von ſolchen und Handzeichnungen dedeutender Künttler.
Von vielen Zeichenpädagogen werden auch menſchliche Köpfe
und Figuren, Blumen, Tiere und Landſchaften als unſtatthaft
vom Zeichenunterricht ausgeſchloſſen.“ Ganz auf denſelben
Forderungen beſteht die Broſchüre „Zur Reform des Zeichen-
unterricht8“; ſie fordert, daß der Zeichenunterricht den
Schüler in die farbenreiche Natur führe. „Der Zeichenſtofſf
iſt der Umgebung des Kindes zu entnehmen, der Schüler iſt
zu befähigen, das Geſehene einfach, flar und ſauber wieder-
zugeben. Er iſt zu befähigen, des Zeichnens als einer
Sprache fich zu bedienen.“
Wenn wir mit vieler Wühe und Sorgfalt durch unſeren
Lehrgang im Zeichnen erreicht haben, daß unjere Schüler
einfache Gegenſtände ohne grobe Fehler im Umriß darſtellen
können, ſo glauben wir „Viel“ erreicht zu haben. Die
fünſtleriſche Erziehung aber verlangt, daß ſie das alles im
erſten Zeichenunterricht jofort können, ſich an alles wagen.
Dabei ſpricht Hirth immer von begabten Schülern, ſoviele
unbegabte werden wohl nicht da jein, ganz unbegabte über-
haupt nicht. So groß auch meine Hochj<häßung vor dem
Kunſtphyſiologen Hirth iſt, hierin muß ich meine Erfahrungen
ihm entgegenhalten: Es giebt unter unjeren Volksſchülern
eine große Reihe unbegabter Schüler, denen die einfachſte
Darſtellung große Schwierigkeiten macht. Welche Arbeit
allein koſtet es, ihnen die wenigen Formen der Schrift bei-
zubringen! Wieviel Zeit müßte man nun haben, um ihnen
die viel mannigfaltigeren und zahlreicheren Naturformen
beizubringen, ſie zu befähigen, das Zeichnen al3 eine Sprache
zu benußen. Ein Kind, das Sprechen lernt, fängt nicht mit
der Darſtellung von ganzen Säßen an; es probiert erſt
Laute, ſezt daraus Worte, ſchließlich, wenn ſeine Kraft
geſtärkt iſt, Säße zujammen. Nun verlangt man, ohne die
Elemente gelehrt zu haben, Darſtellung alles Geſehenen,
ſelbſt der Bewegungen. In den Skizzierübungen der Volks8-
ſchüler kann man doc< nur eine fehr ſtümperhafte Sprache
ſehen. Ein Schüler von 8--10 Jahren iſt geiſtig doc< viel
weiter entwidelt, als ſeine Karikaturen zeigen. Wieviel
Volksſchullehrer getrauen ſich, den von Hirth und Lange
vorgeſchlagenen Stoff zu bewältigen? E3 läßt ſich wohl
von einem einfachen Skizzieren, einem flüchtigen Entwerfen
al38 Vorarbeit zu einer größeren Ausführung reden; aber
das verlangte Sc<hnellſkizzieren macht manchem Künſtler noc:
zu ſ<hafſſen. Wenn wir die3 Ziel der künſtleriſchen Erziehung
erreichten, dann ſind alle Kunjtgewerbeſchulen, alle Kunjt-
akademien vollſtändig überflüſſig, dann jind alle Schüler
eben Künſtler. -- Aber die Darſtellung braucht ja gar nicht
vollfommen zu ſein. Bezeichnend in diejer Beziehung heißt
es in der Broſ<hüre „Zur Reform des Zeichenunterricht3“:
„Weil die Unbeholfenheit der Hand nicht immer zu überwinden
jein wird, werden die Leiſtungen der Schüler oft unbeholfen
und unvollfommen jein. Das Fehlerhafte wird zunächſt
überwiegen. Der Zeichenunterric<ht iſt darin den übrigen
UnterrichtSfächern glei. Begnügen wir un3 hier wie dort
zuerſt mit minder vollkommenen Leiſtungen und freuen uns,
wenn am Ende der Unterricht3bahn ein annähernd Tüchtige3
geleiſtet wird.“ -- Eine herrli<here Sanktionierung der
flüchtigen Arbeit iſt wohl noc< nie von Pädagogen feſtgelegt
worden al3 dieſe! Alſo nur friſch darauflos8 gemalt, es
wird j<on endlich zufällig etwas werden! Wenn es nur
einigermaßen ausSſieht, al3 ob e3 der vorgeſtellte Gegenſtand
ſei; es iſt ja nur eine Skizze; e8 ſoll ja nur eine Studie
ſein. Jſt e3 auch noh nicht gelungen, weg damit, etwas
Neues her! Im Gegenteil, dies ſaubere, gele>te, geſc<niegelte
Ausführen langweilt den Schüler, ödet ihn aun!! Zn jedem
Unterricht8fache verlangen wir vom Schüler, daß er die ihm
aufgetragene Arbeit ſeinen Anlagen entſprechend 1orgfältigſt,
jauber, korrekt anfertige. Wir laſſen flüchtig angefertigte,
inhaltlich fehlerhafte Arbeiten kopieren. Nur im Zeichnen
jollen wir keine ſorgfältige Arbeit verlangen dürfen?! Da
fann jeder ſchmieren, ſo viel er will! nichts gründlich,
nichts korrekt zu Ende führen. Wo bleibt hier die verlangte
gründliche Anſchauung aller Zeichenobjekte und die ſorgfältige
Verbindung der gewonnenen Bilder mit den reproduzierenden
Organen? Nun, am Ende des Unterriht8 werden wir
ſ<on unſere Künſtler malen ſehen, daß es eine Luſt iſt.
