Full text: Hamburgische Schulzeitung - 8.1900 (8)

kunſtvolle Armringe, Bronzekleider/jpangen, Spuren von 
Schmieden und Gießereien -- dann ſtammen Spangen, Ringe 
und Schwerter aus -- Phönikien und Rom, die Schmieden 
aber waren im Beſiß wandernder -- Etrurier. Woher haben 
aber Kimbern und Teutonen ihre Rieſen|chwerter und ihre 
mannliche Rüſtung empfangen, die das Staunen der Römer 
wachriefen ? womit ihre ſiegreichen Schlachten geſchlagen? --- 
Solche Gelehrſamkeit gehört auf den Amboß des Schmiedes -] 
Wieland!“ 
R. Hildebrand bemerkt in jeinem Buche Vom deutſchen 
Sprachunterricht :? „Müſſen wir uns das doch von Franzoſen 
ſagen laſſen: 1'Ausländerei est encore un defant des 
Allemands.“ (Revue critique. Baris, Nov. 1878). Den 
Fremden alſo fällt unjere Auslandsvergötterung ſchon auf, 
der fremdſüchtige deutſc<e Michel kommt leider ſo oft nicht 
zur Erkenntnis ſeines Fehlers. Er liegt gern vor dem Aus8- 
lande im Staube und wirft dem Volks8genoſſen, der etwas 
lebhafter völfiſch fühlt und jein Deutſchtum hochhält und 
betont, = „Deutſchtümelei“ vor! Das iſt eines der ſchmäh- 
lichſten deutſchen Wörter, eine ſelbſteigene Beglaubigung 
unſerer Schande. Bezeichnend iſt ja da8 Geſchicht<hen, wie 
ein Engländer und ein Franzoje ſich über die Vorzüge ihres 
Volkstumes ſtreiten und j<ließlich der höfliche Franzoſe ein- 
lenfend bemerkt: Immerhin, wenn ich nicht ein Franzoſe wäre, 
möchte ich wohl ein Engländer ſein. Worauf der ſtolze Sohn 
Albion3 verſetzt: Nein, wenn ich nicht ein Engländer wäre, 
möchte ic wohl ein Engländer jein. -- Wenn ein Deutſcher 
dabei geweſen wäre, nämlich einer von der ausland8frommen 
Sorte, hätte er ſich unterthänigſjt die Erlaubnis erbeten, auch 
ein Wort ſagen zu dürfen, etwa anhebend: Die Herren werden 
gütigſt entſchuldigen, wenn meine Wenigkeit -- ic< bin ja 
freilich, leider! nur ein Mitteleuropäer --- ]o frei iſt, Ihnen 
meine höchſtgradig unmaßgebliche Meinung über die unerhört 
hervorragenden Eigen] <aften Ihrer beiden großen Nationen 
zu Unterbreiten uſw. Sicher hätte er mit keiner Silbe de3 
deutſc<en Volke3 erwähnt. -- E3 wäre zum Lachen, wenn 
e8 nicht fo ſ<hmählich wäre. Hier liegt die |<wächſte Seite 
deutſcher Eigenart. Zu allen Zeiten haben tiefer Bli&ende 
den ſchlimmen Fehler erkannt und gerügt, leider bis jeßt 
nicht mit wünſc<enswertem Erfolge; jelbſt nach der großen 
Zeit von 1864-1871 mit ihrem völkiichen Aufſchwunge iſt 
der Deutſche in ſeinen alten Fehler zurüäverfallen. Darum 
kann dieſe Shwäche nicht oft und Icharf genug gerügt werden; 
denn was dabei auf dem Spiele ſteht, iſt oben genügend 
gekennzeichnet. (Auch in rein wirt)<aftlicher Hinſicht iſt die 
Sache wichtig genug. Wie viele Millionen gehen jährlich 
ins Ausland für vermeintlich (1. o.!) beſſere, gediegenere, 
geſchmadvollere Waren, 3. B. Pariſer Bekleidung38- und 
Schmudgegenſtände!) Darum dar], wer es gut meint mit 
ſeinem Volke, nicht ablaſſen, dieje verhängni3volle völkiſ<e 
Schwäce zu bekämpfen. So ſeien hier no< einige mahnende 
Stimmen angeführt! 
KlopſtoF&s mahnt: 
„Nie war gegen das Augland 
ein anderes Land gerecht wie du. 
Sei nict allzu gerecht! Sie denken nicht edel genug, 
zu ſehen, wie ſc<ön dein Fehler ſei!“ 
Schiller: 
„Ew'ge Schmach dem deutſchen Sohne, 
der die angeborne Krone 
ieines Menſc<enadels8 ſc<mäht, 
der fich beugt vor fremden Göken“ ujw. 
Wilh. Hauff (Einleitung zu „Lichtenſtein“): „Aber wir 
haben ſc<on jeit Jahrhunderten uns angewöhnt, unter fremdem 
Himmel zu ſuchen, was bei uns ſelbſt blüht, und wie wir 
die rohen Stoffe ausführen, um ſie in anderer Form mit 
Bewunderung und Ehrfurcht als teure Kleinode wieder in 
unſere Grenzen aufzunehmen, ſo bewundern wir jedes Fremde 
und Ausländiſche, nicht, weil e8 groß oder erhaben, ſondern 
weil es nicht in unſern Thälern gewachſen iſt.“ 
Karl Simro> (Einleitung zur Überſezung der Edda):* 
: 4. Aufl. 1900. S. 47. 
2 9. Aufl. 1888. 
390 
 
