Full text: Hamburgische Schulzeitung - 8.1900 (8)

als die Beamten einer Behörde, und dementſprechend das 
Publikum einer von den erſteren getroffenen Entſcheidung 
ſich leichter unterwirft, als einer von Polizeibeamten feſtge- 
jeßten Strafe. Endlic< litt auch das erforderliche Anſehen 
de3 Kontrollausſ<uſſes darunter, daß er mehr in die Rolle 
des Anklägers gedrängt wurde. Infolgedeſſen geſchieht jett 
die Feſtſtellung des Sachverhaltes durch die Kontrollausſ<üſſe, 
während die Polizeibehörde auf Grund des ſo ermittelten 
Thatbeſtandes die Straſverfügung naß Maßgabe der An- 
träge des Kontrollausjſ<huſes erläßt. 
Aber auch diejer Zuſtand iſt no< kein völlig befriedi- 
gender, vielmehr erſcheini e8 zwe>mäßig, in die Hand des 
Kontrollausſ<uſſes niht nur die Ermittelung des Thatbe- 
ſtandes, ſondern auch die wirkliche Entſcheidung zu legen, 
den Kontrollausſ<huß alfo zu einer mit ſchulpolizeilichen 
Straſbefugniſen ausgerüſteten Unterbehörde zu machen. 
Natürlich wird dafür geſorgt werden müſſen, daß in 
den Kontrollausſ<uß ſol<e Männer gewählt werden, denen 
die Handhabung polizeilicher Straſgewalt unbedenklich anver- 
traut werden kann. In dieſer Richtung wird die Behörde 
dur< ihre Aufſichtöbeamten und vor allem der verſtändige 
Sinn der Mitglieder der Schulkommiſſion das Richtige treffen. 
Sollie aber wirklich einmal ein Mißbrauc< der Strafgewalt 
vorkommen, jo gewährt die nach 8 12 des Entwurfs zu- 
läſſige, mit aufjc<iebender Kraft ausgeſtattete Beſchwerde eine 
hinreichende Garantie zur Vermeidung etwaiger Nachteile. 
Nach dem 8 58 des bisherigen Unterricht3geſeße8 haben 
die Schulfommiſſionen das Recht, Kinder, welche gewohn- 
heitzmäßig die Schule verſäumen oder welche jonſt durch 
ihre Führung den ſittlichen Zuſtand der Schule gefährden, 
in geeignete Beſſerung3anſtalten unterzubringen, wenn die 
Eltern oder deren Stellvertreter ihre Einwilligung 
dazu erteilen. 
Dieſe Beſtimmung iſt in der Praxis auch auf die 
Strafichule angewendet und hat dadurch dem jonſt ſchon 
durc< jein Vorhandenſein wirkjamen Strafmittel einen wes 
ientlichen Teil ſeines Erfolge3 entzogen, weil vielfach und 
zwar meiſt in den Fällen, in welchen ein zeitweiliger Auf- 
enthalt in der Strafſchule von beſonder38 gutem Einfluß ſein 
würde, wegen Widerſtandes der Eltern dieſe Strafe nicht 
angewandt werden kann. Da naturgemäß zu dieſem Straf- 
mittel nur dann gegriffen wird, wenn die ſonſt zuläſſigen 
Strafen ſich niht mehr als wirkſam erweiſen, ſo gefährdet 
ein Kind, welches der Kontrollau8sſ<uß in der Strafſchule 
unterzubringen wünſcht, während die Eltern einer ſolchen 
Maßnahme mit Erfolg entgegentreten, für die Folge die 
Dis8ziplin in der Klaſje in hohem Maße. E3 darf daber, 
joll anders dieſe Strafe überall wirkſam und de3halb exiſtenz 
berechtigt jein, der Widerſtand der Eltern einer Anwendung 
diejer Strafe nicht mehr im Wege ſtehen. 
Auf Grund dieſer Erwägung iſt in dem Entwurfe vor- 
geſehen, daß der Kontrollausſchuß, wenn die Eltern die Ein- 
willigung verjagen ſollten, zwar nicht felbſt die Kinder in 
die Strafſchule ſenden, aber die Sache der Vormundſchaft3- 
behörde abgeben darf, damit von dort aus die Entſchei- 
dung erfolge. 
Die Vormund) <aft3behörde erſcheint für dieſe Anord-= 
nung um ſo geeigneter, als auß das Bürgerliche Geſezbuch 
in den 8SS 1666 und 1838 die Unterbringung in einer Er- 
ziehungs8-Anſtalt oder einer Beſjerungs-Anſtalt dem Vormund=- 
ichaftsgerichte überträgt. ES ſteht zu hoffen, daß die Furcht 
vor der, nun dur< elterliche Hülfe nicht mehr abwendbaren 
Strafſ<ule abſchre&end wirken und dazu führen wird, daß 
die Zahl der dorthin zu ſendenden Kinder ſich vermindere. 
Bei der Bedeutnng, welche der Kontrollau8sſchuß nach 
der Vorlage erlangen wird, erſchien es ratſam, im Geſeße 
auszuſprechen, daß der Vorſitende vcn der Schulkommiſſion 
veſtellt werde, wenn dies auch thatſächlich heute ſchon ſo 
gehalten zu werden pflegt. 
Die Beſchränkung der Amts8dauer auf ein Jahr ſoll 
ediglich die Möglichkeit gewähren, etwaige Fehlwahlen zu 
deſſern ; keineSwegs ſoll damit ausgeſprochen ſein, daß es 
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wünſc<enöswert ſei, die Mitglieder des Kontrollausſchuſſes- 
häufig wechſeln zu laſſen ; im Gegenteil erſcheint eine gewiſſe 
Stetigkeit in dieſem Amte durchaus wünſchenswert. 
