Full text: Hamburgische Schulzeitung - 8.1900 (8)

durchgeſehenen Verzeichniſſe wolle man bis ſpäteſtens Montag, 
den 19. ds. Mts. -an den Vorſitzenden der Kommiſſion, 
Herrn v. Borſtel, Borgfelde, Malzweg 16 1. oder an ein 
anderes Mitglied (ſ]. Nr. 6 dſ3. Bltts.) zurügeben. 
Erklärung. Von Herrn F. Walſemann iſt eine 
Drucdſchrift über „Die Lage der Mittelſ<ullehrer in Hamburg“ 
abgefaßt und verbreitet worden. Eine Fußnote auf dem 
Titelblatte läßt die Kommiſſion der Mittelſchullehrer als 
Ruftraggeber des Verfaſſers erſcheinen. Das giebt der be- 
zeichneten Kommiſſſon Veranlaſſung zu erklären, daß ſie der 
Abfaſſung jener Druſchrift durchaus fernſteht. 
IJ. A.: H. Harbe>. 
Unterricht8geſetz. (Drudfehler). Jn 8 1 heißt es 
über die Zuſammenjezung der Oberſchulbehörde, daß ihr 
u. a. angehören jollen „zwei aus der Zahl der Leiter von 
öffentlichen oder Privatſchulen erwählte Deputierte der Schul- 
jynode.“ Das Wort „oder“ fehlte in unſerer Veröffentlichung 
in der vorigen Nummer. 
Perſonalien. 
Abgang: Am DienStag, den 6. Februar, verſtarb der 
Volksſ<ullehrer H. A. Nabel I, Volksſc<hule Roßberg 45. Derſelbe 
beſuchte das Seminar zu Halberſtadt 1874/77 und war ſeit dem 1. April 
1883 im Volk8ſc<huldienſt thätig. 
Am DonnerS8tag, den 8. Februar, verſtarb der Vertrauens- 
arzt der Oberſc<ulbehörde, 3. Section, Dr. med. Leudesdorf. 
Neuanſteillung vom 12. Februar 1900 ab: Fräulein 
Cliſabeth Weymar, interimiſtiſch beſchäftigt an der Volkſchule „Bäcer- 
breitergang 72“. 
Aus Altona. 
VBlumenpflege durch Kinder. Die vorbereitenden Arbeiten 
zur Einführung der „Blumenpflege im Hauſe durch Kinder“ ſind hier 
joweit fortgeſc<ritten, daß Ende April zum erſtenmal mit der Austeilung 
ver Pflanzen begonnen werden kann. Durch die Unterſtüzung der Schul- 
behörde, die hierfür 100 4. bewilligt hat und durc< die koſtenloſe Her- 
gabe von 1300 Pflänzchen ſeitens des hieſigen Gärtnervereins Pomona, 
iſt die Beſtrebung geſichert. Gin Ausſchuß, beſtehend aus drei Lehrern 
und drei Gärtnern, wird die Sache weiter ausbauen. 
Bädagogiſ<he Rundſchau. 
Ein BundeSsgenofſſe im Kampfe für die allgemeinc Volks- 
ſchule iſt uns erſtanden in dem Rektor der techniſchen Hochſchule zu 
Berlin, dem Geb. Regierungsrat Profeſſor Riedler. In feiner hochbe- 
deutſamen Rede anläßlich der Jahrhunderifeier der genannten Scule 
führt er u. a. folgendes aus: „Die herrſchende Vorbildung iſt unge- 
eignet für die te<hnij<e Ho<ſchule und für das vielgeſtaltige Leben, un:- 
geeignet gegenüber den Aufgaben der Zukunft, insbeſondere den ſozialen. 
Dazu gehört Kenntnis des vollen Lebens, der Wirklichkeit, der Leben8- 
bedingungen der Gegenwart. Nicht ſo jehr der Inhalt der herrſchenden 
Vorbildung verdirbt Bli& und Verſtändnis der Gegenwart, jondern die 
veraltete ſ<Holaſtiſche Methode, das Wiſſen ohne Können, das Hören ohne 
Anſchauung, der Drill ohne Leben. DeS8halb iſt aum der Einfluß des 
Realgymnaſiums und der Realſchule ganz untergeordnet. An ihnen 
bherrſ<t derſelbe Geiſt, die gleiche Lehreraus8bildung. Die Schulen realer 
Richtung geben im wejqentlicßben au< keine für das Leben ausreichende 
Vorbildung; ſie beſchränken nur die Berechtigungen. Den Lehrerſtand 
an ſich trifft kein Vorwurf: er iſt über alles Lob erhaben und verdient 
für feine Aufopferung und Pflichttreue die höchſte Anerkennung. 
