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Auch ich verſuchte auf die verſchiedenſte Weiſe mein Glüd.
I< jpielte von neun bis halb elf Rouge, Noir, Paſſe,
Manque, Pair, Jmpair, Colonne, Carre utww. I< gewann
und verlor. Um halb elf hatte ich 35 Francs verloren.
Mißmutig darüber, daß ic<< in der Sc<hlußrehnung während
der ganzen Zeit nicht einmal im Gewinn geweſen war, trat
ich auf den Balkon de8 Saals hinaus. Die Luft war ſo
milde und weich. Kein Lüftchen rührte ſich. Die Natur
war ſtil und friedlich, während dadrinnen die Leidenſchaft
de3 Spiels in vielen Menjchenſeelen tobte. Der Mond
vergoß jein mildes Licht über die herrliche Landſchaft und
das weite Meer. In der Ferne jah ich Monaco liegen,
das reizvoll durch ſeine vielen, jeht im Lichte erſtrahlenden
Straßenlaternen illuminiert wurde. Nach einem Weilchen
ging ich in den Saal zurü&, um zum leßtenmal fünf Francs
zu jeden. I< legte mein Geldſtük zwiſchen 27 und 30.
Das Roulette ging. Fortuna lächelte mir und ließ die
Kugel in 30 fallen. Ich hatte das 17fac<he meines Einſaße3,
aljo 85 Francs, gewonnen. Seelenvergnügt ging ich in den
Spiegeljaal und zählte mein Geld. 35 Franc8 hatte ich
verloren, 85 Francs gewonnen, blieb als Gewinn 50 Franc.
Wie geſagt, das Glü> verläßt einen Schulmeiſter nicht. I<
hatte auf dieſe Weiſe weinen Hotelaufenthalt und die Fahrt
nach Genua frei. Es war mittlerweile 11 Uhr geworden
und die Bank wurde . geſchloſſen. Diener erſchienen mit
großen Koffern im Saal. Das Geld wurde in großen
Beuteln in die Koffer gelegt. Die letzteren wurden dann
verſiegelt und fortgetragen. Die Roulette und Tücher wurden
zujammengeſc<hlagen und gleichfalls fortgeſchafft. Al3 letter
verließ ich das Kaſinogebäude. J< hatte eben im Caſe de
Pari3, in welc<em noc< eine Zuavenkapelle konzertierte,
Plat genommen, als auch ſchon die elektriſchen Lampen vor
dem Kaſino erloſchen. Wo noch vor wenigen Minuten das regſte
Leben geherrſcht hatte, war jezt Grabesſtille eingetreten. Den
andern Morgen verbrachte ich in den ichönen Gärten des Kaſino3.
Mit dem Mittags8zuge verließ im Monte Carlo und
fuhr nach Genua, wo ich mich ungefähr zwei Tage auſbhielt.
Von hier ging e8 dann nach der ewigen Stadt, nach Rom.
Nach einem viertägigen Aufenthalte in der antiken Stadt
fuhren wir nach Florenz. Keiner kann ſich des überwältigenden
Zauber38 erwehren, den die herrliche Stadt der Mediceer
durc< ihre unvergleichlichen Kunſtſ<häße auf jeden Gebildeten
auszübt. Der Balazzo Pitti, der Palazzo degli Uſfizi, der
Giardino Boboli und der Palazzo Vecchio enthalten allein ſchon
eine Welt des größten Reichtums und des edelſten Kunſtgenu]ſes.
Von Florenz reiſten wir nac< der Lagunenſtadt Venedig.
Gegen 11 Uhr abend8 kamen wir dort an. Der Bahnhof
liegt dicht am Canal Grande. Al3 wir die Bahnhofshalle
verlaſjen hatten, ſtanden wir unmittelbar am Waſſer. Die
Wahßerſläche de3 Kanals war überſäet von Gondeln. Alle
waren mit Lampion3 verſehen. Man glaubte ſich in
einem Märchenlande aus „Tauſend und eine Nacht“ zu be-
finden. Langſan glitt unſere Gondel über die vom Mond-
Ichein beleuchtete Waſſerfläche hin. Wir verließen bald den
Kanal und fuhren in eine Seitenſtraße. Zu beiden Seiten
ſtanden hohe Häujer. Yan war in einer vollſtändigen, von
Gaslaternen beleuchteten Straße, der nur das Pflaiter fehlte.
Sobald wir um eine Ede bogen, ſtieß der Gondelier einen
Ichrilen Ton aus, um die von anderer Seite kommenden
Schiffer zu warnen. So gondelten wir ungefähr dreiviertel
Stunden durch ein Gewirr von Gäßchen zu unſerem Hotel
Bauer Grünwald. Nach zweitägigem Aufenthalte in dieſer
märchenhaften Stadt trat ich meine Heimreiſe über Mailand
und Bajel an.
Zwei Urteile der Preſſe
über die Deutſche Lehrerverſammlung zu Köln.
