Full text: Hamburgische Schulzeitung - 8.1900 (8)

zum Ziele führen eine ſtramme abſolutiſtiſche Zentrali- 
jation mit obligatemz Aufbli& der Streber und Verkinn- 
merung der jelbſtändigen Berſönlichfeit. Vernichtung der 
Individualität iſt ja dem Bureaukratismus mit der So- 
zialdemokratie gemeinſam. Auch der Gemeinſchaft38gedanke 
fommt bei ihm zu kurz, und zwar noch mehr al3 bei den 
Sozialdemokraten. 4 ; Denn wir ſind hinſichtlich der Eltern-= 
vertretung in ganz wunderlicher Lage. Das beſtehende 
Geſeß ermöglicht ſie, unſere Lehrerſynode beantragt ſie, 
berühmte Schulmeiſter; fordern ſie, und wie bei dieſen findet 
ſie ſich auf der Liſte der ſozialdemokratiſchen Anſprüche : 
aber die Regierung bezw. Oberſchulbehörde hält ſie zurüc. 
Freilich was bei der älteren Richtung der Sozialdemokratie 
(etwa bei Gngels und Bebel) fich damit al8 unvermeid- 
liche Forderung paarte, nämlich die Auflöſung der Familie 
ſelbſt und die möglichſt frühzeitige Ablieferung der Kleinen 
an die Schulkaſernen, das werden wir mit aller Schärfe 
befämpfen, weil der Verzicht auf den Familiengedanken 
den Verzicht auf die Volk8zufunft bedeutet. Wenn es 
Dagegen unleugbar iſt, daß ſich inzwiſchen in der praktiſchen 
Agitation der Sozialdemokratie der Gedanke der Hebung 
de3 Familienlebens geltend macht, -- dann unter- 
ſc<hreiben“wir für unfern Fall, was Philipp Stein kürzlich 
in der Chriſtlichen Welt geſagt hat: „GE3 gilt nicht, die 
Sozialdemokratie zu bekämpfen, weder mit polizeilichen 
noh mit den ſogenannten geiſtigen Waffen, ſondern mit 
der Sozialdemokratie zu arbeiten.“ 
 
Anmerkung der Schriftleitung: Wir halten es mit 
Herrn Dr. Bornemann für wünſc<henswert, daß das Intereſſe der Familie 
an der Schule in aus8giebigerer Weiſe gepflegt werde, al3 es biSher 
geſchehen iſt; in den Einzelheiten ſind wir teilweiſe anderer Meinung 
al3 der Derr Verfaſſer. Eine weitere Erörterung des Thema3 „Familie 
und Scule“ ſcheint uns wünjc<hen3wert ; weitere Einſendungen zu dieſer 
Frage ſind uns daher willkommen. 
Aus Hamburg. 
Herr Bürgermeiſter Dr. Hachmann hat nun- 
mehr den Vorſit im Plenum und in den Sektionen der 
Oberſc<hulbehörde übernommen. 5 Wir begrüßen mit Freuden, 
daß Herr Bürgermeiſter Hachmann feine bewährte Thatkrafſt 
in den Dienſt unjere8 Schulweſens ſtellt und hoffen, daß es 
ihm gelingen wird, die mancherlei? j<hwebenden “Fragen auf 
dem Gebiete unſerer Schule einer gedeihlichen Löſung zuzu- 
führen; möge unter jeinem Regiment Hamburg mit einem 
neuen Schulgejeß beglü>dt werden, das Hamburgs Scul- 
wejen zu einem Vorbiide Deutſchland3 macht, das die reiche 
Handelsſtadt zur Bahnbrecherin für die allgemeine Volk3- 
ſchule und die Einheitsſchule werden läßt. 
8 % Der Verein Hamburger Volksſchullehrerinnen batte am 
12. Januar ſeinen erſten VereinSabend im neuen Jahre. Die Vorſitzende, 
Frl. de Fauquemont , eröffnete die Verſammlung :;mit einer darauf be- 
züglihen Anſprache und erteilte dann dem Redner de8 Abends, Herrn 
Harbe>, das Wort. Herr HarbeX zeigte „die Behandlung ſtot: 
ternder Schüler“ zuerſt in einer Lehrprobe, indem er mit einer 
Gruppe von zehn Knaben diejenigen Übungen vornahm, die in den Heil- 
kurjen zur Bekämpfung der Sprachgebrehen in Anwendung kommen. 
Darauf gab, der Redner in einem Vortrage „“ der zin der HamburgiſHen 
Schulzeitung veröffentlicht wird, eine Begründung und Darſtellung der 
Methode und richtete an Lehrer und Lehrerinnen einen warmen Mahnruf 
zur Unterſtüßung und Mitwirkung an den Beſtrebungen, armen Kindern, 
denen ihr Gebrechen die Jugendfreude trübt und oft die Geiſte8bildung 
verkürzt, Hife zu ſ<affen. 
Ein Wort zur Generalverſammlung der Mitglieder der 
Witwenkaſſe. In der Generalverjammlung am 10. d. M. hat die 
Wahl, eines Vorſtand8mitgliedes ſtattgefunden und " zwar * beizeiner Be: 
teiligung der Mitglicder, die geradezu beſchämend iſt, wenn man erwägt, 
daß untere Witwenkaſſe vor kurzem das 1000. Mitglied aufgenommen 
hat. Die Verſammlung wurde unter Innehaltung des akademiſchen 
Viertels um ;7"/« Uhr eröffnet. Vier Vorſtands8mitglieder 3 waren an: 
weiend. Zwei Mitglieder nahmen i die Mitteilungen des Vorſitzenden 
entgegen und vollzogen dann mit den vier Vorſtandsmitgliedern die 
Wahl. Unter ähnlichen Umſtänden erfolgte vor etwa einem Jahre die 
Wahl eines Vorſtandsmitgliedes. Id will die ſehr ernſte Seite dieter 
22 
 