Die Volks8ſ<hule allein macht eine rühmliche Aus: 
nahme; ihr gebührt der hö<ſte Dank. Der allgemeinen 
Volksf<ule, der allgemeinen Wehrpflicht und der Tech- 
nik hat das Jahrhundert am meiſten zu danken.“ 
Der Redner feiert das Bemühen des Kaiſers um eine zeitgemäße 
Schulreform und beklagt den geringen Erfolg der bekannten Dezember: 
konferenz von 1890. „Diejenigen Fortſchritte, wel<he die Schulkonferenz 
brachte, ſind belanglos gegenüber den großen Beſtrebungen des Kaiſers, 
und das wenige Erreichte iſt im bisSherigen Geiſte unwirkſam geblieben. 
NaZH wie vor herr]<t das Überlieferte, herrihen die Vorrechte, herrſcht 
das Reifezeugnis von Schülern, deren Erziehung dem Leben abgewandt 
iſt, das „Reifezeugnis“ herrſcht im ganzen Staats: und öffertlichen Le- 
ben. Für das Bedürfnis der techniſchen Bildung giebt aber keine der 
jetigen Schulen „Reife“ mit auf den Weg. . 
Die allein gültige „Reife“ kann uns nicht genügen 3 daher haben 
wir die Erfahrung gemacht, daß vielfac< ſol<e Elemente, die keine übliche 
Reife haben, beſſer für das tehniſc<he Studium taugen als die „Reifen“. 
Unfere Forderung muß daher jein: Volle Reife, aber keine 
Reifebeſ<einigung, die für die überlieferten Studienrihtungen 
geſ<affen wurde, fondern Reife für unſere Richtung, ein für alle 
Richtungen gemeinſamer mehrjähriger Unterbau, in dem ſi 
die Fähigkeiten niht naw einem einzigen ſprachlichen Maßſtabe allein 
frühzertig zeigen können.“ 
 
DEX 
 
 
Jahre die Gemeindeſ<ule beſucht.) 
Einen kurzen geſchichtlichen Rücbli> ſchloß der Redner mit fol: 
genden Ausführungen: „Die Zukunft wird derjenigen Kultur gehören, 
die es verſteht, die großen ſozialen Aufgaben der Zeit zu löſen, die es 
verſteht, die von Kaijer Wilhelm dem Großen begonnene Sozialpolitik 
für alle Erwerbenden und erwerbSunfähig Gewordenen und ihre Hinter- 
bliebenen vollſtändig durchzuführen, alle Kräfte de38 Volkes nach dem 
Maß ihres Wertes zur Arbeit heranzuziehen und nach Verdienſt an den 
Grfolgen teilnehmen zu laſſen, der Kultur, welche nicht nur eine allge- 
meine Wehrpflicht, jondern auch die allgemeine Arbeitspfliht durchzu: 
führen verſteht.“ = =- -- =- =- -=- : 
„Die große ſoziale Aufgabe wird nicht in der Gelehrtenſtube, nicht 
am Konferenztiſch gelöſt werden ; nur derjenige wird zu ihrer Löſung 
beitragen, der jelbſt im ſchaffenden Leben ſteht, ſelbſt den arbeitenden 
Stand kennt, den Zujammenhang zwiſchen Arbeit und Welt verſteht. 
Bilden wir aljo Männer heran, welc<e dieſer großen Aufgabe gewachſen 
find ; dann ſehen wir an der Jahrhundertwende vertrauens8voll einer 
großen Zukunft entgegen.“ 
Das Mädc<engymnaſium in Hannover, das Oſtern dſs. I8. 
jein zweites Schuljahr beginnt, iſt dem Provinzialſ<hulkollegium der Auf: 
jicht3behörde für die Knabengymnaſien unterſtellt worden. - 
Bereinigung der Geſchlechter in der Schule. Nach einer 
in den Südweſtdeutſchen Schulblättern veröffentlichten badiſchen Mittel: 
ſchulſtatiſtif nahmen im Schuljahr 1898-99 an den Realſchulen in Em- 
mendingen, Kebl, Kenzingen und Schopfheim 90 Mädc<en, an allen zehn 
höheren Bürgerſchulen mit Realſchulen 181 Wädchen, zuſammen 271 Mäd- 
<en gemeinjam mit den Knaben am Unterricht teil. Von irgendwelchen 
„Nachteilen“ und Gefahren, die ängſtliche Gemüter von dem Zuſammen- 
jein von Knaben und Mädchen fürchten, iſt, wie die LandeSzeitung her- 
vorhebt, weder dieSmal no< in früheren Jahren etwas bemerkt worden. 
Vielfach, z. B. in den ſkandinaviſichen Staaten, wird aus derartigem 
gemeinjamen Unterricht jogar umgekehrt ein guter Einfluß auf das Be- 
nehmen der Knaben hervorgehoben. 
