evan
die zureichenden Beſtimmung3gründe für den ganzen Verlauf
unſerer Handlung.
Da3 Problem des Sollen8 beſtimmt ſi<ß alſo: Wo-
durc< iſt der Endpunkt, der von mir geſeßte Zweck, be-
ſtimmt, aus dem meine Handlung anhebt? Was beſtimmt
meinen Gedanken: da8 und das ſolle ſein, gerade hier, wo
die bloße Urſachengeſeßlichfeit nicht zuxeicht, ſondern vom
Willen gebraucht wird als ein Mittel, deſſen Gebrauch und
Anwendung ſich umgekehrt naß dem vom Willen geſeßten
Zwe einrichtet ?
Darauf giebt uns die Ableitung folgende Antwort:
Cinzig und allein das formale Geſe der notwendigen
Überjtimmung, der notwendigen Einheit unſerer
Gedanken unter ſich, je in einem Kreiſe, den wir über-
jehen oder der unſerer Erwägung vorliegt, beſtimmt dieſen
Gedanken. Der leßtbeſtimmende, hs < ſte Grund einer jeden
Zwedcjezung, das Endziel, iſt die Ginheit aller Zwede
unter ſich. Hiernach beſtimmt ſich jede einzelne empiriſche
Zweclſezung: daß ſie hinein paſſe in die Einheit und Über-
einſtimmung aller Zwe&e unter ſich. Dieſe letzte Einheit iſt
unerreicht und unerreichbar, aber dieſer höchſte Zwe>: Ein-
beit aller unjerer Handlungen untereinander iſt der Richt-
punkt, für alle und jede zwedliche Erwägung das oberſte
Prinzip.
Dieſe3 oberſte Prinzip, da3, als Jdee de38 Unbedingten,
alle Zweſezung unter ein höchſtes Prinzip der unbedingten
Einheit, unter einen leßten, nicht mehr bedingten Zwe ſeßt,
dieſes vberſte Prinzip hält natürlich den Zuſammenhang mit
Erfahrung innigſt aufrecht. Denn was3 ſoll, iſt zwar nicht,
aber joll doch fein, foll wirklich werden. Die Geſeßlichkeit
aber, nach der allein etwa8 wirklich wird, iſt die urſachliche,
oder die Geſeklichkeit der Natur. Alſo muß da3 konkret
Geſollie, auch bloß als geſollt, mit den urſachlichen Geſeten
des Geſchehens doch überhaupt im Zuſammenhang bleiben.
Und diejer Zuſammenhang iſt möglich, weil die Erfahrungs8-
gejeßlichfeit zuleßt dem Urgeſeze der Bewußtſeins einheit
unterſteht.
Die Verwirklichung des Geſollten iſt Sache der Technik,
nach ihrem allgemeinſten Begriffe: al8 Herrſchaft über die
Natur durc< Kenntnis ihrer Geſeßlichkeit. Was38 könnte
wohl ein menſ<li<e8 Wollen zum Gegenſtand
haben, das nicht dieſem Bereiche angehörte! Wie
boch die Willensbhildung auc< ihre Jdeale ſich ſteen mag,
mit der Naturgrundlage de8 Menſ<endaſein3 ſieht ſie doch
immer in feſteſter Verbindung; da3 beginnt man vielleicht
in unjerer Zeit erſt ganz zu begreifen; und e8 darf ihr
nod nict voll zu ermeſſende3 Verdienſt nach dieſer Seite,
auß; um die Erziehung, keine8Sweg8 verkannt werden.
Allerding38 bleibt dem Range, der logiſchen Ordnung nach
die Erfahrungserkenntnis dem Reiche der Zwecſehung unter-
geordnet, die Erfahrung der Jdee. Der Verſtand, die Natur-
erkenntnis giebt nur Antwort auf die Frage nach den Mitteln
der Verwirklichung, nachdem der ZwetC feijtſteht. Die
radikale Frage iſt erſt nag dem Warum des Zwees.
Es mag nun der nächſte Zwe> unſere8 Wollens wieder nur
gewollt fein al38 Mittel zu einem ferneren, höheren Zwe,
jo richter ſich unſere Frage dann auf dieſen und ſo fort,
und nicht eher kommt ſie zum Stillſtand, al3 man zu einem
Zwe& kommt, der nicht mehr ein Mittel zu einem andern iſt,
jondern Endzwes«. DaZ3 iſt dann erſt die ernſte Frage
nach dem, was jein joll.
Man hat geglaubt, um der notwendigen Annahme der
Idee als letzten Zwe alle3 Wollen3 überhaupt auszuweichen,
daß es einen naturnotwendig gewollten, alle3 überragenden
Zweäs gebe, es fei nun die Lebens2erhaltung, die Luſt
oder Befriedigung. Allein der empiriſche Beweis, daß
wir unter allen Umſtänden mit unſerem Wollen und Thun
eines diejer Ziele erſtrebten, iſt niht geführt worden und
kann nicht geführt werden. Vor allem: Niemand will
thatjächliche Eriſtenz überhaupt, oder Luſt überhaupt,
jondern allemal eine beſtimmte Exiſtenz oder Luſt. Bei ſehr
vielen WillenZakten aber iſt uns überhaupt keine Beziehung
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auf einen dieſer ſogenannten Zwe>&e bewußt. Allerdings
begleitet Luſt und Unluſt alle unſere Handlungen und zwar
da3ſelbe Gefühl oft bei entgegengeſeztem Beſtreben. Gewiß
freut ſich der Forſcher, wie niemand leugnet, wenn es ihm
gelungen iſt, fein Problem zu löſen; aber hat er mit allem
heißen Bemühen auch garnichts anderes als dieſe flüchtige
Freude und nicht etwa die Löſung des Problems, die ſichere
Klarheit der Sache, die Einſtimmigkeit und alſo Wahrheit
der Grfenntnis gewollt? Das3 aber mußte gezeigt werden,
wenn jene ſogenannten Zwe>e alle3 unſeres Handelns die
lebten Fragen unjerer Menſc<heit8-Arbeit beantworteten.
