weil nicht zu rechtfertigende Übertreibung, wie denn ſchon
der Aus8druc> Kunſtgenuß berechtigte Bedenken von ſeiten des
Lehrers erregen muß, zumal wenn Otto Ernſt den Saß „Die
Kunſt ergößt den ganzen Menſchen“ neben den andern ſtellt:
„Die Wiſſenſchaft ergößt den Verſtand, ſittliche Beiſpiele und
Normen ergößen das moraliſche Gefühl.“ Wenn unjere
Erziehungsarbeit auf das „Ergößen“ hinauskommen ſollte,
wäre ſie auf Sand gebaut; Familie, Kirche und Staat ſind
auf ſittliche und rechtliche Verpflichtungen gegründet und
fordern von uns8, die Jugend ihnen einzugliedern. Will
Otto Ernſt uns „zwiſchen SinnenglüF> und Seelenfrieden“
nur die Wahl laſſen, jo kann für den Erzieher die Ent-
ſcheidung nicht ſchwer ſein; aber das iſt unjere ſeſte Über-
zeugung, daß „Seelenfrieden“ auch beſtehen kann neben dem
die Sinne erfreuenden Schönen, daß Anmut und Würde
einander ergänzen, daß neben der Erfahrung und Tugend
als der höchſten Aufgabe auc; die äſthetiſche ihren Platz
finden kann und foll.
NMaßgebliches zur Schulverſaſſung.
VI.
Georg Weit, Grundzüge der Politik (1862):
Die Erziehung und der Unterricht haben eine Bedeutung für die
Familie, den Staat, die Kirche. Die Beſtimmung derſelben ganz durch
den Staat, und die völlige Freiheit vom Staat ſind gleich wenig be-
rechtigt. =- Wenn der Staat das Bedürfnis fühlt, den Unterricht ganz
in die Hand zu nehmen, iſt es regelmäßig ein Zeichen, daß er ſich von
jeiner natürlichen Grundlage, dem Bewußtſein des Volkes, entfernt. --
Der Staat hat das Recht zu fordern, daß die Erziehung nicht ganz ver-
nachläſigt werde, daß ſie keine ihm geradezu feindliche Richtung nehme,
daß ſie gewiſſe für ſeine Aufgabe notwendige Reſultate erziele; er wird
außerdem dafür jorgen, daß beſondere Bedürfniſje, die er hat, befriedigt,
auch allgemein die nationale Bildung, Wiſſenſchaft und Kunſt ge-
fördert werde.
VIT.
Ziller, Grundlegung zur Lehre vom erziehenden Unter:
ric<t, 2. Auflage (1884):
Leider iſt in beiden Teilen, in den Lehrern wie in den Familien,
das Gefühl der Zuſammengehörigkeit durch das herrjchende Schulregiment
gar jehr geſchwächt, ja bis zu einer ver|Ihwindenden Größe herabgedrüct
worden. Während das Intereſſe der Familien an Inſtituten und Privat-
ſchulen meiſt rege iſt, iſt es für Staats- und Geſell! hafts8ſchulen, die der
natürlichen Aohängigkeit von der Familie entzogen ſind, äußerſt gering,
und es knüpft ſich höchſtens an ausgezeichnete Lehrerperjönlichkeiten.
Noch weit mehr iſt den öffentlichen Lehrern infolge der Sculverfaſjung
und des Mangels an vädagogiſcher Sinjiht das Gefühl ihrer wahren
Beziehung zu den Familien al8 den natürlichen Trägern der Scul-
intereſſen abhanden gekommen. Auf beiden Seiten ſollte aber das
Bedürfnis des Austauſches und Ausgleichens von Meinungen, Bedenken
und Wünjchen lebendig jein, beide Teile jollten regelmäßige Gelegen:
heiten begründen, wo ſie gegenſeitig von ihrem inneren Leben Kenntnis
nehmen und ihre Thätigkeit und ihre Überzeugungen in Übereinſtimmung
bringen könnten, beide Teile ſollten, wie bet der Regierung und Zucht,
jo binſichtlich des Unterrichtes teils in einzelnen Fällen, teils über ein
größeres Ganzes von Einrichtungen miteinander beraten und gemein:
jame Entſchließungen faſſen.
Berichtigung : In Nr. VI. muß es „Unmündigen“ heißen ſtatt
„Unwürdigen“.
Kant der Philojoph des Proteſtantiomus.
tan erjhrede nicht vor dem |1Ic<einbar I<wierigen
Thema. Das kleine Heft de8 Berliner Philoſophen
Friedrich Paulfen, das ich den Leſern hiermit empfehlen
möchte ?, legt in verſtändlicher und klarer Diktion Gedanken
dar, die jedem Denkenden lieb und wertvoll ſein müſſen,
weim er ſi; auf dem Boden proteſtantiſ<er Freiheit über
das Wirkliche und Wertvolle beſinnt. Erhebt uns einerſeits
der Name Kant über den Staub der Parteien des Alltags,
ſo liegen doch andererfeits die behandelten Fragen dem Ges-
wiſſen unjer aller, wel<e Wahrheit und Gewißheit juchen,
jo dringlih nahe. Es iſt ein überaus intereſjanter und
wichtiger Beitrag gegen die römiſche Gefangennahme der
Vernunſt, den uns der Verfatſer bietet.
