und ihr Gefolge, jondern ganz allein die heranwachſende
Generation ſelbſt, nemlich durch die That, wenn ſie heran-
gewachſen am Volksleben teilnimmt.
Daß für Privatſc<ulen die Bezirksbürger zur In-
ſpeftion kompetent ſind, geht daraus hervor, daß der
Staat von Privatſchulen (wenigſtens von ſolchen, die
auf die Etikette der Militärberechtigung aus Ueberzeugung
verzichten) nichts anderes verlangen kann al8 was (wie
oben erwähnt) im allgemeinbürgerlichen Intereſſe, ſozu-
ſagen für ſeine Selbſterhaltung vonnöten iſt. So würden
ſie auch finngemäß, wie e8 früher der Fall war, unter
die Aufficht der Sektion für das Volk8ſchulweſen gehören.
Was Privatſchulen Üüberher leiſten, iſt ein Freiwilliges,
von keiner öffentlichen Gewalt zu EGrzwingendes.
Umgekehrt aber können hamburgiſche Privatſchulen
nac<h 8 27 des Geſetzes verlangen, daß ſie eines
„cegelmäßigen“ Beſuches (meinethalben „jährlich“, wie
e8 der Behörde ſpäter, auf dem Papier wenigſtens, be-
liebt hat) durc< Deputierte der Inſpektion s8kom-
miſſion gewürdigt werden. Das iſt geſeßliche Ord-
nung und ſteht uns zu. Gewiß würden die nachdenken-
den Bürger dabei Beſtrebungen kennen lernen, die einer-
ſeit3 von pädagogiſchen Idealen getragen dem Gemein-
weſen Opfer an geiſtiger Kraft und Kapital bringen, ganz
abgeſehen davon, daß ſie ihm Ausgaben erſparen, die
anderſeits aber auch in vielen Stücken dem wirklichen
Leben und ſeinen Forderungen näher ſtehen und desShalb
dem heranwachſenden Geſchlechte Heiljameres bieten als
jenes Trachten nach den ſ|<warz-weißen Schnüren (worüber
binnen kurzem in der „Chriſtlichen Welt“ mehr zu leſen
iſt), jenes Arbeiten für Prüfungs8paraden u. dgl. m.
Geht doch ſelbſt noch in offiziellen Kreiſen bisweilen
wenigſtens die Rede um, zu pädagogiſchen Verſuchen
(ſollte heißen: zu ausfichtsvoller Förderung de8 vater-
ländi'chen Schulweſens) ſeien die Privatſchulen nüße.
Und vielleiht würden dann, wenn die geſeßlich angeord=
neten Aufſichtsbeſuche ſtattfänden, infolgedeſſen ſolche
idealen Beſtrebungen nicht bloß von der Achtung, ſondern
auF von der verdienten Liebe und Fürſorge der Bürger
des betreffenden Bezirks getragen werden, ſtatt daß man
biSher von oben her durch das bequeme, aber ſchädliche
Loämittel der Einjährigenberehtigung den erziehlichen
Verſtand der Bevölkerung verdreht und jenen anderen,
privaten Unternehmungen wieder und wieder ſogenannte
„verechtigte“ Schulen vor die Thür baut.
Zit eine derartige bürgerliche Shulaufficht und Schul-
pflege berechtigt und geſeßlich, jo fann uns mit der bloß
techniſch-theoretiſ<en, von deren Endurteilen wir nebenbei
meiſtens nichts zu hören bekommen, weil ſie hinter dem
grünen Tiſche ſte>en bleiben, in der Regel gar nichts
gedient ſein. I< will das durch ein Beiſviel erläutern.
Geſezt, Dr. Wychgram von Leipzig würde Nachfolger
des Jjezigen Schulrat8 für das höhere Unterrichtsweſen.
IH weiß nicht, ob er Anusſicht dazu hat, kann auch nichts
dafür thun. Aber ich weiß (nämlich aus einem Briefe
deSfelben an mich), daß er „durchaus fein Feind der
Privatſchulen iſt, die ihrer Aufgabe gerecht werden“ ; ich
weiß auch, daß er „weiß, daß gerade in Hamburg mehrere
re<ht gute Privatichulen ſind, wie in Bremen“. Wenn
nun ein alſo geſonnener Fachmann öffentlich in der von
mir nachgewieſenen Art über Privatſchul-Arbeit redet, *)
wie würde er --- meinethalben mit beſtem Gewiſſen --
als Schulrat am grünen Tiſche vor verſammelter Depu-=
tation fich äußern ? und wie etwa ein Schulrat, welcher
(anders al8 Dr. Wychgram) grundſäßlich dem Privatſchul-
wejen feindlich gefinnt, ſeinen amtlichen Ginfluß benutßte,
um den Privatſchulen 'den Garau8 zu machen? Fach-
männiſche. Auffaſſung auf dem verwidelten Lebensgebiet
der Schule. find überdies oft diametral einander ents-
+ beugte nh. ene ndr mn
.. we
*) Vergleiche meine Schrift? Die Rrivatichutle und Vr. Zacob
Wychgram. Hamburg 1899.
