dienen, beſonder8 dem politiſch - moraliſchen Leben, joll
dieſem eine Grundlage, eine theoretiſche oder Gefühl3grund-
lage geben Schon durc< Kant wurde dieje Wendung vor-
bereitet, indem er zeigte, daß wir von tran3szendenten Dingen
nicht3 wiſſen und die religiöſen Wahrheiten nur mit dem
Gefühl erfaſſen können. Von der Kulturkampf-Zeit an bis
heute iſt an dem neuen kirc<enpolitiſchen Charakter nichts
geändert. Die kirchliche Eheſchließung wie die obligatoriſche
Taufe bleibt aufgehoben und iſt in da3 Belieben jedes Ein-
zelnen geſtellt; die Religion iſt damit zur Privat-
jache geworden. Formell find darnach die deutſchen
Staaten konfeſſion3lo8, praktiſch freilich nicht; denn durch
den Religion3untericht in der Schule jucht der Staat zur
Religion zu erziehen. Was ſein Ziel dabei iſt und jein
kann, deutet Schiller in der Glo>e an. Die Menſc<hen zu
„anften Sitten“ zu gewöhnen, iſt der hiſtoriſche Segen der
Ordnung. „Sie wob das Teuerſte der Bande, den Trieb
zum Vaterlande.“ In der Herſtellung und Aufrechterhaltung
der ſtaatlichen Ordnung wird no< von manchen die aus-
ſchließliche Aufgabe der Religion und des Religionsunter-
richte3 in Kirche und Schule geſucht. Sie lag auch darin,
bis Jeſus Chriſtus kam und die Bruder- und Vaterlands-
liebe zur allgemeinen Menſchen-, ja zur Feindesliebe erwei-
terte. Jene Ordnung und die <riſtliche Liebe wurden von
dem ewigen Gott hergeleitet, der alles ſchuf und ordnete.
Damit ſuchte die Religion nicht bloß den geſellj<haftlichen
und moraliſchen, ſondern auc<h den urſächlichen und natür-
lißen Zuſammenhang der Dinge zu erklären. „Edel jei der
Menſ<, hilfreich und gut“, das war ſchon der Kern der
älteſten Religion. Im Laufe der Jahrhunderte haben ſich
die Sitten veredelt, und die <riſtlichhe Moral iſt die höchſte
Blüte der religiöſen Entwi>kelung geworden. Lange Zeit
wurden darum als die Hauptſache des Religionsunterrichts
Glaubeus8- und Sittenlehre bezeichnet. Man bekundete damit,
daß das Höchſte, was die Religion bezwe>e, die Veredeluug
der Sitten ſei, de8 moraliſchen Verhaltens, das ſeine Be-
gründung in dem Glauben an einen Gott, an einen drei-
einigen Gott der Liebe, an eine göttliche Weltordnung
fand. War dana< die Glaubenslehre nicht Selbſtzwe> , 1o
do< die Grundlage der Sittenlehre und inſofern ein wich-
tiges Stü> derſelben. Auch heute noch bildet nichts anderes
die einzige Thätigkeit der Religion3verkünder, als dieje
Sittenlehre der Hriſtlichen Kirche derartig in3 Volk
zu bringen, daß ſie fein Denken und Handeln leitet
und beſtimmt. Den Kultus kann man daher anjehen als
die Vermittelung, die Organiſation der religiöſen Moral,
und dann kann es für den Religionslehrer keine
andere Aufgabe geben als die Einführung der Kin-
der in dieſen Kultus, al8 eine ſc<on in ſrüher Ju-
gend beginnende und dur< die ganze Schulzeit hin-
dur<gehende Seelſorge. Die „Allgemeinen Beſtimmun-
gen“ in Preußen ſuchen dieſen Zwe& zu erreichen durch
„Einführung in das Bekenntnis der Gemeinde und in das
Verſtändnis der Heiligen Schrift“, womit „eine lebendige
Anteilnahme am Leben und Gotte3dienſt der Gemeinde und
ein felbſtändiaes Leſen der Heiligen Schrift“ angebahnt wer-
den ſol. Dieſe beiden Aufgaben des Religion3unterrichts
fordern alſo Einführung in da3 religiöſe Leben der Gegen-
wart und Vergangenheit. Nun fragt e8 ſich, inwieweit
dies geſchieht und geſchehen kann nach Lage der thatjäch-
lichen Verhältniſſe. Wie bekannt, wird der Einführung in
das religiöſe Leben der Vergangenheit zu genügen gejucht
dur< den Unterricht in bibliſ<er und Kirhengeihichte, durch
Bibelkunde und Vibelleſen mit Erklärung in wöchentlich ein
bis zwei Stunden. Das dürfte völlig ausreichend jein, um
den Schülern einen Einbli> in die Kultu3-EntwiFelung der
Vergangenbeit zu gewähren. Nicht die Lehre vieler Einzel-
heiten aus dem Kultusleben kann hier die Hauptſache jein,
jondern daß da3 Weſentliche in den Mittelpunkt IJe-
itellt und Nebenſäc<hliches nur geſtreiſt oder ganz
übergangen werde. Hier ſcheint aber noch viel gefehlt
zu werden. Vom katholiſchen Ritus z. B. wird in evange-
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liſchen Schulen no< ſehr wenig vorgeführt und no< weniger
in katholiſchen vom lutheriſchen und reformierten Gottesdienſt.