! Paulſen, Kant der Philojoph des ProteſtantiSmus. Berlin 1899.
60 Pfennig.
ZUV
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I< jkizziere jeinen Gedankengang nicht; denn ich hoffe,
wer einen verſtändigen Bli> in das Heft wirft, wird es ganz
durchleſen. Wohl aber mögen einige allgemeine Bemerkungen
für jedermann aus dieſer echt-proteſtantiſchen Schrift hierher
geſetzt ſein.
„Die Signatur unjeres zu Ende gehenden Jahrhunderts
iſt: Glaube an die Macht, Unglaube an die Jdeen.
Am Ende des vorigen Jahrhunderts ſtand der Zeiger der
Zeit umgekehrt: der Glaube an Jdeen war allherrjc<end,
Rouſſeau, Kant, Goethe, Schiller die Großmächte der Zeit.
Heute, nach dem Scheitern der ideologiſchen Revolutionen
von 1789 und 1848, nach den Erfolgen der Machtpolitik
gilt das Stichwort vom Willen zur Macht. Der Macht
aber iſt die Tendenz zum Abſjoluti3mus eigen: Zuſammen-
faſſung der Kräfte zur mechaniſch-militäriſchen Einheit, Unter-
drückung der Individualität, das ſind die Zäge der Macht-
politif.“
„Der Mangel an einer Philojophie, an herrſchenden
Ideen im Gebiet des Denkens und Streben3, iſt die leßte
Urjache des Übergewichts, das zu Unſerer Zeit der reſtaurierte
KatholiziSmus und ſeine Denkweiſe erlangt hat. Die wiſſen-
ſchaftliche Einzelforſchung iſt dagegen wehrlo8, der Menſch
lebt nicht von dem Brot der Wiſſenſchaft allein, er lebt
von den Ideen, mit denen er die Wirklichkeit und fein Ver-
hältnis zu ihr ſich gegenſtändlich macht.“
„Der Bund des politiſchen und des kirchlichen Ab-
folutiSmus (im 16. und 17. Jahrhundert), das ſchien der
Gipfel der Weisheit. Aber die Folge zeigte e3 ander3:
nicht in der ab oluten Einheit des Willens, wo die Individuen
gehorchen und gebraucht werden Sicut cadaver, wie es die
Inſtitutionen der Geſell] <aft Jeſu mit faſt übermenſc<hlicher
Offenheit ſagen, ſondern in der Selbſtändigkeit und Selbſt-
thätigfeit der Einzelperſönlichfeit liegen die Wurzeln menſch-
licher Kraft. Der AbſfolutiSmus führte zur Lähmung, zur
Lähmung der Intelligenz, zur Lähmung des Gewiſſen3, zur
Lähmung zuletzt auch der äußeren Kraft.“
„Das Korrelat des vollkommenen Abſolutismus iſt der
Idiotizmus. J< glaube nicht, daß der JdiotiSmus ein
Prinzip des Fortſchritt3 oder eine ſiegreiche Kraft der Welt-
eroberung iſt.“ 8. B.
Aus Hamburg.
Perſonalien.
Neuanſtellungen vom 11. Juni ab:
Margartha Peterſen, interimiſtiſc<h be]<äftigt a. d. Volk3<. Roßberg 45.
Martha Rodewaldt, " „ " Poggenmühle 16.
Abgang:
Am 10. Juni verſtarb die Lehrerin
ſtädterſtraße 79.
IJ. Dahm, Volksi<ule Neu-
Veriezung: |
Interimiſtiſch bej<häftigte Hülfslehrerin D. Voller8 von der Volks-
i<ule Spitalerſtraße 26 an die Volksſchule Neuſtädterſtraße 79
Aus Altona.
Wahl. Seit ungefähr zwei Jahren gehören zwei Rektoren, einer
von der Mittel:, einer von der VolkS)<ule, als Vertreter der Lehrer)<aft
der Schulbehörde an. Der von der Mittelſchule wird von den Mittel-
ichul:, der andere von den Volksichulrektoren gewählt. Vor einigen
Tagen iſt Herr Schmarje an Stelle des verſtorbenen Rektors Tönsfeldt
von feinen Kollegen erkoren worden.
Schulhof als Spielplatz. BiSsher war der Schulhof der Yolks-
ihule an der Lagerſtraße den Schülern auc< außerhalb der Schulzeit frei:
gegeben, um dort zu ſpielen. Die Kinder haben dieje Erlaubnis jedoch
dadur& mißbraucht, daß das Schulhaus und weitere dazu gehörende
Bauten arg beſchädigt wurden. Die Folge war, daß die Schulbehörde
beſchloſſen bat, den S<ulbof mit Schluß der Schulzeit abzuſperren.
Hamb. Corr.
Pädagogiſche Rundſchau.
Der Verlauf der Deutſchen Lehrerverſammlung in Köln
iſt ein allgemein befriedigender geweſen, ſowohl hinſichtlich des feſtlichen
Teil8 wie der Arbeit8verjammlungen. Der Vortrag von Beyer, Leiter
der Leipziger Lehrerzeitung, über „Rücbli>e und Ausbli>e an der Jahr:
hundertwende“ fand großen Beifall, ebenjo der Vortrag Ottos:Charlotten:
burg über die Bedeutung einer geſteigerten Volksbildung für die