21
gegengefeßt; wie ich 3. B. Wychgräm riachgewieſen habe,
daß eine ſeiner eigenen Autoritäten da8, was er für
„ungeheuerlich“ erflärt hat, troß früher abweichender
Meinung nunmehr für das Richtige hält und tüchtige
Privatſchulen auffordert, damit voranzugehen.
- Umgefehrt: nach dem Sinne des Geſeßes ſollte von
den durch das Vertrauen der Schulſynode in die Bezirks8-
Schulfommiſſionen deputierten bewährten Lehrern (näm-
lich einem Hauptlehrer und einem Privatſchul-Vorſteher
de3 Bezirf8) in Gemeinſchaft mit den „Laien“ der Schul-
fommijſjion eine belebende, der Gigenart de8 Bezirk8 ent-
ſprechende Ginwirfung auf das Bezirksſchulwejen geübt
werden. Als Weltverbeſſerer brauchen ſie fich nicht auf-
zuſpielen; aber ſie haben denn doch auch einen pädago-
giſchen Kopf und ein Herz für die Schule, ſpeziell für die
Schule in ihrer nächſten Umgebung, und hätten es nicht
verdient, dem Sinne des Geſezes zuwider entweder auf
die Protofollführung in der Schulfommijjion oder auf
den Beiſis im Kontrollausſchuß beſchränft zu werden.
Zhre regelmäßige Mitarbeit in Gemeinſchaft der Bürger
hätte ſchon ein Menſchenalter lang vortreffliche Frucht
zeitigen fönnen, und zwar jowohl auf dem engeren Gebiete
der Schule wie im bürgerlichen oder 1ozialen Leben.
Auf das leztere fei hier zum Schluſſe noch einmal
hingewiejen. Wenn Schulinſpektion im Sinne des Ge-
jezes Schulpflege iſt, jo war bei uns bereits 1870 der
Same wichtiger ſozialer Inſtitutionen ausgeſtreut. Man
rühmt des alten Wichern praititijche LiebeSarbeit im
Gegenjaßge zu dem dogmati1ch = juriſtijchen Auſbau des
Kirchentums und ſeinem ſchablonenhaften Kultus. Aber
was iit ſIhließlich gejünder und vortrefflicher: abſichtliche
Liebesanſtalten der innern Miſſion, daneben etwa aus
fommunaler Initiative unternommene Wohlthätigfeits-
jammlungen, endlich drittens eine obrigfeitlich organijierte
allgemeine Armenpflege -- oder aber jene jelbitverſtänd=
ücße Fürjorge, die ſich ergeben muß aus einer auf ganz
natürlichem Boden erwachſenen, von verſtändiger Fürſorge
der Familie und des Bezirkes getragenen uud dody zu-
gleich feitgefügten und gefeßlich geordneten Aufficht und
Pflege der Schule? Die Einfügung eines Armenvor-
ſtehers (S 7) in die Schulfommitſion und die Grmächti-
gung des Controlausſhutjes zu Bewilligung von Scul-
geldfreiheit u. dergl. waren Züge freundlicher fozialer
Fürſorge im Geſe3, und es wird bei einigem Nachdenken
flax fein, daß fein Almoſen und keine Wohlthat dem
Empfänger weniger wehe thut und ihn weniger herab=
zieht als die den Kindern und im Intereſſe der Kinder
den Familien erwieſenen. Durch die Kinder und durch
die Schule konnten längſt in weſentlih größerem Maß-
ſtabe die bedürftigen Familien und damit das Volksleben
und die Gemeinſchaft gehoben werden. Auch manches
StüE der Frauenfrage konnte im kleinen und natürlichen
Bezirke längſt in Angriff genommen und erledigt ſein,
wenn man von der ſhon 1870 geſeglich angebotenen
Nebglichfeit Gebrauch gemacht hätte, Frauen zur Ver-
waliung der Mädchenſ<ulen heranzuziehen: ein Gedanke,
der augenbliflih in Form eines Gefezentwurfes im
Kanton Bern verhandelt wird und gleichzeitig als Petition
de3 allgemeinen Deutſhen Lehrerinnenvereins dem preuz
Büchen Kultusminiſter unterbreitet iſt.
Und nun noh einmal die leidige Angſt vor der
Sozialdemokratie. Es giebt in unſerm Geſeze
allerlet Vorbeugungsmaßregeln dagegen. So die Wahl
der Shulkommijſionen ſeitens der Bürger]<a"it (auf
Grund einer Vorſc<lagsliſte, doch der Wahlfreiheit unbe-
IFHadet); jo die Beſtätigung der Lehrerwahlen durch die
Behörde und ähnliches. Solche Riegel mögen gut jein.
Aber man überſhäße ſie nicht. Die Hauptjache bleibt
doc< Wahrhaftigkeit und Feſtigkeit der eigenen Ueberzeu-
gung, Begeiſterung für die Sache und Liebe zu den Be-
dürftigen 3; dieſe Stü>e werden etwaige ſozialdemokratiſche
Uebergriffe eher niederhalten als jene. Garnicht aber wird