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Allein es liegt mir ſern, alle Schuld auf die heutige
Familie zu wälzen. Die Schule ſelber hat ſich der
Familie entfremdet, unjer Staatsbetrieb hat die Familie
entmündigt, er hat ſie in läſſige Bequemlichkeit verſenkt.
Zu feierlichen Aufzügen lädt man ſie ein, für Nachhülfe
wird ſie mißbraucht, bei geknicten Hoffnungen drängt ſie
fich heran. E83 iſt wirklich nicht ihre Schuld, wenn ſie
nur noch bei beſtimmten Ginwirkungen zuckt wie ber ge-
föpfte Froſh. Auch hält das Gezänk der politiſchen
Parteien. den geſunden Volksverſtand in Bandeu, und
Bureaukraten aller Art haben da8 bepormundete Volk
in Schulfachen lernunluſtig gemacht.
Im Grunde freilich iſt die Mitwirkung der Familie
in der Schulverwaltung, wie alle wahrhaftige Fürſorge
für die Kinder, einfaeh und leicht. Nicht techniſche
Schulung thut es, ſondern das warme Herz für die liebe
Schule, geſunder Menſchenverſtand, offene Augen und
eine ſittlich-ernſte Geſinnung. Oft ſind einfache Hand-
werter und Bauern ſachkundiger und ſc<harfſfichtiger al3
Beamte, Abgeordnete, Kreisſchulinſpektoren und Geiſtliche.
Wenn nur im Schulauſbau ſelbſt der Zuſammenhang der
Familie und damit das gemeinjame Intereſſe gewahrt
bliebe: wenn die Geſchwiſter verſchiedenen Geſchlechtes
nicht unnatürlich früh voneinander geriſſen, und wenn
der höherſtrebende Teil der Jugend durch Vermehrung
einheitlicher Mittelſchulen möglichſt lange dem Eltern-
hauje erhalten würde! Aber das ſind weitergreifende
Fragen der Schulverfaſſung; Hauptſache bleibt die thätige
Mitwirkung der Familie im kleinſten Schulkreiſe und
die Anſtrengung aller Einſichtigen, ſie zu dieſer Mitwir-
fung nach Möglichkeit zu befähigen. Beides greift in-
einander; denn wenn es wahr iſt, daß wir Eltern, unjfere
Kinder erziehend, durch ſie zum zweiten Mal erzogen
werden, jo iſt es auch unbeſtreitbar, daß die Mitwirkung
der Familie am Schulleben fie ſelber fördern und heben
muß, und fein Angſtgeſ<rei vor ſozialdemokratiſchen
Vebergriffen joll uns hindern, den ſozialdemokratiſchen
Vater als Vertreter feiner Kinder zu Wort kommen zu laſſen.
Der Staat wird nicht ſchlecht dabei fahren. Rechte
Tamilienvertretung kann das öffentliche Leben und das
Gemeinweſen nur fördern; denn die Familie ſelber iſt
nicht auf Vereinzelung, ſondern auf Gemeinſchaft gebaut.
Genau wie Bi8mar> das möglichſt hohe Maß von Feſtig-
keit für die Regierung fordert, damit den Einzelnen das
höchſte Maß der Freiheit eingeräumt werden könne, ge-
radejo betont Dörpfeld, daß ein Schulregiment, welches
die Jamilienhaftigkeit der Schule anerkenne, keine8weg8
laxer zu fein brauche al38 das bisherige; aber e38 müſſe
naturgemäßer, zarter, - geiſtlicher werden. Der Geiſt der
Autorität und Pietät, in der Familie genährt, thut
unſerm Volks8leben not 3; zugleich aber wird aus der frei-
heitlichen Verſelbſtändigung der Familien und JFamilien=
verbände ein lebendigerer Sinn für Volksfragen, eine
geſteigerte Unternehmungsluſt, ein geſchärftes öffentliches
Gewiſſen hervorgehen. Auch an die Beamten wird das
Selbſtverwaltung3prinzip andere, höhere Aufgaben ſtellen,
und neben der dazu erforderlichen höheren Intelligenz
werden fich eine ganze Reihe von Charaktereigenſchaften
mit Glüd geltend machen, die, wie Dörpfeld bemerkt,
freilich im Staat3examen nicht konſtatiert werden können,
als da ſind Beſonnenzeit, Verträglichkeit, Sanftmut, Demut.
