vier bis fünf Minuten hatte ſich der ganze Feuerball äus dem
Waſſer gehoben. Der Morgen war wunderſchön, der tiefblaue,
wolkenloje Himmel mit der ſtrahlenden Sonne, gegen deren
Strahlen wir durch die Sonnenſegel gejhüßt waren, und
das tieſblaue Meer boten einen überwältigenden Anbli>.
Es war vollſtändig windſtill, und langſam glitt das Schiff
auf dem blauen Meeresſpiegel dahin, indem es ſich mit
jeder Minute dem afrikaniſchen Strand mehr näherte. Jedoch
nichts war vom Lande zu erbliken. Soweit das Auge ſchweifte,
nicht8 als Himmel und Waſſer. Immer und immer wieder
mußte ich die prachtvolle blaue Farbe de8 Meere3 bewundern,
das augenbli&lih ein Bild der majeſtätiſchen Rube
darbot. Den ganzen Morgen verbrachte ich auf dem Pro-
menadended. Behaglich auf eine Bank ausgeſtre>t genoß
ich die reine Seeluft und den köſtlichen Morgen. Um 11 Uhr
wurde zum Dejeuner geläutet. An meinem Tiſche ſaßen
der Fremdenführer, der Kapitän, ein franzöſiſcher Geiſtlicher
und zwei andere Franzoſen.
nach der Krankheit, die alle Paſſagiere ergriffen hatte, noch
nicht imjtande, etwas zu genießen. Er hatte den ganzen
Tag das Verde> nicht verlaſſen. Das Eſſen war aus3-
gezeichnet. C3 wurde 1. Butter, Wurſt und Radie3c<hen,
2. Fleiſ< mit Sauce, 3. italieniſche Omelette, 4. Fiſch mit
Citrone, 5. Kotelette mit Kartoffeln, 6. Käſe, 7. Früchte,
8. Kaſfſee jerviert. Dazu gab es eine große Flaſche pracht-
vollen Bordeaux, die ich nicht ganz austrinken durfte, wenn
ich nicht der deutſchen Krankheit hätte anheimfallen wollen.
Das Eſſen bekam mir ganz gut und blieb ich während der
übrigen Reije von der Seekrankheit verſchont. Am Nach-
mittag fuhren wir an den Inſeln Mallorca und Minorca
vorbei. Durch Hiſjen von Flaggen wurde dorthin mitgeteilt,
daß an der Maſchine etwas in Unordnung ſei und das
Schiff nur mit halber Kraft fahren könne. Wir brauchten
zwei volle Tage zur Überfahrt. Am nächſten Tage war
das Meer unruhiger, der Wind heftiger. Wir mußten den
ganzen Vormittag in der Kajüte bleiben. Gegen 4 Uhr
fam Algier in Sicht. Eine große, hohe, weiße Küſte bot
ſich unfern Bli>en dar. Kurz nach unſerer Einfahrt in den
Hafen war das Schiff umſchwirrt von kleinen Böten, deren
Injaſen arabiſche Laſtträger in ſonderbaren und zum Teil
jehr primitiven Kleidern waren. Zuerſt erregten dieſe wild
ausfehenden und laut ſchreienden Menſchen Unbehagen und
Furcht. Sie kamen an Bord und boten ihre Dienſte an.
Mit einem kleinen Boot fand die Ausſchiffung ſtatt.
Hoh erhebt ſich die Küſte Algier3. Nur ein ſchmaler,
ſlacher Küjienſtreifen iſt dem Felſen vorgelagert. Doch dort,
wo jich zur Zeit der arabiſchen Herrſcher ein unwirtlicher
Feljen erhob, ſind die großen Boulevard3 de la Republique
erbaut. Mächtige Bogenwölbungen ziehen am ganzen Ufer
entlang. Treppen und Fahrſtraßen führen zum Boulevard
hinauf. Oben befindet ſich eine große, prächtige Straße, die
von Paläſten flankiert wird. Mit einem Koſtenaufwande
von neun Millionen Francs hat Napoleon Ul. dieſes groß-
artige Bauwerk aufführen laſſen. Er nannte die Siraße
Boulevard de l'Imperatrice. Der Name wurde aber 1871
in den de la Republique umgeändert. Wir nahmen dicht
am Boulevard im „Grand Hötel de Gensve“ Wohnung.
Von dem Balkon meines Zimmers hatte ich einen herrlichen
Btiä auf8 Meer und den Hafen von Algier.
