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Heinen Lande mag dies möglich ſein -- berichtet
wurde, ob ſie den Gottesdienſt regelmäßig beſucht und
das Abendmahl allmonatlih genoſſen hatten. Wider-
ſtrebende wurden zur Annahme der kirchlichen Gnaden-
wohlthaten, wie de8 Beſuches des Gotteö8hauſes8 unter
Sirafe gezwungen. Information, das heißt Unterricht8-
ſtunden für jung und alt, Bibelauslegung, Katechismus-
unterweiſungen wurden angeordnet uud auch hier der
Beju<h von „oben herab“ verlangt.
Eine erſte neue Shulordnung erſchien 1642,
dieſe wurde ergänzt im Shulmethodus 1648. Wie
heutzutage wurde ſ<on damals regelmäßiger Scul-
beſuch der Kinder den Eltern gegen Strafe anbefohlen,
eiwaige Verſäumniſſe mußten bei dem die Schule be-
auſſichtigenden Pfarrer angezeigt, womögli< vorher
gemeldet werden. Au hierüber verlangte der Herzog
zu beſtimmten Zeiten ins. einzelne gehende Berichte,
und in der landeSväterlihen Weiſe vergangener Jahr-
hunderte verfügte der gnädige -- häufiger re<ht ungnädige
-- Herr ſich zu den „renitenten“ Eltern, um ihnen ins
Gewiſſen zu reden oder dieſelben höhſteigenmächtig mit
Strafe zu belegen. Den widtigſten Unterrichtsgegen-
ſtand jollte Kunde der Bibel, beſonder8 des neuen
Teſtamentes, bilden. Auswendiglernen von ganzen
Kapiteln der Heiligen Shrift -- nicht allein einzelner
Sprüche, gründliche Kenntnis des lutheriſchen Kate<his-
n1u38 wurde aufs ſtrengſte verlangt. Drohungen, wie
Zurüctetzungen im ſpäteren Leben, fal8 man in der
Schule jeine Pfliht verſäumt, fehlten nicht. Selbſt-
verſtändlich wurde Leſen, Schreiben und Nechnen ge-
lehrt; geſchrieben ſollten Teile aus der heiligen Schrift,
dem Kate<hi3mu8 oder gleichen Zwecken dienenden
Liedern werden, daneben wurden au<h landesherrliche
Verordnungen „abcopirt“, da ſolche als Muſter des Styles
galten. Alle3 wurde dem Gedächtniſſe aufs ſorgfältigſte
eingeprägt und mußte bei feierlichen Gelegenheiten
„rvecitiret und declamiret“ werden. Zu dieſe Unter-
richt3zweigen kant ſpäter der der Naturlehre und der
Kenntnis des Himmelsgewölbes8 =-- auc<ß das Wiktigſte
in der Geſchichte des Landes und der Geographie des-
ſelben war mitzuteilen, =- natürlich ſo weit nur, als
es vom Wert für das praktiſche Leben war, zu welchem
„Zwede den Kindern entſprechende LehrbüHer meiſtens8
-- gej<henkt wurden. Die höchſte Ahtung vor den
L-hrern wurde den Kindern eingeprägt und „Sünden“
gegen die Zucht aufs ſtrengſte geahndet. Auch auf
muſterhafte - Ordnung und Neinlichkeit ſollte geſehen,
widrigenfalls mit Strafen vorgegangen werden.
Jedenfalls meine ich einen Beweis geliefert zu
haben, wie ſ<on vor langer Zeit ſich Regierungen
haben angelegen ſein laſſen, in der Erziehung des
heranwachſenden Geſhlehtes der Zukunft vorzuarbeiten.
Herzog Ernſt von Gotha nimmt eine bedeutende
Stellung in der Geſchichte der Pädagogik ein, und wer
darüber mehr leſen will, dem empfehle iH: Böhne,
Vie pädagogiſchen Beſtrebungen Ernſt des Frommen,
Gotha 1888. Dr. Ptilipp Bauer.
ASE nner nien amid ame een ed RINN
Erwiderung
'auf Herrn Lackemanns Artikel über
den Handarbeitsunterricht.
