tritt die Scheidung ein, die ſich ſpäter bei dex Tremmung 
in Realgymnaſial- und Gymmaſialabteilung wiederholt. 
IL. Gründe für den gemeinſamen Unterbau. 
1. Vor 30 Jahren trat zunächſt ein nationaler Ge- 
ſichtspunkt hervor. Obwohl eine Zeit gelehrter 
und antinationaler Bildung wie im 17. Jahrhun- 
dert nicht wiederkehren wird, kann doch in den 
Schulen uoch mehr für nationale Bildung geſche- 
hein. Weſentlich erleichtert und ermöglicht wird 
die Erfüllung der daraus reſultierenden Forderung 
dur< den gemeinſamen Unterbau (vom 9.--12. 
Jahre) mit nationaler Grundlage. 
2. Schulpolitiſc< wäre folgendes zu erinnern: Roch 
1890 beſaß RBreußen 170 Städte mit einem 
Gymnaſium als einzige höhere Lehranſtalt. Wer 
eine etwas höhere Bildung genießen wollte, mußte 
den Gymnaſialkurſus abſolvieren. Die meiſten 
Schüler hatten nicht die Abſicht, zu ſtudieren und 
brachen ihre Studien ab, als ſie noh keinerlei 
Nuten vom Griechiſchen und Lateiniſchen haven 
fonnten. 1890 betrug der Prozentjas 66, 1894 
noch 60. Gegner der EinheitsSſchule, wie Dy. 
Jäger, haben der Gymnaſialbildung auch in dieſer 
(Geſtalt die Hervorbringung größerer Jdealität der 
Schüler oder die Beſähigung zur uöglichtt voll: 
fonmenen Löfung der LebensSaufgaben zugejchrie- 
ben, = jedenfalls ein ſehr zweifelhaftes Unter- 
nehmen. Selbſt die ganze Begründung hat man 
(wie Geheimrat Schrader) zurücweien wollen, 
freilich mit Gründen ſehr gewagter Natur. 
Mit dieſem (ſhulpolitiſchen) Grunde hängt die 
Frage des zu großen ZUudranges zUr Univerſität 
zuſammen. Paſſive Naturen (zuweilen recht gute 
Extemporalienſchreiber) bleiben gern in dem ein- 
mal eingeſchlagenen Gange, während ihnen bei 
zweifentjprehender Cinrichtung ihrer heimatlicyen 
Lehranſtalt der Übergang zu einer anderen Schnl- 
gattung und damit die Wahl einer anderen Be- 
rufsart nahegelegen hätte. Umgekehrt hätten aud 
hefähigtere Knaben noh ſpäter Gelegenheit geſu 
ven, die Vorſtudien zur Univerſität zu beendigen. 
. Didaktiſcher Grund. Troß zahlloſer Gegenbe- 
weiſe herrſcht hente noch immer Die Anjicht, daß 
das Lateiniſc<e der Quell wahrer Bildung, daß 
„die Schulung des Verſtandes dur< die lateiniſhe 
Grammatik durch nichts zu erſeben fei“ (Tieriſch). 
Auch die ueneſten Legrpläne zeigen dieje Bevor 
zuqung. „u eingehender Weiſe weiſt der Herr 
Redner mm nach, daß das ſprachliche Verſtändnis 
am beſten dur< Behandlung der Mutterſprache zu 
„- 
* 
[5 
erzielen iſt, die einen Inhalt für den Schüler 
bietet. Will man dennoch eine krenide Sprache 
lehren, fo bietet das Franzömche der Schwierig- 
keiten genug und dod) nicht zu viel. Schon 18710)
	        
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