.... 
„Möglich, daß wir eben darum von den nordiſchen Göttern 
nicht3 wiſſen und wijſen wollen, weil ſie die un] rigen ſind, 
denn freilich iſt das nur allzuſehr deutſcher Charakter, überall 
in der Welt, in Rom und Griechenland, in England und 
Spanien, in Arabien, Indien und China jeden Winkel zu 
durchſtöbern, ſich in jede Sagaſſe zu verrennen, und dabei 
im eigenen Hauſe wie die Blinden umherzutappen . . . . . 
Sollten wir das mit den Juden des alten Bundes gemein 
haben, daß wir vor allen Gößen des Auslande3 niederknien 
und die heimiſj<en Altäre unbekränzt laſſen? Wenn uns 
dann nur nicht der Fluch dieſes unſeligen Volkes trifft, in 
alle Welt zerſtreut zu werden und des Vaterlandes verluſtig 
zu gehen. Ein Los, das neuerdings auch ein edles europä- 
iUc<e38 Volk betroffen hat wegen eines anderen Erbfehlers3, 
der uns leider gleichfalls anhaftet, der Uneinigkeit. Dann 
wäre unjer Schidjal beklagen3werter als ſelbſt der Juden 
und Polen, denn jene erhält in der Verbannung ihre ange- 
borne Zähigkeit, dieje die Vaterlandsliebe; die Deutſchen 
aber, die ſich beider Tugenden weniger zu rühmen haben, 
würden ganz au3 der Reihe der Völker geſtrichen und ſelbſt 
ihre lezte Spur verweht werden . . . . Die Sprache wird 
mit Fremdwörtern überfüllt, die Litteratur durch Überſezungen 
aus allen Nachbarzungen beiſeite gedrängt: wäre e3 zu 
verwundern, wenn der Deutſche zulezt den Einflüſſen des 
Auslande3 erläge 2?“ 
Und ſchließlich Fritz Bley,* der in kräftigem Zorn ſchilt: 
„Iſt es denn nicht endlich genug der völkiſchen Schmach, 
der völkiſchen Selbſterniedrigung, der Schändung deutſchen 
Geiſtes dur< Frankreich, Rom, England, Slaven und Hunnen, 
der Preisgabe deutſchen Gebietes? Will man nicht endlich 
in Deutſchland verſtehen lernen, daß alles Unglü> unjerer 
Geſchichte jeit tauſend Jahren aus dem unſeligen Hange der 
Deutſchen zu weltbürgerlichen Hirngeſpinnſten gefloſſen iſt? 
Ultramontani8Smus, internationaler SozialiSmu38, Ko3mopo- 
litiömus und wie alle dieſe Fremdwörter für undeutſc<e 
Geiſte3richtungen heißen: wa3 jind ſie denn ander3, als ver- 
ſchiedene Formen dieſer verkehrten Denkrichtung, die uns dem 
Auslande 1o unverſtändlich macht 2“ 
Zur teilweiſen Erklärung = nicht Entjc<uldigung -- 
ſolcher völkiſchen Unart muß hervorgehoben werden, daß unſer 
Volk ſo ſtark wie kein anderes von ſeinen Nachbarn feindlich 
bedrängt und friedlich beeinflußt worden iſt. Unjiere Lage 
im „Herzen Europas“ hat das verurja<t. Des Scußes, 
der andern Völkern durch Abgeſchloſſenheit ihrer Grenzen zu 
teil ward, hat der Deutſche entraten müſſen. Auch ſeine 
nordiſc<en Brüder waren darin vor ihm im Vorteil. Das 
iſt jedoc< allein keine ausreichende Erklärung -- die Eigen- 
tümlichfeit de8 Volk3tum3 iſt die Hauptwurzel. 
In Zuſammenhang ſteht damit eine andere völkiſche 
Schwäche -- unſer zweiter Hauptfehler -- unſere Uneinig- 
keit, unjer Sondergeiſt und unſere Kleinſtaaterei. Mit 
mehr Recht als irgend einen Nachbarſtaat kann man dieſen 
böſen Fehler unſern Ur- und Erbfeind nennen. Denn irgend 
ein äußerer Feind wäre un3 nicht gefährlih geworden, 
wären wir nur ſteis8 einig geweſen. Ein einiges Deutſ<- 
land ward nie beſiegt. So iſt denn begreiflich, daß 
unſere Sonderbündelei von Vaterlandsfreunden jo oft aufs 
tieſſte bedauert und auf3 1<ärfſte getadelt iſt. Der Turn- 
vater Jahn ſchreibt alle Leiden, die Deutſchland betroffen 
haben, der „Land3mannſchaftſucht und Völkleinerei“ zu. 
(Jahn8 Deutſches Volk8tum, I], 11.) „Von Hermanns 
Ermordung an verfolgte uns der Fluch, daß aus Lands- 
mannſchaftjucht und Völkleinerei die Deutſchen dem aufſätig 
waren, der nur die Einheit des Volkes ahnen ließ. So 
ließen ſie die Brüder im Stich, die thatbegeiſtert ein große3 
Werk begannen.“ Jahn erinnert an die Schweizer, die 
Niederländer, die Dithmarſchen, an Brandenburg im Kampfe 
gegen Polen, Schweden, Frankreich. „Habsburger und Zollern, 
die ein und derſelbe Ho<gedanke hätte -- verbrüdern ſollen, . . 
12.a0.0.S.21,
	        
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