Begründung vieler Glaubens- nnd Sittenlehren hat er ſeine
hauytjächlichſte“ Aufgabe zu erbli>en, ſondern in praktiſcher
Verwendbarkeit und der thatſächlichen Anwendung feiner
Lehren auf das Leben der Schüler in Gegenwart und Zukunft.
Betrachtet er das Zehngebot als den Grundſto> der Rechts-
geſeze aller modernen Kulturſtaaten, ſo läßt ſich von dieſer
Grundlage aus den Kindern mancherlei Kenntnis der gegen-
wärtigen Recht8ordnung vermitteln. Luthers Erklärungen
können hier treffliche Dienſte leiſten, da ſie ein ]o feine3
moraliſches Gefühl zeigen, daß ſie die heutige bürgerliche
Moral oft tief in den Schatten ſtellen. An ſie praktiſche
Geſezeskunde anzuſchließen, iſt zwe>mäßig und leicht aus-
führbar, bejonder3 beim zweiten bis ſiebenten Gebot. Wird
im Religionsunterricht auf ſolche, für das ſpätere Leben der
Schüler bedeutjame Momente ſorgſam Bedacht genommen,
jo vermag derſelbe neben ſeiner ſpeciellen Aufgabe, die
Lehre des Chriſientum38 jo ins Volk zu bringen, daß ſie ſein
Denken und Handeln leitet und beſtimmt, zugleich auch noch
ein gut Teil zur Erreichung des allgemeinen Bildungszieles
der Volksſ<hule beizutragen. Beſteht dieſes in Förderung
der allgemeinen Menſc<enbildung durch rationelle Einführung
in die Kultur der Gegenwart, ſo dürften ſich wenig andere
Unterrichtsfächer zur Erreichung desſelben ſo förderſam er-
weiſen als der Religion3unterricht, da dieſer ja die AuS2-
breitung der ſittlich - religiöſen Weltanſchauung,
aljo der höchſten Kulture rrungenſ<haft, zum Gegen-
ſtande hat.
Zur Abwehr.
In der litterariſchen Sonntag3-Beilage des „Hambur:
gijſ<en Korrejpondenten“ vom 14. Januar d. I. beſpricht
ein Herr J. S. das Buch von Max Lorenz „Die Litteratur
am Jahrhunderts-Ende“ , das u. a. eine Abhandlung über
Riliencron und Dehmel als Lyriker enthält. Bei dieſer Ge-
legenheit wendet ſich der Herr IJ. S. gegen meine Wenigkeit,
da ich Detlev v. Liliencron „in einem Blatte“ (gemeint,
aber nicht genannt iſt die Hamburgiſche Schulzeitung) „den
Scheiterhaufen errichtet“ haben ſoll. Es handelt jich um
einige Zeilen von mir in Nr. 31 des vorigen Jahrgangs der
Hamb. Sculztg., wo ich unter der Überſchrift „Zur Jugend
ſchriftenſache“ den Nachweis verſuchte, daß die vom Altonaer
Jugend] <riften-Ausſchuß getroffene Au8wahl aus Kiliencrons
Kriegs3novellen als Leſeſtoff für die Jugend nicht geeignet
jei. Z< muß mich wohl für die Auffaſſung8gabe des Herrn
I. S. micht deutlich genug ausgedrü>t haben, denn er hat
meine Abſicht leider garnicht begriffen. Es kann mir ja
micht in den Sinn kommen, Liliencron „den Scheiterhaufen
errichten“ zu wollen, da ich offen ſagte, wie wenig ich von
ihm gelejfen und mich in meiner Beurteilung auf das be-
Ichränfte, was ich wirklich kannte. Um aber zu einem Urteil
berechtigt zu erſcheinen darüber, ob ein beſtimmtes Buch als
Jugendlektüre tauge oder nicht, dazu gehört meines Ex-
achtens 1) daß man das betreffende Buch ſelbſt kenne und
2) daß man überhaupt etwas von der Jugenderziehung ver-
ſtehe. Beide Vorausſeßungen wird Herr J. S. mir nicht
beſtreiten wollen, und wenn ich aus ihnen heraus zu einem
ablehnenden Urteil gelangte, ſo ſteht es jedem frei, e8 an-
zugreifen und möglichenſal8 mit Gründen zu widerlegen.