„mit Damen und 1 Turnfahrt de8 „Hamburgiſ<en Gaues.“ 
Thatfache. nicht erörtern, welche Gefahren nämlic< daraus erwachſen 
können, daß die Mitglieder ſt< ihres guten Rechtes begeben : das mag 
jeder mit ſich abmachen ! Aber darauf 'will ich hinweiſen, daß ſolc<e 
Vorkommniſſe eine Rückſicht8loſigkeit dem Vorſtande gegenüber ſind, und 
daß ſie alles andere, nur nicht eine Ehrung der in dem Wahlaufſaße 
genannten PRerfonen und des gewählten Mitgliedes bedeuten. . 
Thedſen. 
Geſellſchaft der Freunde des vaterländiſchen Schul- und 
Erziehungöweſeuns. Generalverſammlung, 10. Jan. 1900 
abend8 7?/8 Uhr. Anweſend ca. 180 Mitglieder. 
Der Proponent, Herr H. Möller, eröffnet die Verfammlung mit 
einem herzlichen Glü&wunſch zum neuen Jahre. 
1. Mitteilungen. 
2a. 12 neue Mitglieder ſind dem Verein beigetreten. 
b. Die Senats8kommiſſion für die Juſtizverwaltung hat dem Verein 
Rechtsfähigkeit erteilt. 
c. Herr Möller bittet um zahlreiches Erſcheinen zum Vortrag des 
Herrn Schönfeldt am 24. Januar. 
ad. Eingegangen iſt der Jahresbericht des anhaltiſchen Lehrervereins 
und der Oberſc<ulbehörde. 
IT. Neuwahl der Kate<hismus-Kommiſſion. 
Herren Kadow, Stave, Dannmeyer, Kolt. 
IT. Die Statuten des Vereins ſind vom Vorſtand revidiert, 
werden in nächſter Zeit gedru>dt und jedem Mitgliede zugeſtellt werden. 
Änderungen ſind zu einem noh zu beſtimmenden Termin zu beantragen. 
Die Unkoſten ſollen aus dem Reſervefonds erſetzt werden. 
IV. Antrag der Herren H. Paulſen und M. Kröger. „Der Ver- 
walter des Bücherlager3 gehört jedem der 3 Aus|<hüſſe für die Verlag3- 
artifel als ſtimmberechtigtes Mitgli2zd an.“ Nach eingehender Begründung 
des Antrages dur< Herrn Paulſen wird derſelbe einſtimmig angenommen. 
V. An Stelle des Herrn Dieſel wird Herr Matth. Meyer in den 
geſhäft3führenden AuSſ<huß der hamburgiſchen Lehrerverfammlung 
ewählt. 
3 "VI. Herr Stuht berichtet über den Verkauf des „Grünen Buche8.“ 
Der Überſc<huß beträgt in dieſem Jahre 390,19 4. Da derſelbe nicht 
ausreicht, den Nachtrag herauszugeben, empfiehlt Herr Studt, den Nach- 
trag in dieſem Jahre für einen Preis von HK. 30 zu vertreiben. Die 
Verſammlung drückt der Kommiſſion zur Heraus8gabe des Lehrer- 
verzeichniſſes den Wunſch aus, dieſelbe möge, wenn es irgend möglich 
ſei, in dieſem Jahre das Buch neu herausSgeben. Schluß 8*?/s Uhr. 
Arbeits verſammlung am 10. Januar 1900. 
Vortrag de8 Herrn Göße: „Die Praxit3 des Zeichen- 
unterrichts nac< den Reformideen.“ 
Redner betont den erziehlichen Wert des Zeichnens als etne38 AuZ3- 
drucksmittels des Geiſtes. Die Reformer verlangen, daß der Zeichenunter - 
richt an die im Kinde vorhandenen Fähigkeiten anknüpfe, daß das Kind 
befähigt werde, Arm und Hand frei zu führen. Als Material benuten 
te Kreide, Kohle und Farbe, erſt zuletzt den ſpizen Bleiſtift. 
Durch zahlreich ausgeſtellte Shülerzeihnungen erläutert der Vor- 
tragende feine Ausführungen. Die ſich bis 12*/4 Uhr hinziehende Debatte 
nahm häufig einen ſcharf zugeſpißten perſönlichen Charakter an. An- 
wetend reichlich 200 Perſonen. H. E. 
Gewählt werden die 
 
