Die ungarijche Bürgerſchule iſt in erſter Linie eine Bil-
dungsanſtalt für den geiſtig und körperlich arbeitenden Mittel-
ſtand, alſo für die Werte |chaffenden bürgerlichen Berufszweige.
Eine derartige Schuleinrichtung, die jenjeit3 der Leitha be-
reit8 praktiſch erprobt iſt, hat offenbar Dr. Fröhlich im
Auge, wenn er jc<hreibt: „Die Verhältniſſe unſerer Zeit,
namentlich diesſteigende und ſich mehr und mehr verzweigende
Kultur, die fortſchreitende Entwidlung der ſozialen Zuſtände,
die zunehmende Konkurrenz auf dem gewerblichen Gebiete
ſtellen an den Geſchäftsömann und Induſtriellen weit höhere
Anforderungen als die Vergangenheit. Jett, wo alle3 vor-
wärts ringt und drängt, kann der mittlere Bürger allein
nicht raſten und nicht ſtillſtehen ; auch er muß ſortarbeiten,
neue Quellen und neue Bahnen ſuchen, um ſeinem Geſchäfte
neuen Aufſchwung zu verleihen und nicht den Kreb8gang zu
gehen. Wodurch allein kann er dieſe Zeitforderung erfüllen
al8 durch erhöhte Intelligenz?“ Coym.
Zur Synodaiwahl. Für Herrn Paulſen!
Die in der jüngſten Verſammlung der „Geſellſchaft“ von
obigem Kandidaten abgegebene, die Entwicklung ſeiner dienſt-
lichen Anſchauungen betreffende Erklärung, die Zeugnis ab=
legte von einer großen Lauterkeit der Geſinnung, veranlaßt
den Unterzeichneten zu folgenden Ausführungen.“
I< habe in obiger Verjammlung, nachdem von anderer
Seite die viel erörterte und durch die Gehaltsregulierung
wieder friſc; genährte Frage de38 amtlichen Verhältnijes
zwiſ<en Haupt- und Klaſtenlehrern in die Debatte gezogen
war, zur Erwägung geſtellt, allenfalls einmal auf die Wahl
überhaupt oder doc< eines Hauptlehrer3 zu gunſten eines
anderen Schulleiters verzichten zu wollen. Es leitete mich
dabei die u. a. auch von der „Hamb. Schulzeitung“ in ihren
Neujahrsbetrachtungen hervorgehobene Thatjache, daß bisher
weder von der Geſamtheit der Hauptlehrer, noch von einzelnen
derjelben, und zwar jehr im Gegenſaße beiſpiel5weiſe zu dem
Vorhalten der preußit<en Volks] <ulleiter gegenüber den be
fannien Züchtigungserlaſen, irgend etwas geſchehen iſt, um
die bekannte Lage der Klaſſenlehrer zu fördern. Der Name
eines von mir bei diejer Gelegenbeit genannten Privatſchul-
vorſteher3, deſſen lebhaftes Intereſſe für alle un8 bewegenden
wichtigen Fragen, deſjen nachdrüliches Eintreten bejonders
für die Beteiligung der nächſten Intereſenten an der Schul-
verwaltung jedem Lehrer ſympathiſch jein müſen, iſt infolge-
deyen auc< in die Tagespreſje gedrungen und eine größere
Srimmenzerſplitterung wäre darum nicht ausgeſchloyſen.
I< möchte nun nach weiterer genauer ODrientierung
meine etwa in Frage kommenden Kollegen gebeten haben, es
doch noc< einmal mit einem von unſjerm Fleiſch und Blut
verjuchen zu wollen, und zwar will ich noch einmal wie in
obiger Verſammlung bereit3, wenn dajelbſt auch nur neben-
her, auf die von den Herren Henße und I. I. Scheel in
Vorſchlag gebrachte Kandidatur de3 Herrn Paulſen mit allem
Nachdrus verweiten.
Herr P. hat, no< einmal ſei'3 betont, bei der Beratung
der befannten Synodalanträge zur Bejjerunig der amtlichen
Stellung der Klaſſenlehrer von allen Schulleitern das weiteſte
En:gegenkommen gezeigt und verſpricht uns, auf dieem
Standpunkt auch in Zukunft konjequent und energiſch ver-
harren zu woJen. Er will mit aller Kraft dahinſtreben, daß
in amtlicher Beziehung die hienge Lehrerihaft aus ihrer
vorſündſlutlichen Stellung bherau3sgehoben und endlich einmal
dem Gros der Kollegenſchaft des Vaterlande3 und ſpeziell
Preußens ebenbürtig gemacht wird.
!Jh halte mich zu dieſer Veröffentlichung um 10 mehr verpflichtet,
da im früher eine Kandidatur Pauljens nicht unbekämpft gelaſen habe,
und beziehe mic<ß, was das Thatſächliche in obigen Zeilen betrifft, auf
genaue zu dieſem Zwe>e unternommene Informationen, wie auf eigene
Crfahrungen während eines häufigen Zufammenarbeitens mit Herrn P.
im Vereins: bezw. Svynodalangelegenheiten, wo fich kennen zu lernen
man mindeſtens ebenjo gut Gelegenbeit hat, wie in der eng uwmngitterten
und noc< dazu 'ganz ſchiefen Amtsſtellung, ebenſogut vielleiht auch wie
in dem Verhältnis des Schülers zum Lehrer.
