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Sollte der Winzer ſich des Weinſtoc>es nicht freuen
und ſeiner pflege, der nur eine edle Art des edlen
Weines, nicht aber alle Arten zu erzeugen vermag?
Die Schule enthält nicht die Faktoren der Volkser-
ziehung, aber Cinen Faktor und einen relativ wichtigen,
iſt das nicht genug und wohl „des Scweißes der
Edlen wert ?“
Und die Anſprücße? Ja, die Schule iſt ſchre>lich
anſpruchsvoll! Sie will erſtens durc<ß gebildete Lehrer
heben und zweitens für dieſe eine entſprechende Steilung.
Dieſe beiden Forderungen ſind wirklich höchſt unver-
nünftig, bei welchem Ende man ſeine Betrachtungen
auc<ß anhebt. Deun find die Lehrer nicht gut, 1o iſt
ihre jehige Stellung für fie ſchon viel zu gut; ijt ihre
Stellung aber nicht aut, ſo dürfen die Lehrer auch ja
nicht eine höhere Bildung haben, font werden fie un-
glülich, zerriſſen, unbrauchbar. **) Das iſt ja klar wie
-- Tinte, und ich will den wacern Männern, deinen
ich dieſe vortrefflichen Shlüſſe nachgedacht habe, ihre
Schöpferfreude dur<h keine Bemerkung ſtören.
Ig, ic; will noch mehr thun: ich will in vollem
Ernſte zugeben, daß man in der nächſten Zukunft
wahrſc<einlich am menſc<henſfreundlichſten und weiſeiten
handelt, wenn man die Volksichuilehrer nicht aus den
Seminarien oder gar aus den Seminarien, welche it
ver Realſ<hule ihren Vorkurius haben (das war früher
mein Wunſch), ſondern nach Curtmannus einfachen und
praktiſchem Vorſhlage aus der Kaſerne rekrutierte. Am
menſ<enfreundlichſten =- denn 30 Thaler und 20 600
Soden Torf machen den verbildeten Seminarinien nur
unglülich ; und am weiſeſten =- denn ein fröhlicher
und kräftiger Soldat iſt der Schule zuträgliger, als
ein leiblich- und geiſtig- kränfelnder Seminariſt. Freilich
wird man dabei nicht ſehen bleiben. Nur Fibel und
Katechismus ſind in der Bolks8ſchule berechtigt, altes
andere, das ſich eingeſchlichen, muß wieder hinaus.
Vielleicht werden ſi, wemt einmal die Zeit Fortſchritt
will, Klüterbankf und Spinnrad mit jenen fſreundnach-
barlich vertragen und brauchbare Bürger bilden, während
jene wieder alte, gute Chriſten liefern.
Dann endlic< wird ein unleugbares Übel, das di
Schule gebracht, allmählich f<9winden: das Volk wird
weniger pilücen vom Bainne der Erkenntnis.
Freilich, dieſe Umgeſtaltung der Volksihule wird
in unſerm Lande nicht erreicht werden, deim Untere
Regierung wird es nicht woilen. Sie hat erſt in den
lezten 40-50 Jahren eine Volksſchule gej<afen, hat
mit großer Liebe ihrer gepflegt, uud wird ſich durch
die augenblieliche Strömung der Zeit nicht ſogleich in
die entgegengeſeßte Richtung drängen laten. Auch die
Geſchichte ſpri<t zu mächtig gegen ein ſolches Zurück-
gehen. Sie lehrt von Anbeginn, daß auc< die, welche
dent Lichte Fenſter und Thüren verſchließen, es nicht
drautßeit zu halten vermögen. Es fendet dann oſt einen
Strahl hinein, der die Moderluſft drinnen zur. ver-
zehrenden Flamme entzündet, welche nicht bloß Feuſter
und Thüren ſprengt, ſondern auch Dam? wund Mauern
zerſtört. Die Erkenntnis iſt einem Strome gleich, ne
will dure die Flur der Menſ<heit ſtrömen, um zu
ſequen und zu beglü>en, ſie kann's aber nur, wenn ihr
der Weg geöffnet iſt. Will man fie hemmen, 19 bahnt
ſie ich ſelber einen Weg, aber ſie kommt damn als
Königin des ShreFens. Darum ſeid klug, laßt und
macht ihr den Weg offen, grabt das Bett fein tief
und brett!