Direktor Moritz Kleinert. Nac< 4dijähriger reichgeſegneter 
Thätigkeit, von denen 40 Jahre auf den ſtädtiſchen Schuldienſt Dresdens8 
entfallen -- faſt 20 Jahre als Direktor der 13. Bezirk83:- und I. Bürgerſchule 
-- ſc<ied am 23. Dezember von der Stätte ſeiner lezten Wirkſamkeit Schul: 
direktor Moritz Kleinert. 23 Jahre lang leitete er die von Oberichulrat 
A. Berthelt 1848 begründete „Allgemeine Deutſche Lehrerzeitung“ mit 
großer Umſicht und vertrat thatkräftig die Intereſſen de3 deutſchen Lehrer- 
ſtandes. Auch dem engern AusSſchuß der Deutſchen Lehrerverfammlung 
gehörte er ſeit langer Zeit an. Viele Jahre hindurch war er Vorſiken: 
der de3 Redakteurverbande3. 
Die Militärpflicht der Lehrer in klerikaler Beleuchtung. 
In einer Beſprechung des Militärdienſtes für Volk8ſ<ullehrer, der dies 
Jahr zum erſtenmal nach dem neuen Geſetz erfolgt, verſtieg fich der 
Leiter eines in Kolmar exſ<einenden ultramontan:-klerikalen Blatte3 zu 
folgender Behauptung: „Das Anſehen des einjährig-freiwilligen Militär: 
dienſtes wird nun no< mehr 1<winden, wenn die in einem Lehrerjeminar 
zujammenrgeſtoppelten Kenntniſſe auf dieſelbe Stufe mit einem durch jechs- 
jährigen Bejuch einer höheren Schule erteilten Prüfungszeugnis geſtellt 
werden.“ (Gut jebrüllt, Löwe!) i 
Ein Beitrag zur Schularztfrage. In der „Vo]]. Ztg.“ 
vom 29. Dezember v. IJ. findet ſich folgende Notiz: „GCinen Beitrag zur 
Scularztfrage liefert Dr. R. Lohnſtein in der „D. Mediz. Wochenſchrift“ 
dur< die Veröffentlichung folgenden Falles: Am 25. Oktober 1899 ex- 
jbien der elfjährige Knabe E. H. in der Poliklinik für Augenkranke des 
Berliner Vereins für häusliche Geſundheit8pflege mit der Angabe, er 
hätte bis zum Herbſt die Gemeindeſ<ule in der Z . . . rſtraße bejucht; 
jeit Beginn des Winterjemeſier8 beſuche er auf Veranlaſſung des Rektors 
die Blindenſchule, weil er nach Anſicht des Sulrektors zu ſ[c<lecht ſehe, 
um dem gewöhnlichen Unterricht folgen zu können; er ſpracH den Wunſch 
aus, wieder in die Gemeindeſchule aufgenommen zu werden und ihm 
dazu behilflich zu fein. An dem Knaben war vor einigen Jahren teils 
in Unſerer Poliklinik, teil8 in der Augenabteilung: der Königlichen Charitee 
auf beiden Augen die Diskijſion wegen beiderſeitigen kongenitalen Schicht: 
ſtars gemacht worden, und zwar mit befriedigendem Erfolg; mit 
entſprechend ſtärkeren Konvergläſern iſt der Knabe im ſtande, feine 
Druckſchrift ziemlich fließend zu lejen. (Er hat jezt rund anderthalb 
Er iſt in ſeiner geiſtigen Entwickelung 
natürlich etwas zurüdgeblieben, aber keineSwegs ſf<wachſinnig. -- Der Knabe 
erhielt ein entjprechendes Atteſt, um ſeine ſofortige Entfernung aus der 
Blindenſchule -und Wiedereinſchulung in die Volksſ<hule zu bewirken. 
Auf meine Erkundigung am 12. November erfuhr iO leider, daß der 
Knabe nac< wie vor die Blindenſchule beſucht. Das ärztliche Gutachten 
wurde alſo nicht für genügend befunden, um die Entlaſjung eines jehenden 
Knaben aus der Blinden|<ule zu bewirken, wo er zum Schaden jeiner 
ohnehin j<on beeinträchtigten geiſtigen Entwidelung ſich mit der Erler: 
nung der Blindenſchrift abquälen muß. -- Es iſt alſo unter den ſc<hul- 
arztlojen Verhältniſſen in Berlin möglic<: 1. daß ein ſehender Knabe 
auf Anordnung eines Schulrektor8 ohne vorangegangene ärztlime Unter- 
ſuchung einer Blindenſ<ule überwiejen wird; 2. daß man ihn in der 
Blindenſchule ohne ärztliche Begutachtung ſofort zum Unterricht zuläßt 
und ſeine Entlaſſung von dort erſt nach Beſchreiten eines langwierigen 
Inſtanzenweges erfolgen kann.“ 
Der Fall liegt nun nach den Feſtſtellungen, die die „Deutc<he 
Sclztg.“ bringt, folgendermaßen: Am 11. September v. J. richtete die 
Mutter des Knaben EC. H., der die 153. Gemeindeſ<Hule beſuchte, an die 
Schuldeputation das Geſuch, ihren Sohn in die Blindenſ<ule aufzunehmen 
und führte ais Begründung an, daß der Knabe nur mit Hälfe der 
ſtärkſten Starbrillen leſen könne, daß er aber naß kurzem Gebrauch
	        
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