Diejer große Hafen hat einen Flächenraum von 95 Hektar
und ijt von ſranzöjiſchen Ingenieuren angelegt. Er iſt 12 m
tie], mit Do>38 und Baſſins verſehen und von Baſtionen
ge) <üßt. An der Weſtſeite de3 Hafens iſt ein großer Leucht-
turm erbaut, der beſonder3 die Einfahrt de3 dur< Molen
geſchüßten Hafens beleuchtet. Als ich dort war, lagen drei
ſranzöjyche Kriegsſchiffe im Hafen. Die Stadt bildet ein
ziemlich gleichſeitiges DreieF, von dem eine Seite am Meer
liegt. Die Stadt ſteigt den weißen Hügel hinan. Oben
auf der Höhe etwa in der Spitze des Dreie>s8 ſteht die
Kasba, die alte Burg der Deis. Algier hat zwei ganz
verſ<iedene Stadtteile. Der eine iſt europäiſch und breitet
Ng im Oſten und am Meer aus. Er hat breite Straßen
Der alte Herr Apotheker war -
239
und elegänte Gebäude und iſt der Siß des Handel3 und Ver-
fehrs. Der andere hingegen iſt gänzlich arabiſch und kimmt im
Weſten den Hügel hinan. Er beſteht aus einem Labyrinth
geiwundener, höchſtens 2 bis 2?/3 m breiter und mit Treppen
verſehener Gaſſen. Zu beiden Seiten erblidt man fenſter-
loje Häuſer. Vor den Thüren ſitzen, ſtehen oder liegen die
Cinwohner, die in dieſem Stadtteil faſt ausſchließlich Araber
ſind. Im Oſten liegt die Vorſtadt Js8ly und weiterhin am
Meer Muſtapha Zuferieur und darüber Muſtapha Superieur,
ein Glanzpunkt der Umgebung Algiers. Die bedeutendſte
Straße Algiers iſt der Boulevard, an welchem die palaſt-
artigen Gebäude der Bank, der Poſt, des Credit lyonnais
und verſchiedene große Hotel3 liegen. Weſtlich endet der
Boulevard auf den Place du Gouvernement, den ſchönſten
Plaz der Stadt, an welchem der Palaſt des Erzbiſchofs
liegt, welcher einer der intereſſanteſten no< vorhandenen
mauriſ<en Prachtbauten iſt. Überraſcht hat mich der
herrliche Hof mit Säulen und Portalen aus weißem Marmor.
Hinter diejem Valaſte liegt die Kathedrale St. Philippe,
die Hauptkirche Algier3. Sie iſt auf der Stelle der prächtigen
Haſſan-Moſchee errichtet. Auch das Muſeum, den ehemaligen
Balaſt des Deis Muſtapha, nahmen wir in Augen)<ein.
Sehr bemerken3wert iſt der Hof mit feinen Marmorjäulen
und arabiſchen Huſeijenbogen. Der Palaſt kann den mauriſchen
Baudenkmälern in Spanien, wie der Alhambra würdig zur
Seite geſtellt werden. Am intereſjanteſten war aber der
Bejuch der Moſchee Djama el Djedid, den wir während des
mohammedaniſ<en Gotte3dienſte3 ausführten. An der Ein-
gang3öpforte de3 großen, weißen, mit langen Arfaden und
einem hohen Minaret verjehenen Gebäudes mußten wir uns
unſerer europäij<en Fußbekleidung entledigen, die iich
wunderlich genug neben den Sandalen der Araber au3nahm.
Danach konnten wir ins Innere de3 GotteShauſe3 treten,
deſen Boden ganz mit Matten ausgelegt war, auf denen
Araber im Gebet zum Teil ho&tien, zum Teil lagen. Das
geräumige Innere war im ganzen fahl. Nur die prächtige
Marmorkanzel und der Brunnen am Eingang der Moſchee,
an welchem die Araber ihre Waſchungen vornahmen, fielen
mir auf. Angeblich ſoll dieſe Moſchee von einem genueſihen
Chriſtenyflaven erbaut worden jein, der aber die Kühnbeit,
ein mohammedaniſhes Gotte8haus in Kreuzform zu bauen,
mit dem Feuertode büßen mußte. Von der Moichee gingen
wir durch die Rue Bab el Qued an der Notre-Dame des
Victoires vorbei nach der Esplanade Bab el Qued, an
welcher der terraſjenförmige Jardin Marengo liegt. Südliche
Vegetation und herrliche Ausſicht machen den Aufenthalt zu
einem recht angenehmen. -- Abends nach de3 Tages Lait und
Mühen ſaßen wir gewöhnlicß vor einem Cafe auf dem
Boulevard oder in den Gartenanlagen des Places de la
Republique. Nach dem Diner pflegte der alte Herr immer
zu jagen: „Kommen Sie mit, a Kaiſee trinfe und a Cigar
rauche?“
Der Verkehr ijt auf dem Boulevard ein äußerſt reger.
Die Trottoir3 jind gedrängt voll von Fußgängern int deit
jeltjtamiten Toiletten. Man ſiebt bier den im eleganten
Parijer Sommeranzug gekleideten Franzoſen und den in
weißes Leinen, ſeidene Strümpfe und jeidene Jae gekleideten,
vornehmen Arader, den geſchäftigen arabiſchen Händier und
den armen, nur mit einem Sa> bekleideten arabiy Hen Hafen:
arbeiter, die vornehme Franzöjin und die züchtig bis über
die NajJenſpize verſchleierte Araberin uit ihren weiten,
Pluderhojen ähnlichen Gewändern. Schwere Laſtwagen und
elegante Equipagen beleben den Fahrdamm. Dazwilchen
rayjelt ein arabiſcher Omnidus8 vorüber, der gänzlich von
Arabern beſetzt iſt. Nicht nur der Janenraum und der Bos,
jondern auch das VerdeX iſt vollgedrängt von lärmenden
arabiſchen Arbeitern. Gelegentlich während man gemütlich
bei einer Taſſe Mokka dieſes ſeltſame Bild menſchlichen
Treibens an ſich vorüberziehen läßt, ichweift der Bli> auf
den Hafen und das weite Meer hinau8s. Wie ruhig und
majeſtätiſch liegt es da, ein Freund und auch ein Feind des
Menſchen! Aber nicht lange kann man ſich der Betrachtung