I< wenigſtens könnte mich nicht beſtimmen zu glauben, daß
etwas jo äußerſt Bedingtes, das von den unberechenbarſten
Umſtänden, vom Barometerſtand, von der Verdauung, von
den tauſend kleinen Störungen de8 alltäglichen Lebens --
fort und fort bedroht iſt, ſo unentrinnbhar den ganzen
Inhalt meines Beſtrebens aus8machen müßte, beſonders
nachdem i< erfannt habe, daß Luſt und Unluſt, nur die
höchſt wetterwendiſchen Begleiter meine3 Beſtrebens, über-
wiegend von Dingen beſtimmt ſind, die mit meinem Wollen
und Nichtwollen auch garnicht38 zu ſchaffen haben. Sollte
ic) mir, bei dieſer Erkenntnis, gleichwohl nicht3 Feſteres
und Klareres zum Ziel meines Beſtrebens ſezen können
oder vielmehr müſſen, als immer wieder dieſe ungewiſſen
Lüſte und Meinungen von Unluſt?
Ebenſowenig iſt bloße8 Daſein ZweE, bei dem ſich
ſtehen bleiben ließe. E38 iſt noch nicht einmal eine ſittliche
Erwägung, daß e8 thöricht iſt, bloß um das Leben zu
erhalten alle8 daran zu geben, wa8 de38 Leben3 wert iſt
(propter vitam vitae perdere caugas).
Es kann eine bloß empiriſche Zwedſezung, ſei es dieſe
oder dieſe Luſt oder ein ſolc<e8 oder jolc<he3 Leben, garnicht
den leßten Sinn des Sollens8 enthalten. Abgeſehen ſei davon,
daß es eine Höhe des Alter3 giebt, auf der die Lüſte ihren
Stachel und Reiz verloren haben, auf der da3 Leben jeinen
Sinn als Zwe verliert, das Leben eine Laſt wird und das
Denken von dieſer Warte aus ficß nac<ß dem Zwede aller
Freude und alles Schmerzes und na< dem Sinne des
Leben3 fragt. Hier genügt e8, daß jede empiriſ<e Zwe>-
beſtimmung nicht zu einem Abſchluß der Zwedſezung, zu
einem Abj<luß der Frage naß dem Wozu? kommt. Und
gerade dieſem kann der Wille garnicht entraten. Ohne dieſen
Abſchluß bleibt nicht eine lezte Neugier ungeſtillt, ſondern es
würde an dem allererſten Anfang des Wollen3 fehlen. Der
Abſchluß iſt aber auch eben darum möglich, weil er ein
bloß gedanklicher iſt und zu ſein brauc<t. Einheit iſt das
Endziel des Willens. Habe i< im Geſic<ht3punkt meine3
Denken38, in der bloßen Jdee Einheit unter meinen Zween
geſtiftet, ſo habe ic<ß den geſuchten Endpunkt erreicht, ſo
vermag mein Gedanke hierbei ſtehen zu bleiben und zu
jagen: ſo wäre e38 endlich gut, d. h. in Richtigkeit.
Durc< dieſe Beſtimmung der ZJZdee al38 formelle
Einheit, nicht al38 (materielles) hö<ſte8 Gut, iſt die
Jdee j1<arf unterſchieden von dem Traum eine3 irgend
einmal zu erreichenden Endzuſtandes allſeitiger Befriedigung
und Stillung jede8 Verlangen3, wie ihn die philoſophiſchen
Theodiceen, die religiöſen EG3<hatologien und Jozialiſti]c<hen
Utopien geträumt haben.
Die Einheit der Jdee bedeutet kein Traumbild, ſondern
eine Methode der Betrachtung3weiſe. Die vpraktiſc<e
Aufgabe, auf der nun die Zdee als EndzweE alles Wollens
hinweiſt, wird allerding38 immer empiriſch ſein, immer
in diejer Welt der Erfahrung zu löſen ſein; die Jdee ſc<reibt
vor, vom Standpunkt unſerer Gegenwart aus auf das
abſehbar Höchſte empirij<e Ziel unjer Beginnen zu
richten; aber mit dem Vorbehalt, wenn ein erhöhter Aus3-
bli wiederum größere Zwe>e über den erſt angenommenen
erkennen läßt, zu diejem größeren Zwecke uns zu erheben.
Inſofern kennt der Wille, gerade unter Leitung der Zödee,
keine lezte empiril <e Aufgabe. Aber jede neue Zwec-
jedung bekommt Einheit und Richtung: auch dieſer neue
höhere Zwe> muß geſetzt werden, um unter allen unterge-