Wenn alſo Hirth verlangt, der begabte Schüler jollie, wie
er in der wohlgeſezten Mutterſprache ſeine Gedanken aus-
drüct, hier ſeine bildlichen Phantaſieen und Eindrü>e wieder-
geben, das Zeichnen ſollte ihm zu müheloſer Formenſc<rift
werden, ſo müſſen wir ſagen: Das iſt eine vollkommene
Verkennung der Anlagen und Kräfte ves Volksſchüler3.
Da3 Skizzieren als Sprache iſt Sache des fertigen Künſtler3,
nicht de8 Volksſchülers.
Daß eine richtige Beurteilung einer Sache gegründet
iſt auf die Kenntnis ihrer Herſtellung, iſt ſelbſtverſtändlich.
Ein Meiſter in feinem Fache kann eine Arbeit aus demſelben
beſſer beurteilen, als ein Nichtfachmann. Wollten wir nun
unſere Volksſchüler zu dem oben feſtgelegten Kunſtgenuß be-
fähigen, 10 müßten wir ſie nicht nur zeichnen und malen,
ſondern auch modeliieren und bilden lehren in Ton, Stein
und Erz 2c. Welche verſchiedenen Arten von Techniken
giebt e3 nun wieder in einer Darſtelungsart!? Bleiben
wir bei der graphiſchen Darſtellung! Selbſt hier iſt es
nicht möglich, alle Techniken derſelben in der Volks]chule zu
lehren! Wir müſſen zufrieden fein, wenn unſere Volksſchüier
mit dem einfachſten, leichteſten Material einigermaßen ge!<iut
arbeiten lernen. Hirth verwirft den Bleiſtift. Er ſieht den
Pinſel und die Farbe allein als das Mittel zu breiter,
koloriſtiſch-effektvoller Darſtellung an. „Ihm zunächſt kommen
Kohle und Kreideſtifte nebſt den Wiſchern, auch die Anwendung
verſchiedenfarbiger Stiſte jollte geübt werden. Es iſt auch
rätlich, dem Tonpapier den Vorzug vor dem weißen
Papier zu geben, auf erſterem ſind mit weißer und j<warzer
Kreide ſehr gute Lichtwirkungen zu erzielen. Hierher gehört
auch das Rauchbild und die Übung mit der Radiernadel,
die leichtfolorierte Federzeichnung, poly<hrome Aquarell- und
Paſtelzeichnungen.“
Mir ſ<windelt vor dieſen Forderungen. J< weiß
nicht, woher mit der Zeit in der Volksſ<ule zur Erfüllung
diejer Forderungen, woher mit den Materialen! Die muß
der Staat --! Nehmen wir es an, es geſchähe. Nun
denke man jich 50 Schüler in einer Klaſje mit je einem
Farbtopf, einem Pinſel, einem Zeichenbrett mit aufge]panntem
Bogen. Nun geht da3 Malen lo38! Ein Schlachten wär 3
zu nennen! Nicht allein da3 Papier wird vollgeklext, die
Hände, die Kleidung, das Taſchentuch; der Boden, die
Subſellien. Sin künſileriſche38 Chao3, ein Bild zum Schnell-
ſfizzieren. Die Durchführung dieſer Technik iſt in der
Volksſchule nicht möglich. Auch bei der bunten Kreide und
der Kohle finden wir dieſelbe Unſauberkeit. Bei fort:
geſchrittenen Schülern könnte vielleicht eimmal jhwarze und
weiße Kreide auf Tonpapier benutzt werden. Von den übrigen
oben angegebenen Techniken will ich nicht reden. Sie ge:
hören nicht in die Volk3ſ<ule. Bei der Anwendung der
Farbe in der Volksſchule kommt ſchlieslih wenig mehr als
ein Antönen von Flächen heraus. Wenn man ſonſt uns
allzu große Betonung der Technik vorgehalten bat, fo iſt der
künſtleriſchen Erziehung allzu große Betonung von Techniken
vorzuwerfen.
Nun zar eine Beurteilung von Kunſtwerken durch Volks8-
ſchüler vom techniſchen Standpunkt aus zu verlangen, gebt
über das Ziel der Volks|<hule weit hinaus. So muß auch
die vierte Frage unbedingt verneint werden, weil die Forde-
rungen den Anlagen und Kräften eines VolkZih<üler3 nicht
entſprechen, die Schulzeit keinen Raum dazu bietet und ie
zur Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit anleiten.
Das Ziel der fo markierten künſtleriſchen Erziehung
nach Hirth und Lange iſt für die Volk8ſ<ule zu verwerfen,
denn die Forderungen dieſer Erziehung entſprechen nicht dem
geiſtigen Standpunkt des Schülers, nicht dem ſittlichen Stand-
punkt desfelben, nicht jeinen techniſchen Fähigkeiten. Sie
enthält eine große Gefahr für ſeine Charakterbildung ; ſie
bildet nicht allgemein, jondern nur „künſtlerijc<“.