Mit dem Untergange der Volksjhule hat's keine
Rot. Der für den Augenbli> herrſhende Oſtwind der
Zeit mag auch ihr einige Blätter und Blüten rauben
und ſie eine Weile in ihrem Wachstum aufhalten ; aber
fie iſt ein innerlich geſunder Baum, dem einheimiſchen
Boden entfproffen, und ein guter Grund iſt's, in dem
ſie wurzelt. - .
Du wirſt Dice) mein Freund, mit dieſer tröfilichen
Auffaſſung der gegenwärtigen Lage einverſtanden ex-
klären, aber es gefällt Dir nicht, daß ih die Haupt-
"antwort auf die obigen, die Schule ſtraſenden oder
verac<ßtenden Reden verſchwiegen habe, die nämlich: daß
und waruni die Volfsſchule (ihre gegenwärtige Exr-
ſcheinung) ſich felbſt (ihre Idee) kamu ähnlich ſieht und
jehen kann. Was aber in aller Welt könnte uns mn jeziger
Zeit bewegen, jenen Verächtern überhaupt zu antworten
und zumal das oben Ängedeutete ihnen auseittander-
zuſeßen? JI verwahre mich bei dieſer Gelegenheit
feierlich dagegen, das ich in dieſen Briefen zu jemad
anders ſpreche als zu Dir, und etwas anderes thue,
als mit Dir, mir und dem Seßer = tres kacimnt
collegium = itt einer Konferenz Bibelerflärung tretbe,
was 1a felbſt in größeren Schullehrer-Konferenzen bis
jeßt für eine unſchuldige Beſchäftigung gilt. Umtzer
Jocus iſt heute geweſen: „Schicet Cuch in die Zeit,
denn es iſt eine höfe Zeit.“ Das iteht in der Bibel,
darauf verlaß Dich und ſag mir gelegentlich einmal
wo? Der Goethe foll übrigens zu dieter Stelle eine
Gloſie geſchrieben haben, ungefähr 19:
Es mag ſich Feindliches ereignen :
Du bleibe ruhig, bleibe ſtumm:
Und wenn ve Dir Bewegung leugnen,
Geh ihnen vor der %aſ' herum.
Ich weiß das aber met aewiß; deit meines
Wiſſens hat er memals in Schullehrer-Konferenzen
eregetiſche Vorleſungen gehalten. Dieſe Unwinenheit
wird mir indes niemand verdenfen ; was haben wir
nat Goethe zu ſ<aen ?
Im nächſten Briefe werde ich mich eines andern
Stils befleißigen und „mir die Freiheit nehmen“, Dir
„meine wunmaßgeblichen Anjichten“ darüber mitzuteilen,
was die Volksiule ſelbſt in unferer geſegneten Zeit
etwa thun könnte, um = nicht „ihnen vor der Na?"
hermmzugehen,“ das itt ein ſchlechter, arroganter Stil,
ſondern =- ſich felb't mehr unnd mehr ähnlich zu werden,
oder nod) beſier: ihre Bilicht und Schuldigkeit ftets
mehr zu erfüllen.
Mit dem ſc<hließlichen Wunſche, daß Du dieſen
Brief bei guter Geſundheit mögeſt empfangen, und ohne
Unwohlſein zu Ende geleſen haben, grüßt Dich
Dein Freund A.
X, d. 6. Zum 1853.
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Was follen wir der Jugend zur
.» L 3
Qeftüre bieten ?
Von H. Scherer.
Es iſt eine alte Forderung, daß an jeder Shulc
eine Bibliothek für die Jugend und die Crwachtenen
beſtehen foll, damit dieſelben ihren Bildungstrieb it
der rechten Weiſe befriedigen können. Bezüglich der
Jugend haben wir zunächſt und in erſter Linie die
Scüler der Oberklaſſen (7. u. 8. Schalj.) im Auge;
dem das „Leſen“ will erſt gelernt jein, und Kinder
vor diefem Alter find noch nicht dur<gängig reif, eine
größere zuſammenhängende Darſtellung vollſtändig felbiſtt
ſtändig zu erfaſſen; daher foll man den Kindern nich-