Zu 8 12. Während biöher nac< dem Wortlaute des 
S8 25 des Unterricht8gejeßes gegen alle Verfügungen der 
Schulkfommiſſionen eine Beſchwerde an die Oberſchulbehörde 
gegeben war, in Wahrheit aber weitaus die meiſten Ver- 
fügungen, nämlich die im 8 23 genannten, betr. Feſtſtellung 
und Erlaß des Schulgeldes ſowie Gewährung freier Schul- 
bücher, dem Beſchwerdewege entzogen waren, wird im 8 12 
de3 Entwurfes, dem leßterwähnten thatſächlichen Zuſtande 
im weſentlichen entjprehend, eine Beſchwerde nur gegen 
Straſverfügungen der Kontrollausſchüſſe für zuläſſig erklärt. 
Daß dieje Verfügungen, gegen welche es eine Berufung auf 
gerichtliche Entſcheidung nicht geben ſoll, der Nachprüfung 
im Verwaltungswege unterliegen müſſen, liegt auf der Hand. 
Dadurch wird, da der Beſchwerde aufſchiebende Wirkung 
beigelegt ijt, eine auSreichende Kauiel gegen einen etwaigen 
Mißbrauch der Straſgewalt durch den Kontrollausſchuß gegeben. 
Der Abſchnitt von der Schulpflichtigkeit weiſt in 
eingehender Weiſe nach, daß die Einführung einer zweima= 
ligen Einſ<ulung und Entlaſſung (Oſtern und Michaeli8) 
erhebliche Übelſtände im Gefolge haben würde: 
Das Durchſc<<nitt3alter der zur Entlaſſung kommenden 
Schüler würde um ?/4 Jahr, nämlich von 14/2 Jahr auf 
14*/4 Jahr heruntergejeßt. Jeßt müſſen nahezu alle Schüler, 
welche in die erſte Klaſſe eintreten, dieſelbe auch ein volles 
Jahr hindurch bejuchen ; in Zukunft aber würden viele der- 
ſelben nur ein halbes Jahr in der erſten Klaſſe zubringen. 
Bei den höheren Schulen liegt die Sache ander3, da bei dieſen 
die Entlaſſung regelmäßig von der Erreichung eines beſtimmten 
Lehrziele3 abhängt ; wo aber, wie bei den Volksſchulen, das 
Alter der Schüler für die Entlaſſung maßgebend iſt, müſſen 
Wechſelcöten grundſäßlich verworfen werden. 
Zu diejen Bedenken kommt ſodann noch die Befürchtung, 
daß ein großer Teil derjenigen Schüler, welche zum 1. Oktober 
aus der Schule entlaſten und in das Erwerbsleben eintreten 
würden, dadurch die Möglichkeit verliert, am Konfirmations-= 
unterrichte teilzunehmen. GEine zweite Herbſtkonfirmativn 
einzuführen, wird ganz außerordentlich ſchwierig und dabei 
in feiner Hinſicht zu empfehlen ſein. Schon der Umſtand 
iſt nicht unwichtig, daß die Zeit de8 Konfirmandenunterrichtes 
jebt mit der Trc<lich bejonder38 hervortretenden Zeit des 
Winterhalbjahre8 zuſammenfällt. ZIm Winier iſt aber auch 
die Unterricht3zeit nur durch die Weihnachtsferien unter- 
brochen, während in das Sommerhalbjahr außer den Pfingit- 
ferien no< die großen Ferien fallen, wodurch die für den 
Konnrmationzunterricht zur Verfügung ſtehende Zeit nicht 
unerhebli< beſ<ränft und der Unterricht ſelbſt durc< die 
lange Unterbrechung erſchwert wird. Endlich würde eine 
doppelte Konfirmation unverhältni3zmäßig hohe Anſprüche an 
die für die mannigfaltigen fonſtigen Aufgaben de3 Amtes 
zur Verfügung zu haltende Zeit der Geiſtlichen ſelbſt ſtellen. 
Angeſt<t38 dieſer Bedenken hat die Oberſchulbehörde 
geprüft, ob in der That eine Notwendigkeit vorliegt, das 
Geſe zu ändern und ob nicht vielmehr durch Zulaſſung 
vorzeitiger Einſ<hulung und Entlaſſung dem in einzelnen 
Fällen zweifellos vorhandenen Bedürfniſſe genügt werden 
könne- Nach den Mitteilungen der Behörde beläuft ſich die 
Zahl der Gejuche um vorzeitige Entlaſſung jetzt auf durch- 
ſchnittlich etwa 500 in jedem Jahre, während die Geſamt: 
zahl der alljährlih aus den Volk8ſ<hulen zur Entlaſſung 
fommenden Kinder mehr als zehntauſend beträgt. Für die 
Eltern von höchſtens etwa 5 v. H. aller ſ<ulpflichtigen Kinder 
könnte ſomit ein Bedürfnis nac< Einführung von Wechjel- 
cöten dann als nachgewieſen gelten, wenn feſtſtünde, daß alle 
Entlayung8geſuche in Wegfall kommen würden, ſobald ein 
geſeßlicher Entlajſungstermin am 1. Oktober eingeführt würde. 
Das iſt aber keine3weg8 der Fall. Der größte Teil der 
Geſuche bezieht ſicß auf ſolche Kinder, welche kurze Zeit nach 
dem 31. März, im April oder Mai, geboren ſind und deren 
Entlaſſung zum 1. Aprl desjenigen Jahres beantragt wird,
	        
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