Full text: Hamburgische Schulzeitung - 8.1900 (8)

ener 
haben, da8 Kleingewerbe mit den für dasſelbe wichtigen 
Erfindungen vertraut zu machen. G38 werden von denſelben 
Prüfungen von Motoren und Beſtimmungen des Arbeits- 
verbrauchs von Werkzeugmaſchinen für ſchriftlich anjuchende 
Parteien nach einem behördlich geregelten Tarif vorgenommen, 
ſo daß die Kleingewerbetreibenden nur geprüfte und erprobte 
Arbeits3behelfe bekommen, und jene Inſtitute ſind hinſichtlich 
der Qualität und des Preiſes der zu beſchaffenden Maſchine 
beſonder3 bevorzugte Agenten, da jede Fabrik ſich beſtrebt, 
die ſorgfältigſt hergeſtellten Exemplare unter Abzug aller den 
Zwiſchenhändlern gewährten Bonifikationen zu liefern. Um 
den Gewerbetreibenden aber die Vorteile der Verwendung 
von Motoren und ſonſtigen maſchinellen Einrichtungen 
direkt vor die Augen zu führen, ſind bei den genannten 
Inſtituten ſändige Ausſtellungen techniſcher Arbeitsbehelſe 
eingerichtet, und um die Vorteile diejer Ausſtellungen auch 
den auswärts Wohnenden zu teil werden zu laßen, werden 
zeitweiſe Ausſtellungen auswärts veranſtaltet und Stipendien 
zum Beſuc< derſelben verliehen. Nach Möglichkeit findet 
während dieſer Ausſtellungen und im Anſchluß an diejelben 
einer der noch zu beſprechenden Fachkurſe ſtatt, und es wird 
danach getrachtet, die im Ort anſäſſigen Gewerbetreibenden 
zur Benutzung der ausgeſtellten Maſchinen heranzuziehen 
und zu dieſem Zwe>e Muſterwerkſtätten einzurichten. Es 
werden ferner an gewerbliche Vereinigungen Majc<hinen leih- 
weiſe oder auf Abzahlung überlaſſen. 
Die Einrichtungen werden dann durch einen behördlich 
geſtellten Werkmeiſter geleitet, der zugleich die Gewerbe 
treibenden in der Handhabung der Maſchine unterweijt. 
In vielen Fällen beruft man überdies einzelne Mitglieder 
der beteiligten Vereinigungen nac< Wien, um ſie in den 
MeiſterkurSwerkſtätten mit der Benutzung der techniſchen 
Arbeit3behelfe vertraut zu machen. 
Um die Kleingewerbetreibenden auch wirtſchaftlich zu 
organiſieren, wird auf die Errichtung gemein]chaftlicher 
Geſchäftzunternehmungen als Rohſtofflager, Verkaufshallen 
und die Einführung des gemeinſchaftlichen Maſchinenbetriebs 
und anderer Erzeugungsmethoden hingewirkt. Durch die 
Vildung ſolcher Vereinigungen kann die BetriebsSweiſe des 
Kleingewerbe38 in Bezug auf den Einkauf der Rohſtoffe, die 
Anwendung von Maſchinen und den Ankauf der Waren 
dem Großbetriede ähnlich und in vielen Fällen mit demſelben 
fonfurrenzfähig werden. In das Budget von 1898 war 
der Betrag von 40 000 fl. für die Förderung der Errichtung 
von Robhjſtoff-Magazin- und Produktivgenoſſen]<aften der 
Kleingewerbetreibenden und Arbeiter, insbejondere zur Er- 
teilung von Darlehen eingeſtellt, und es wurden bisher an 
30 Genoſſenſchaften ſolche Darlehen erteilt. 
Während bei uns in Deutſchland die Beſtrebungen zur 
Hebung de3 Handwerks bei dem Lehrling3weſen einjetßen, hat 
man in Oſterreich den umgekehrten Weg eingeſchlagen, der 
ſich notwendig aus den vorhin gekennzeichneten Beſtrebungen 
ergab. Man hat nämlich Meiſterkurje eingerichtet, deren 
Aufgabe iſt, Gewerbetreibende, welche ſchon erwerbsthätig 
find, mit der neuzeitlichen Technik im zewerblichen Klein- 
betriebe vertraut zu machen. Viele Handwerker ſind durch 
irgend welche Umſtände, vielleicht dadurc<, daß ſie einen 
nicht fehr tüchtigen Lehrmeiſter bejaßen, verhindert worden, 
jich naß allen Richtungen in ihrem Fach während der Lehr- 
zeit auszubilden. Als Geſelle hat ihnen vielleicht auch Zeit 
und Gelegenheit dazu gefehlt, und als Meiſter konnten ſie 
an ihre Weiterbildung erſt recht nicht denken, da der Kampf 
ums Daſein ihre ganze Kraft und Zeit in Anſpruch nahm. 
Dieſe Leute fühlen, daß ſie Lü>en in ihrem techniſchen Wiſſen 
haben; aber ſie können, durc< die äußern Umſtände gezwungen, 
dieſe nicht mehr ausfüllen. Wird ſolchen Leuten dann mit 
Hülfe von Stipendien Gelegenheit geboten, wieder einmal 
6--8 Wochen ſich ihrer tehniſchen Ausbildung zu widmen, 
ſo muß der Erfolg ein ſegensSreicher ſein. Da dieje Männer 
bereit3 im praktiſchen Leben geſtanden haben, ſo werden ſie 
ſchneller lernen und gute Früchte für ihr Geſchäft mit nach 
Haufe nehmen. 
