Full text: Hamburgische Schulzeitung - 8.1900 (8)

 
der Erziehung und des Lehrerſtandes. 
Schriftleitung: 
4. Struve, Hamburg-Eilbe>, 
Jungmannſtr. 21, p. 
Berausgegeben 
von Lehrern und Lehrerinnen. 
Kommiſſionär SB. Reßler, Leipzig, Seeburgſtr. 40. 
Verlag: 
Shröder & Jeve, Hamburg, 
pl. Reichenſtr. 3-11. Fſpr. 2080. 
 
Die Hamburgiſche Schulzeitung erſcheint jeden Mittwoch in einem Bogen Großquartformat zum Preiſe von 1 Mark 50 Pfg. für das Dierteljahr. 
Beilage: 
 
Die monatlich erſcheinende Jugendſchriften-Warte, Schriftleiter 5. Wolgaſt. Beſtellungen nehmen außer den Derlegern, alle 
Buchhandlungen, Zeitungsgeſchäfte und Poſtämter an. -- Beiträge ſind an die Schriftleitung, Bücher zur Beſprechung an Herrn Hauptlehrer Martens, 
Bamburg-St. Georg, Baumeiſterſtr. 8, zu ſenden. Unzeigen werden für die Petitzeile von 63 mm Breite mit 20 Pfg., Beilagen nach Übereinkunft 
berechnet. -- Poſt- Liſte Ur. 3188. -- Klagen über unpünktliche Zuſtellung find gefl. ſofort dem Derlage mitzuteilen. 
 
 
8. Jahrgang. 
Mittwoch, den 7. März 1900. 
Er. 10. 
 
 
Inhalt: „Zu zwei Gedichten" von Dr. L. Bornemann nebſt Entgegnung 
von Chr. Hamann. -- AuZ3 der Begründung des Entwurfs eines Un- 
terricht3gejeze8. -- Aus Hamburg. -- Vom Landgebiet. -- Pädago- 
giſ<e Rundſ<au. -- Vom Büchermarkt. -- VereinZ - Anzeiger. -- 
Briefkaſten. 
 
Zu zwei Gedichten *) 
find in Nr. 7 dieſer Schulzeitung einige Bemerkungen ge- 
macht. Wer die ideale Geſinnung des Kollegen nicht kennt, 
au3 deſſen Feder jene Bemerkungen ſtammen, der könnte ihn 
dahin mißverſtehen, als ſchäßte er die Rücſicht auf die „Be- 
hörde“ und auf die Witwenkaſſe“, mithin ein „ſtark perſön- 
liches Intereſſe“ weit höher als Wahrheit und Schönheit. 
Gemeint hat er natürlich nur, daß grobe Mißgriſſe bei der 
Umarbeitung des Lejebuche3 auch äußerlich böje Folgen haben 
könnten. Glülicherweiſe darf die „Litterariſche Kommiſſion“ 
ſolche realen Erwägungen der Leſevuchkommiſſion überlaſſen, 
in deren Dienſt ſie einen großen Teil ihrer Zeit und Arbeit 
geſtellt hat, um für ſie geſichtete3 Material und kritiſche Über- 
legungen bereitzuſtellen. Sie jelber darf frei und froh ihren 
litterariſ<en, idealen Überlegungen nachgehen und iſt nebenbei 
gewiß von der Überzeugung erfüllt, daß wirklich Gute8 und 
Echtes ſicß ſogar troß derlei „realer“ Bedenken Bahn 
brechen werde. 
Aber gerade das bezweifelt der verehrte Kollege an 
einem greifbaren Beiſpiele und wendet ſich an das Urteil 
der Leſer, damit „jeder ſelbſt entſ<eide“, ob der ſpezielle 
Vorſchlag der L. K. beſſer ſei al38 das „Bewährte“. 
Die Streitfrage iſt von Intereſſe und ich trete gern in 
ſie ein, ohne die Gründe der L. K. für das Gedicht vom 
„gleitenden Purpur“ zu kennen (i<ß war in der bezüglichen 
Sißung abweſend). Erwünſchter freilich wäre e8 mir, wenn 
Chr. Hamann ſeine ohne Zweifel wohl erwogenen Bedenken 
im einzelnen vorgetragen hätte. Ob ich dagegen jeht, wo 
ne nicht bekannt gegeben find, ohne weiteres hoffen darf, ihn 
jelbſt und den größeren Teil der Leſer für meine gegenteilige 
Anſicht zu gewinnen, das ſteht dahin. 
Nur beiläufig jei erwähnt, daß Dr. Alfred Pul3, der in 
ſeiner trefflichen Gedichtſammlung von 1895 das Mühlerj<e 
Gedicht bot, bereit3 1897 in der Neubearbeitung ſich zu 
€. F. Metver bekehrt hat. Aber die Gedichte jelber, nicht 
irgendwelche Autoritäten, ſollen abgewogen werden, und da 
iſt meine Theſe, daß Mühler3 Bearbeitung des Stoffe3 zwar 
nicht ſchlecht ſei, aber doch geringerwertig als die Meyerſc<e. 
.*) Die gleichzeitige Veröffentlihung der Ausführungen der Heren 
Dr. Bornemann und Chr. Hamann erfolgt mit Zuſämmung diejer Herren. 
Die Schriftleitung. 
 