Die Schule aber, dem politiſchen Wirrwarr ent-
riſſen, wird dann jene Stille und Wärme wiederfinden,
„die zur Erziehung ebenſo notwendig ſind wie zum
Brüten“. Statt des Schubladenſyſtems von Statiſtik
uud Verwaltuna, nach welchem, wie Riehl fich ausdrüct,
die mechaniſche: Abminiſtrationsſchulmeiſter unſerer Zeit
regieren, wird in die Schule der Liebe einziehen, die
Gliernliebe -- denn die Schule lebt nicht vom Recht
allein ---3; Friede und Verſtändigung werden ſich an-
bahnen, wo jeßt Drill und Konkurrenzkampf toben, und
auc<h die Maßnahmen und Ratſ<läge der regulierenden
Gina
Behörden werden das Vertrauen finden, das zu einem
guten Erfolge nötig iſt. Ferner wird unter dem Gin-
fluſſe der GElternliebe die Schule mehr Bli> für die
Schwachen gewinnen; man wird aufhören, nur diejenigen
hervorzuziehen, die viel Oberfläche zeigen. Indeſſen auch
die Begabte werden beſſer fahren als heute, wo ſie
notorijch durch die allgemeinen Reglement3 gehemmt
ſind; ſollte nicht in denſelben Kreiten, wo man für die
Schwachen den Bli geſchärft hat, auc<ß beſſeres Ver-
ſtändnis ſein für die dankbarere Aufgabe, den* Begabten
beizuſpringen? Aber nicht mehr wird das Wiſſensziel
im Vordergrunde ſtehen, ſondern der ganze Menſch, die
Perſönlichkeit des Kindes, die von der Familie mit ganzer,
einheitlicher Liebe umfaßt wird; und mit beſonderem
Ingrimm wird man von einer pädagogiſchen Großwirt-
ſchaft vergangener Tage erzählen, welche ein oder zwei
Dutzend Klaſfen zu einem Schulſyſtem vereinigte und
dann den Leuten weis machen wollte, daß in ſolchen
Schulkajernen der pädagogiſche Fortſchritt zuhaufe ſei,
als würde die Grziehung gleich der Induſtrie mit Ma-
ſchinen getrieben. Summa: die Familienſchule wird auf=-
hören ein Mechanismus zu fein, denn die Familie ſelbſt
iſt feine Drehorgel.
Auch die PRädagogif wird dann nicht mehr als Hand-
wert der Wiſſen8vermittlung gelten, ſondern wirklich als
die Kunſt unmittelbaren und freien Wirkens auf Junge
Menjſjc<henherzen. GEGinfacher ſfreilih und leichter wird
ihre Arbeit fich nicht geſtalten, troß größerer Freiheit.
Mit der Teilnahme weiterer Kreiſe wird der Lehrſtand
erſt recht an die Oeffentlichkeit treten und unter eine
vielfeitigere, aljo ſtrengere Kritik kommen. Man wird
höhere Anforderungen an feinen techniſchen Umbli> und
vor allem an ſeine ſittliche Haltung ſtellen. Indem die
Lebens8gemeinſ<haft der Familie, aliv das wirkliche Leben
und die elterliche Liebe zu Worte fommt, wird, was
unter dem Regiment der ſtaatsürchlichen Scholarchie
unmöglich war, ein <Harakterfeiter Schulftand auffommen,
der jich -- wir wagen das hohe Wort -- feiner pro-=
phetiſchen Aufgabe bewußt iſt. Damit wird fich dann
auch die volle Würdigung der pädagogiſchen Arbeit ex-
geben. Man wird verſtehen lernen, wie es möglich war,
daß manchem bedeutenden deutjhen Manne al3 Leben8-
ideal vorſchweben konnte die Arbeit am heranwachjenden
Geſchlecht, aber in kleinem, freiem Kreiſe; und es wird
dann ſicherlich oſt vorkommen, ja die Regel ſein, was
Dörpfeld in jeinem langen Leben ein einziges Mal er-
lebt hat, daß Männer, die in Handel5kfkammern, Pro-
vinzialſynoden, Kirchentagen und ſogar im Landtage
ſaßen, freiwillig erklären, ſie erinnerten ſich nicht, je einer
Verſammlung beigewohnt zu haben, die ihnen mehr
Intereſſe und Befriedigung geboten hätte als eine aus
Laien und Fachleuten berufene Shulverſammlung. Zit
doc< die dem Lehrer mit der Familie gemeinfame Auf-
gabe das menſchlichſte Geſchäft, die königliche Kunſt.
Aus Hamburg.
Zur Anrechnung der Dienſtzeit. In gegebener
Veranlaſſung erlauben wir un3, den beteitigten Kollegen und
Kolleginnen Nachſtehende3 zu unterbreiten :
Die Kommijjion der „Auswärtigen“ hat bi3 heute
die Intereyen aller, die an der Anrechnung der nicht an
hiejigen Volks5ſchulen erworbenen Dienſtzeit beteiligt ſind,
vertreten, und ſie wird ihrem Mandate gemä3 -- auch ferner
in dieſer Nichtung zu wirken bemüht jein. Sobald das
Gehaltsgeſets vorliegt, wird ſie eine allgemeine Verſammlung
der „Auzwärtigen“ -=- d. b. der von auswärts, vom Hauz
burger Landgebiet und von hieſigen nicht öffentlichen Schulen
übergetretenen Lehrkräfte -- einberufen, in der ſie auf Grund
authentiſcher Mitteilungen Vorſchläge über den weiteren
Verfolg diefer Ungelegenbeit zu machen gedenkt.