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Die erſten Meiſterkurſe wurden für die Schuhmacherei 
als das in Oſterreich am ſtärkſten vertretene Erzeugungs= 
gewerbe eingerichtet und im Februar 1895 eröffnet. An ſie 
ſchließen ſich ſeit März 1896 Meiſterkurſe für Bautiſchler 
und ſeit 1897 ſolche für Männerkleiderma<her. Im Jahre 
1899 iſt ein Schloſſerkurſus eingerichtet worden. Die Kurſe 
dauern 6--8 Wochen; die Stipendien für einen ſechs- 
wöcentlichen Kurſus betragen für den Meiſter 90 fl., für 
den Gehülfen 70 fl., außerdem werden den Teilnehmern 
die Koſten für Hin- und Rüreiſe erſezt. Da die Kurſe 
von nur kurzer Dauer ſind, muß die Zeit nac Möglichkeit 
aus8genußt . werden. Daher währt der Unterricht mit kurz 
bemeſſenen Pauſen von 8 Uhr früh bis 6 Uhr abends, wo- 
bei durc<h Abwechſelung zwiſchen Werkſtättenarbeit und Vortrag 
der Ermüdung der Teilnehmer vorgebeugt werden ſoll. Die 
Sonntage werden unter Führung eine8 Faclehrers oder 
Werkmeiſter3 zu Exkurſionen nach Betriebswerkſtätten, Muſeen 
und Batten verwendet. Die Gewerdebeförderungsaktion in 
Öſterreich findet auch im Auslande Anerkennung und Nach- 
ahmung; jo hat die königlich preußiſche Regierung als Er- 
gebni8 einer vom Miniſter für Handel und Gewerbe an- 
geordneten Studienrreiſe nach Oſterreich verſchiedene Maß- 
nahmen zur Förderung des Kleingewerbes beſchloſſen. Dahin 
geht zunächſt die Vermehrung und weitere AuSgeſtaltung 
der gewerblichen Fortbildung3- und Fachſchulen, insbeſondere 
durch Einrichtung von Lehrwerkſtätten als Erjat oder Er- 
gänzung der Meiſterlehre; ferner die Ausbildung der Hand- 
werk3meiſter in Kalkulation, Buchführung und praktiſchen 
Arbeiten in Muſterwerkſtätten; dann die Veranſtaltung 
ſtändiger Ausſtellungen von muſtergültigen Arbeit3maſchinen 
und Werkzeugen; endlich die Bildung lebensfähiger Rohſtoff-, 
Werk- und Magazingenoſſenſc<haften. 
Auch unſere Vaterſtadt, die in gewerblichen Fragen 
Zet3 mit an der Spiße ſtand, wird ſich dieſen Beſtrebungen 
auf die Dauer nicht entziehen können; beſonder3 wird ſie auf 
die Einführung der obligatoriſ<en Fortbildung8i<ule mehr 
al3 je ihr Augenmerk richten müßen. KR. 
wntenraen 
Aus Hamburg. 
Der Barmbed&-Uhlenhorſter Bürgerverein von 1885 
unterzog am Freitag in einer für dieſen Zwe& angejeßten, 
über Erwarten gut beſuchten Sonderverjammlung, die vom 
Kollegen I. H. Kanne in der vorigen Sizung na<H einem 
längeren Vortrag zu dem Unterricht8gejehentwurf vorgeſchlagene 
Refolution einer eingehenden Erörterung. Nach etwa drei- 
ſtündiger Beſprechung fand ſie in folgender Fajjung ein- 
ſtimmige Annahme : 
Überzeugt von der ungeheuren Bedeutung einer gejunden 
Qrganiſation des Unterrichtsöweſen3 für da3 Volksleben hält 
der Verein in Übereinſtimmung mit früheren Bejchlüten 
nac< wie vor an der Jdee der allgemeinen Volksſchule feſt, 
für deren Verwirklichung die Beſchlußfaſſung über ein neues 
Unterricht8sgeſes nach ſeiner Anſicht kein ungeeigneter Zeitz 
punkt wäre. Sollte ſich aber keine Möglichkeit bieten, dieſen 
Schritt ſchon jezt auszuführen, ſo erjucht der Verein den 
bürgerſ<haftlihen AusSſchuß für die Bearbeitung des Unter= 
geleventwurſs, ſowie die einzelnen Vertreter der Bürger-= 
ſhaft 
A. in Bezug auf die Organiſation des Unterricht3- 
weſens dahin wirken zu wollen, daß 1. die Vorſchulen der 
höberen Staatsſ<hulen aufgehoben werden, 2. das Schulgeld 
für alle Staats8ſ<hulen abgeſchafft und die Koſten durch 
die allgemeinen Steuern gede>t werden, event. Abſtufung 
des Schulgeldes für alle Staatsſ<hulen nach einer einbeit- 
lihen Skala und Erhebung desſelben durch die Steuer- 
behörde, 3. eine Vervollſtändigung des Entwur?s dahingehend 
erfolge, daß geſetzlich verlangt werde, a. der weitere Au8bau 
der Knabenvolk8ſchule nach oben bezw. organiſche Verbindung 
derſelben mit der Realſchule, b. die Errichtung ſtaatlicher 
höherer Mädchenſchulen, die ſich organiſ< an die Volksſ<ule
	        
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