Die von Herrn La>emann in der „Hamburger
Schulzeitung“ veröffentlichte Plauderei über den Hand-
arbeitsunterric<t enthält einige Behauptungen, auf die
einzugehen ic mich verpflichtet fühle. Herr La>emann
behauptet, daß hinter meinem Wunſche, der Staat
möge die Einkaſſierung dex Handarbeit8gelder über-
nehmen, im Grunde etwas ganz änderes ſteFe. Er
erklärt, daß alle Klarſehenden wiſſen, welchen Hinter-
grund meine Schauergemälde haben, daß ich eine Auf-
hebung des Schul- und Büchergeldes erſtrebe. „Kämpfe
man doc< mit offenem Viſir!“ Dieſe Wendung er-
jheint mir wie eine unverſtandene Phraſe. =- I<
habe meinen Namen nicht genannt. Für die Sache iſt
e8 doc< entichieden gleichgültig, wer von den 500
Hamburger Lehrerinnen den Artikel geſchrieben hat.
Aber auf die Nennung des Namens bezieht Herr Lade-
mann jeine Mahnung wohl ſelbſt niht. Denn er fügt
hinzu : „Dann wird es doc< ein Prinzip, über das ſich
reden läßt.“ -- Über das Handarbeit8geld läßt ſich
aljo nicht reden? Darum ſind Herrn La>emanns8
Auseinanderſezungen mir wohl ſo unverſtändlich. Und
um reden zu können, legt er mir Abſichten unter, an
die ich nie gedacht und die ich ganz gewiß nicht aus-
geſprochen habe. =- Den Wunſch, der Staat möge die
Ginkaſſierung des Handarbeits8gelde8s übernehmen, zu
äußern, hat mich folgende Erwägung veranlaßt: Das
Schema für die Sculgeldliſten weiſt eine Rubrik für
Handarbeit8geld auf. Die Behörde hat alſo urſprüng-
lic) dem Handarbeitsunterricht das gleiche Recht zuer-
fannt. Die praktiſh<e Durchführung iſt wohl nur des-
halb unterblieben, weil es als ein ſpeziell weibliches
Gebiet den geſeßgebenden Herren eine terra incognita
iſt. Bis jeht gleicht der Handarbeitäunterricht in dieſer
Hinſicht dem ſchle<ht behandelten Aſchenbrödel. Er
verdient aber wegen ſeiner praktiſchen, volk8wirtſchaft-
lichen Bedeutung eine Gleichberechtigung mit andern
Lehrfähern. Warum ſollten wir Lehrerinnen, die wir
mit ihm unter ſeiner Zurücſezung leiden, uns nicht
bemühen, ihm zu ſeinem Rechte zu verhelfen? Herr
Lademann behauptet, das ein derartiges Beſtreben
nicht ſeit ſollte.*) I< halte es für Pfliht. Der Verein
Hamburger Volksſ<ullehrerinnen hat, ohne daß ich es
wußte, und unabhängig von meinem Vorgehen, eine
Petition an die Behörde, dieſen Gegenſtand betreffend,
einreichen wollen. Jedenfall38 ein Beweis, daß die von
Herrn La>emann geſ<hmähte Anſicht unter meinen
Kolleginnen viele Anhänger hat. |
Daß --der Hamburger Staat bei der Schiffbaxr-
erhaltung der Elbe mehr thut, „als er nach ſeinen
Grenzen thun ſollte, habe ich nicht gewußt. Daß
mich dieſe Thatſahe von“ dem Ausſprehen meines
Wunſches hätte zurüFhalten müſſen, vermag ich auch
heute nicht enizuſehen, da ic<h keinen Zuſammenhang
zwiſc<en der Sciffahrt und dem Handarbeitsunterricht
finde. == J< bin ſtolz darauf, Hamburgerin zu ſein.
39D bin ganz gewiß eben ſo ſehr wie Herr LaFemann
davon Überzeugt, daß der Hamburger Staat für ſeine
bedrängten Glieder Glänzendes leiſtet. Der Glaube
an die humane und gere<hte Geſinnung der in Frage
kommenden Herren hat mich gerade zu meinem Vor-
gehen veranlaßt. Daß mich dieſe Erkenntnig zum
Gegenteil hätte verpflihten müſſen, begreife ieh nict.
Wenn Herrn La>emann die Eintreibung des Hand-
arbeit8geldes nie Shwierigkeiten bereitet hat, wenn er
ſogar Überſchüſſe erzielte, =- ich hörte von 1900 4%,
jo j<ließt das doFH nicht die Thatſache aus, daß an
andern Schulen andere Erfahrungen gemacht werden.
Herr L. hat thatſä<hlich das Gegenteil behauptet. Der betr.
Saß iſt leider durch ein Verſehen ins Gegenteil vertehrt worden.
. .D. Red.