Hamburger Lehrer-Turnverein. Im verſfloſjenan Jahre 
wurden 10 Turnfahrten unternommen, darunter 2 größere Tusſtüge 
n den 
Fahrten, e8 waren 2 Halbtags8-, 7 Tage3- und 1 Nachtfahrt, nahmen 
zuſammen 135 Perſonen, alfo dur<ſ<nitilich 14 -- gegen 9 des Vor- 
jahres -- teil. Die ausgeführten Fahrten entſprachen im großen und ganzen 
dem am 1. Januar 1899 veröffentlichten Plan; wo eine Abweichung 
ſtattfand, bedeutete dieſe zugleich eine Beſſerung. Kellerfeſt und Weih- 
nadts8feier zeigten in8gefamt 120 und 70 Teilnehmer. An dem letten 
Sonntagausfluge, 14. Januar, beteiligten ſich 15 Perſonen. 
H. 
Verſetzung: Hülfslebrerin Frl. C. Schulß von der Volksſ<hule 
Humboldtſtraße 30 an die Volksſ<ule Paulinenplaßz 6. 
Er 
Vom Landgebiet. 
Der Verein der Lehrer in den Walddörfern tagte am 6. ds. 
in Volk3dorf. Anweſend waren ſämtliche Miglieder. Zn den Vorſtand 
wurde für das Jahr 1900 Herr Bodendiek--Groß:Hansdorf als 1. Vor: 
ſitzender, Herr Schlüter--Wohldorf als 2. Vorſißender und Herr S<midt 
--“Farmjen als Schriftführer gewählt. - 
Herr Sclüter hielt einen Vortrag über „Das Märchen.“ 
Der Vortragende ſtellte zunächſt den Begriff Märchen feſt, wies jodann 
auf den Unterſchied zwiſchen dem Volk8- und dem Kunſtmärc<en, ſjowie 
auf den beſondern Wert beider Dihtungsarten hin. Zum Sc<luß wurde 
auf die Bedeutung des Märchens für Erziehung und Unterricht eingegangen. 
Der Verein Hamburger Landſchullcehrer hielt am Sonn: 
abend, den 13. Januar, ſeine Vierteljahr8verjammlung ab, die fehr zahl: 
reich beſucht war. Zuerſt fand eine ganze Anzahl innerer Vereinsan: 
gelegenheiten und Mitteilungen Erledigung, In den Vorſtand wurden 
die Herren Voß und von Eſſen, beide in Oblsdorf, gewählt. Der Ver- 
treter der Firma H. C. Kurz:Nürnberg, Herr Friedenberg, erſuchte er-
	        
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