Altbekannte Leſebuchpoeme, ſelbſt ſolche erſten Ranges, 
ſtehen in ungleicher Gunſt: den einen ſind ſie werte Freunde, 
die ſie ungern miſſen, für andere Leſer aber haben ſie jeg- 
lichen Schmelz verloren. Beide Empfindungen können zu 
unberechtigtem Urteil führen. In unſerm Falle aber dürfte 
vielleicht die bekannte Eintönigkeit der von Mühler gewählten 
Strophenform eine gewiſſe Abneigung noch erklärlicher machen, 
während umgekehrt freilich die den deutjchen Wortbildungen 
ungewohnten Trochäen des Meyerſchen Gedichts, j0 wuchtig 
und lebhaft fie ſind, einem gleichmäßigen (leicht gedanken- 
loſen!) Herunterlejen Schwierigkeiten bereiten. 
Aber wenden wir uns zum Inhalt. Vielleicht dürfen 
“ wir dieſen zuſammenfaſſen, indem wir ſtatt der zu allgemeinen 
Überſchrift Mühler3 und ſtatt der ſ<arf auf die Pointe zu- 
geſpißten bei Meyer etwa folgende Ausdrü>e wählen: Mühler 
erzähle den Steg des Bibelworte3 über den Löwen- 
ſinn Ottos 1., Meyec ader 1childere die Weihna<t3- 
ſpende des Kaiſer3 an ſeinen ſündigen Bruder. 
Haben wir damit einigermaßen den Kern getroffen, jo tritt 
ſofort ins Licht, was ſi<ß im einzelnen nunmehr nac<ßweijen 
läßt, daß die letztere Kompoſition ſtraffer und einheitlicher it. 
Erſtens: Weihnacht (oder wie Mühler das Wort ge- 
zwungen dehnt: „Weihenacht“) tritt im Gedicht A am Anfange 
wie am Ende markiert heraus, in zwei immerhin etwas 
matten und alltäglichen Wendungen („Voll Andacht zu be- 
gehen“ und „Nie ſchöner ward begangen“); aber die ganze 
übrige Erzählung könnte bei jeglichem anderen Mitternacht3- 
gotte3dienſte ebenſo gut vorgefallen ſein al3 gerade zu Weih- 
nachten. Und wollte jemand einwerfen, die Petrus8ge]hichte 
(beiläufig : mit der unbeholfenen Wendung „genügt ich hab'“) 
paſſe do< gerade auf Weihnachten al38 das Feſt der Sünden- 
vergebung, ſo iſt die Erwiderung leicht bei der Hand, daß 
einerſeit3 jede3 Meßopfer mit Sündenvergebung verbunden, 
anderſeit3 aber das menſ<lich-niedrige Kalkül de8 Petrus 
mit der göttlichen Weihnacht3botſ<aft do<& ſehr |<wer in 
gute Raijon zu bringen iſt. Dagegen wird da38 Gedicht B 
ganz und gar von der Weihnacht beherrſc<t, und der alte 
Heil- und Freudenruf „Eia“ (nicht etwa eia-popeia, jondern 
wie im Weihnachts8liede „Nun jinget und ſeid froh“ die 
Worte „Eia, wär'n wir da!“) klingt überall an unſer Ohr, 
im zweimal wiederholten Geſange der Chorknaben, in den 
die Bitte Heinrichs tiefbegründenden Shlußworten (Spalte 52 
der Schulzeitung muß man leſen: „Heute wird der Welt 
das Heil geboren“), die von dem Chor der Bettler weiter- 
hin aufgenommen werden, und endlich in dem forthallenden 
Liede, das „Erd* und Himmelreich“ anſtimmen. Endlich 
trägt die Jdee der Bettler)pende in der kalten heil'gen Weih- 
nacht die Entwi>lung des Ganzen einbeitlich.
	        
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