Ernjter offener Kampf wird mir lieb ſein. Ganz ſonderbar
er) c<eint nun aber die Weiſe, wie Herr I. S. ſich gegen mich
wendet. Nac< Gründen gegen meine Anſicht ſuche ich bei
ihm vergebens. Deſto liebevoller widmet er ſich meiner
PBerjon. Zunächſt nennt er mich „eine gänzlich unbekannte
litterariſ<e Größe“. Er hat recht darin, ſehr rec<t. Nur
weiß ich nicht, was das mit meinen Anſichten über Liliencron
zu thun hat. Meines Wiſſens i<hwächt Unbekanntſein der
Berjon die Gründe nicht ab, ebenſowenig wie Bekanntſein
ne ſtärkt. Weiter ſchreibt Herr J. S. mir „naive Unſchuld“
zu und erklärt mich für eine „zart empfindende Seele“ (fühle
mich ſehr geſchmeichelt!) Er hat ſogar die Freundlichkeit,
i
mich naturgeſchichtlich ins Syſtem einzuordnen, und zwar
rechnet er mich zu den „litterariſchen Haſelſtauden“ (wiederum
ſehr gütig: wie wohlthuend ſtehen die Hajelſträucher ab
gegen die betäubenden Nachtſchatten und die jc<illernden
Giftpilze !) Man ſieht, der Herr IJ. S. beſchäftigt ſich an-
gelegentlich und gründlich mit meiner Perjon; die Sache,
um die es ſich handelt, läßt er unbeachtet! -- I< glaube
die Urſache diejes eigenartigen Vorgehen3 entde&t zu haben. -
Herr I. S. verrät nämlich, daß ihm das Gebiet, worauf
ſich meine Ausführungen bewegen, ſo ganz unbekannt
iſt. Denn er ſagt -- man höre und ſtaune --- ich trüge
den „alten befannten Schellenbaum“ voraus, daß „die Ju-
gend zum Wahren, Guten und Schönen erzogen werden“
jolle. Das klingt gerade ſo -- ich wähle mit Rü>ſicht auf
Herrn I. S. ein Beiſpiel -- als wenn jemand bei Beur-
teilung eines geometrijychen Werkes etwa jagen würde, der
Verfaſſer trüge den alten bekannten Schellenbaum der Kon-
gruenzjäße voran.
Kurz: Herr JI. S. trägt mit ſeinen Angriſen auf meine
Perjon, die der Sache und mir ja natürlich nicht im ge-
ringſten ſchaden und mich aljo kalt lajjen, leider nichts zur
Klärung der Jugendſchriften-Frage bei. Perſönliche Sticheleien
jind freilich „billig wie Brombeeren“ (wie Herr I. S. fich
geſichmadvoll auszudrücten beliebt), aber der gänzliche Mangel
an Sachlichkeit macht die große Erregung meines Gegners
erfolglos.
Beſonderen Dank |<ulde ich noch der „Pädagogiſchen
Reform“, die dur< Abdruc der betreffenden Stelle aus Herrn
IJ. S. Auffat dieſelbe in Lehrerkreijen weiter bekannt machte
und, indem ſie jich jeder Bemerkung dazu enthielt, die AuS-
ſührungen des Herrn IJ. S. in ihrer ganzen Hohlheit -- durch
Nich jelbit wirken ließ. (Die Deutung des Namens in der
Päd. Ref. will mir indes etwas gewagt er1cheinen.)
P. Hoops.
Aus Hamburg.
Ein bürgerſchaftliher Ausſ<uß berichtet über die in
AuSſicht genommene Errichtung eines 3. Gymnoſiums
bezw. einer 2. Oberrealſchule am linfen Aliierufer.
Der AuSs1<uß beantragt einſtimmig: Die Bürgerſ<aft
wolle bej<ließen, den Senat zu erjuchen, ihr
baldthunlichjt eine Vorlage betreffend die An-
gliederung von Oberreal]<ulklaſſen an eine der
auf dem linken Alſterufer beſtehenden Realichulen
au? Oſtern 1900 zugehen zu laſſen.
Die bis jetzt einzige hieſige Oberreal)hule zählt 35
Schüler und zwar in der Oſter-Oberprima 9, in der Michaelis8-
Oberprima 4, in den Unterprimen 18 und 8, in den Ober-
jekunden 24 und 23 Schüler; für die neue Oſter-Oberſekunda
liegen 38 Anmeldungen vor, 21 vom rechten und 17 vom
linken Alſterufer. „Nac< Anſicht des Ausſchuſſe3 bedarf es
feiner weitern Darlegung, daß die Schülerzabl von 38 ex-
heblich über dieienige binausgeht, die mit Erfolg in der
Oberjekunda unterrichtet werden kann. E83 zeigt ſich hiernach
als unerläßlich, daß die Errichtung einer zweiten Oberreal-
j<ule und zwar bereit3 auf Oſtern diejes Jahres in die
Wege geleitet wird.“
Ein 1c<neidiger Ausſchuß und -- geſunde Anſichten! Wir
beglüdwünſchen unſer höheres Schulweſen zu der Mitarbeit,
die ihm hier aus bürgerlichen Kreiſen zu teil wird. Sollte
es aber nicht möglich ſein, die Herren de3 Ausſchuſſes für
unjer Volksſ<hulweſen zu intereſſieren ? *? Wie würden die
Herren mit unſern Nachmittagsklaßſen umſpringen, was
würden die dazu ſagen, daß man erſte Klaſen, die nicht voll
50 Schüler zählen, auseinanderreißt und auf die umliegenden
Schulen verteilt, um einen Klaſſenraum zu. ſparen. Ja, 10
ein Ausj<uß für das Volksſchulweſen ! e3 wäre eine Freude,
ihn an der Arbeit zu ſehen. -- Vielleicht erleben wir'38 noch.
Vereinigung von Freunden der Hamburger
Zeichenmethode. GSeneralverſammlung am 17. Januar 1900.
Der Vorſitzende, Herr Böhling, teilte mit, daß ein Mitglied,