Die „Germauia“ ſ<hreibt über den Vortrag Beyvers:
„Offener ſind wohl no< nie die antichrijtlichen Be-
ſtrebungen des freien Deutſ<en Lehrervereins aus-
geſprochen worden. Die Kirc<e ſoll aus der Schule verbannt
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egi
werden, der <riſtliche Glaube foll den Kindern nicht
mehr verfündet werden; dieſe ſollen nur zu einer
allgemeinen menj/<lichen Sittlichfeit erzogen wer-
den, ohne einen beſtimmten Glauben an die <Hriſt-
lichen Wahrheiten. Beiſpiele aus der Vergangenheit und
Gegenwart zeigen zur Genüge, daß eine folche „dogmenloſe“
Moral, zumal bei der heranwachſenden Jugend, gleichbedeutend
iſt mit ſittlicher Verwilderung. E3 braucht wohl nicht be-
ſonder3 hervorgehoben zu werden, daß die Ausführungen
des Leipziger Lehrer3 hier in Köln in allen Kreijen peinlich
berührt und insbeſondere bei der katholiſchen Bürgerſ<aft
große Entrüſtung hervorgerufen haben. Mögen ſie wenigſtens
die gute Folge haben, daß den katholiſ<hen Lehrern über die
wahren Ziele des „freien“ Deutj<hen Lehrervereins noch mehr
die Augen geöffnet werden, und daß ſie in no< größerer
Anzahl ſich den katholiſchen Lehrervereinen anſchließen,
damit dieje mit no< größerem Nachdru die <riſtlichen
Anſchauungen über Schule und Pädagogik in der Lehrer-
ſchaft zur Geltung bringen können. E38 erſcheint dies um jo
notwendiger, als man ſich nicht verhehlen kann, daß weitere
Kreiſe der deutſchen Lehrerſchaft von ähnlichen Anſhauungen
beſeelt ſind, wie ſie in der Kölner Verſammlung wieder zu
Tage getreten ſind. Bange Sorge um die Zukunft
unjere8 deutſchen Volkes muß jeden gläubigen
Chriſten und wahren Patrioten ergreifen, wenn
man bedenkt, daß ein ſo großer Teil unjerer Jugend
von Lehrern erzogen wird, die gegen Kirc<e und
Chriſtentum [9 feindjelig geſinnt jind. So wächjt
ein glauben3lofes Geſ<lecht heran, das der Zukunft
unſeres Vaterlandes große Gefahren bringen wird.
Denn der Abfall eines Volfes vom <drijtlihen
Glauben iſt auch ein Abfall von wahrer Sittlich-
keit, Bildung und Kultur. Deshalb müſen wir wieder-
holt den dringenden Wunſc< ausſprehen, es möchte recht
bald ein <riſiliches Volk3ſc<ulgeſeß zu jtande kommen,
welches der Kir<e den notwendigen Eintluß auf
Erziehung und Unterricht in der Schule ſichert.“
Im „Vorwärts“ werden der Verlauf und das Ergebni3
der Verhandlungen in folgender Weiſe beurteilt: „Man wird
geſtehen müſſen, daß die Lehrer in ihren pflihtgemäßen An-
ſprüchen an die Schule bei weitem nicht den jozialpolitijchen
RadikaliSmu3 eine3 Peſtalozzi, des geiſtigen Schöpfers des
Volk3ſchulweſen8, erreichen, geſchweige, daß ſie [ozial-
politiſcher Einſicht zugänglich wären. Es find wohl-
wollende freiſinnige Leute, mit maßvollen, fozialreformeri)chen
Neigungen, die das Recht der Schule verſechten und nicht
völlig blind gegen die wirtſchaftlichen Urſachen der Schul-
miſere ſind.“ Zn einem ſpäter erſchienenen Artikel nnden
ſich folgende bemerken3werte Ausführungen:
„Eine mehr oberflächliche Betrachtung iſt vielleicht mit
den Reſultaten de3 pädagogiſchen Kongreſſes dur<&aus zu-
frieden, wie denn auch gern anerkannt werden ſoll, daß be-
ſonders der erſte Redner, Lehrer Bever-Leipzig, der in mehr
programmatiſcher Eröffnungsrede die „pädagogiſchen Rüdc-
bli>e und Ausblike an der Jahrhundertwende“ erörterte,
trefſlihe Worte über die Bedeutung der Schule im neuen
Jahrhundert gefunden hat. Aber in Bezug auf die eigentlichen
Beratungen kann ſich eine tiefergehende Kritik nicht der Er-
kenntnis verſchließen, daß noc einmal die alte liberale
Richtung in der Lehrerſ<haft einen Sieg über die junge,
ſozialpädagogiſc<e Strömung davon getragen hat. Die Be-
handlung des erſten Themas iſt nicht über den vielleicht
von vornherein beabſichtigten opportuniſtiſchen Zwe> hinau3-
gekommen, durc< ein zwar erfreulic< radikales und
weitgehendes Referat unddurch Annahme einer ent]prechen-
den Reſolution gegen die von Jahr zu Jahr ungenierter jich ge-
bärdende ultramontan-oſtelbiſch-reaktionäre Bildungsfeindlich-
keit zu proteſtieren. Aber Referat wie Rejolution atmen
durc<aus bürgerlich-liberalen Geiſt, der joziale Ge-
danke ſc<lägt höchſtens ein wenig in der zahmen, honetten
Form der Rikert und ſeiner Kollegen vom „Verein für
Volksbildung“ hinein.