Niemand wird leugnen können, daß in diefem Punkte
die Hauptbedeutung der bevorſtehenden Wahl liegt; denn über
zu geringe Bewegungsfreiheit in politiſchen und religiöſen
Dingen, hier und da draußen zuweilen die Schmerzenskinder
der Lehrer, hat der Lehrer in Hamburg ſich zu beklagen im
großen und ganzen keine Urſache.
Oder wollte gar jemand behaupten =- es hatte nämlich
den Anſchein -- die betreffende Sache ſei bereits in beſter
Ordnung. Das wäre doch ein ſchwerer Jrrtum. Wohl
wiſſen wir, daß die Handhabung der rektorialen Befugniſſe
im allgemeinen jeht eine wohlwollende, an einzelnen Stellen
jogar eine jehr wohlwollende iſt. Aber es kann über Nacht
leicht anders werden! Und wer möchte dauernd von milden
Gaben leben? Wir dürfen nicht vergeſſen, daß von einer
Kodiſizierung eines neuen Zuſtandes noch nirgends die Nede
iſt. Jetzt, da das Eiſen weich iſt, muß es geſchmiedet werden.
Alſo wählen wir Herrn P. Er nahm 1]. Z. keinen
Anſtand zu erklären, die bekannte weitgehende Freiheit der
Nolksſchulleiter bedeute wegen der ihr innewohnenden mora-
liſchen Verpflichtungen im Grunde genommen für die Inhaber
zugleich auch einen großen Zwang, und eine gleichmäßigere
Verteilung der Befugniſſe könne darum auch dieſen nur
erwünſcht fein.
Wir dürfen vertrauen, daß er in der Bebörde auch
feine Anſichten mif der erforderlichen Entſchiedenheit vertreten
wird. Auf dem Deutjc<hen Lehrertage in Stuttgart, wo der
Unterzeichnete die Stellung der hieſigen Lehrer in der Haupt-
und Klaſenlehrer-Frage vertrat, die betanntlich weit über
die der Behörde eingereichten Anträge hinausgeht , iſt es
dem Kandidaten nicht beigefommen, etwa einen andern
hamburgiſchen Standpunkt zu vertreten. Und wenn man
etwa behaupten wollte, er yätte hierbei perſönliche Rückjichten
obwalten laſſen, 10 müßte erwidert werden, daß in der
gleichzeitig verhandelten Frage de3 Einjährigendienſte8, obwohl
die einen ablehnenden Standpunkt vertretenden hamburgiſchen
Delegierten ihm perſönlich viel näher ſtanden al3 der
Unterzeichnete, er ſich feinen Augenbli> beſann, ſeinen und
vieler hieigen Lehrer entgegengejetßten poſitiven Standpankt
nachdrüdlich)t hervorzuheben. Hierbei hat ſi< =- ein unſchäß-
bares Moment in vorliegender Frage =- zugleich gezeigt,
daß der Kandidat bei einer ſachlichen Stellungnahme ſich
von per]önlichen Beziehungen nicht beeinfluſſen läßt.
Es foll ferner nicht unerwähnt bleiben, daß, wenn es
nach Herrn P. gegangen wäre, auc< die GehaltsSregutierung
für die Lehrer nicht in jene in der Motivierung no< mohr
als im Gejeß zum Ausdru> gekommene ſchrille Diſſonanz
betreſſend das Verhältnis zwiichen Haupt- und Klaſieulehrern
ausgeklungen wäre. Denn Herr P. ſtand mit hinter dem
erſten Vorſchlage der Gehalisfommiſneon --- war feogar der
Urheber desjelben -- für die Hauptlehrer eine Funktions-
zulage von lb. 1200 zu beantragen, ein Vorſchlag, der 10
wenig dem Geſchmade der privaten Hauptlehrerkonferenz
entjprach, daß infolge der weiteren Behandlung der Gehaits-
frage in dieſer exklujiven Vereinigung Herr P. ſich veranlaßt
jab, aus derjelden änszuſcheiden. Wer hätte darum wohl
etwas gegen den Kandidaten einzuwenden? Wa3 den Üus-
bau und die Vereinheitlichung des Schulweſens, 19wie die
Hineinziehung des Latienelement8 in die Schulverwaltung im
Dörpfeldichen Sinne (1. d. Antr. Rolf aus der Beratung
über das UnterrichtiSgejes) betrifft, jo wird er durch niemand
in Schatten geſtellt werden können.
Bedenken wir auch, daß ſeine Stellungnahme in allen
Fragen allgemeiner Natur, wo ja gegenwärtig unjere Seiſter
am meiſten au? einander platzen, durchweg ein vermitrtelnder
it! Welcher billig Denkende möchte denn wohl einen andern
Vertreter haben? Es kommt doch nicht darauf an, die
Lehreri<aft in Parteien immer weiter auseinander zu
treiben, jondern dur< gegenſeitiges Nachgeben dein allein
richtigen Weg der Diagonale zu finden.
Dieſen freundlich vermittelnden Standpunkt bemühte ſich
der Kandidat auc; damals einzunehmen, als in der Gehalts-