Ignorieren und Verdammen aber führt bei geiſtig Unmün-
digen leißt zur Anſicht der Fehlerhaftigkeit einer kul:
turellen Einrichtung. Ein Bild vom mohammedaniſchen
Kultus orientiert nicht bloß über das Leben der Türken,
ſondern auch der Araber und der vielen Millionen, die in
dem uns jezt näher gerüc>ten ſc<warzen Erdteil in moham-
medaniſcher Weiſe beten. Und können unſere Kinder wohl
den richtigen Begriff vom Heidentum haben, wenn fie nicht
ein Bild von dem Kultus befommen, dem ungefähr no< die
Hälfte der Menſchheit huldigt, bei der das religiöſe Leben
in viel größerem Umfang mit dem ganzen ſozialen Leben
verquickt iſt al8 bei uns? Wir ſehen, hier giebt es noch
ſo manches Wichtige nachzuholen und einzuflechten, dafür
aber Veraltetes und Bedeutungsloſes auszuſcheiden ſowohl
vei der Vorführung vom Kultusleben der Vergangenheit wie
bei dem der Gegenwart. “
Der Unterricht über die Organiſation des religiöſen
Qeben3, ſobald er über „das Bekenntni8 der Gemeinde“ oder
die eigene Konfeſſion hinausgeht, findet in unſeren Volks-
ſchulen feine einheitliche und befriedigende Darſtellung, ebenſo
nicht die hiſtoriſche Entwi>kelung desſelben. Ja ſelbſt der
heimiſche Kultus wird nicht allemal genügend gelehrt. Wird
doc< von der äußeren Organiſation z. B. der preußiſchen
Landeskirhe in den preußiſchen Volksſchulen kaum ir-
gendwo etwas erwähnt, geſchweige denn eingehend behandelt.
Und doch iſt eine Orientierung über ihre Verwaltung jehr
notwendig, beſonder3 heute, wo jeder Bürger durch die
großen und kleinen Synoden teil haben kann an der Selbit-
verwaltung der Kirche und ſomit als Träger des proteſtantiſchen
Bewußtſeins an der Fortentwickelung der Kultur zu arbeiten
eine immer allgemeinere Aufgabe wird. Die Vorführung
der Kultusformen der Vergangenheit wie der Gegen-
wart im Heimat- und Auslande fordert aljo not-
wendig einige Erweiterungen im heutigen Religion3-
unterricht der Volksſchule, wenn er nicht einſfeitig
ſein ſoll. Da an eine Vermehrung der Stundenzahl für
den Neligionzunterricht nicht zu denken iſi, ſo fragt es ſich,
was au38 der altüberlieferten Stofſmenge auUS3zU-
ſcheiden iſt. Nehmen wir hier als maßgebende3s Prinzip
die alte, aber no< heute gültige Mahnung: „Bete und ar-
beite!“ ſo: fann daraus kaum etwas anderes folgen, als
Ausſcheiden alle3 deſſen, wa3 weder zum Verſtänd:
niſſe de8 Kultus noh zur Befähigung für die Teil:
nahme am gottesdienſtlichen Leben in irgend welcher
direkten Beziehung ſteht. Eine unbefangene Prüfung
muß ergeben, daß unter den altteſtamentlichen Geichichten
manche ſind, welche dieſe Ziele nicht fördern und nur für
eine ausführliche Spezialgeſhichte des jüdiſchen Volkes von
Bedeutung ſind. Die durch Weglaſſung ſolcher Stoſſe ge-
wonnene Zeit kann verwandt werden auf die zur KultuS-
lehre gehörigen StüFe des kirc<hlihen Gottesdienſtes.
Liturgie, Kirc<enlied und Bibeladvſc<hnitte, die als
Predigttext dienen. Wenn die liturgiſchen Stüre auch nicht
einzuprägen ſind, ſo iſt doM eine Vermittelung ihres
Verſtändniſſes nötig, wenn ſie nicht wirkungslos
bleiben ſollen. Letzteres Fit in gleichem Maße von den
Kirchenliedern. Dieſe laſſen ſich bei öfterer Andacht3übung
ihon durch den Geſang einprägen oder doch befeſtigen, wenn
ſie nur in ſolcher Auswahl genommen werden, als zur Er-
bauung erforderli iſt. Von dem Wichtigſten der Gottes-
dienſtordnung, den Predigttexten, können für den Schulunter-
richt nur einige Epiſteln und die wichtigſten Evangelien in
Betracht kommen, namentlich diejenigen, deren Verſtändnis
den Schülern leicht erſ<hließbar und die für ihr jpäteres
Leben von Bedeutung ſein können. Es iſt dieſer Unterricht
alſo vorwiegend aus dem Geſicht8punkte heraus zu erteilen,
daß er die Kinder einzuführen jucht in nnd jie vor-
bereiten will für das religiöſe und gottesdienſtliche
Leben der Gegeuwart. Deimſelben Zwe>e hat auch der
Katehismusunterricht zu dienen. Nicht in Vorführung und