Full text: Hamburgische Schulzeitung - 23.1915 (23)

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ſammlung. Es iſt kein Zweifel, daß der Betrag, der durch 
die Sammeltätigkeit der Schulen zuſammengebracht iſt, in 
die Hunderte von Millionen geht. Bon berufenſter Seite 
iſt das auch anerkannt worden. Troß aller Aufrufe, un- 
geachtet aller Mahnungen ſind aber noch erhebliche Gold- 
beträge in den Händen der Leute. Noch vor kurzem wurde 
die Summe an Gold, die noch in den Geldtaſchen des 
Publikums ſich verkrochen hat, auf nahezu eine Milliarde 
geſchäßt. Es gilt, auch ſie noch hervorzuholen. Deutſch- 
land bedarf ihrer, während die Goldſtücke dem Einzelnen 
gar keinen Nuten ſchaffen. An der Flüſſigmachung dieſer 
Milliarde können wieder die deutſchen Schulen entſcheidend 
mitwirken, und deshalb geſtatte ich mir, einiges aus der 
Sammeltätigkeit der von mir geleiteten Schule Fuhlsbütteler- 
damm 115 mitzuteilen. I< bin mir ſelbſtverſtändlich be- 
wußt, daß auch andere Schulen folche Erfahrungen gemacht 
haben. Aber immerhin, manch einer wird daraus Winke 
entnehmen können. -- 
Wir haben erſt im Februar 1915 angefangen zu ſammeln. 
Bis dahin kam genug Gold in die Reichsbank, ohne daß 
nachgedrückt wurde. Wir fagten uns bis dahin auch: 
„Unſere Bevölkerung im Schulbezirk (Vororte Fuhlsbüttel 
und Klein Borſtel, dazu benachbarte hamburgiſche und 
preußiſche Gemeinden) beſteht weſentlich aus Beamten aller 
Grade... Zu ihnen kommen in geringerer Anzahl Geſchäfts- 
leute, Handwerker, Arbeiter und Landleute. Dieſe Be- 
völkerung iſt genügend unterrichtet darüber, wie wichtig es 
iſt, das Gold zur Reichsbank zu bringen. Eine Samm- 
lung bringt daher nicht viel“. 
So regten wir erſt am 10. Februar die Schüler in allen 
Klaſſen an, das noch in den Familien vorhandene Gold 
zum Einwechſeln mit zur Schule zu bringen. Gleichzeitig 
ſtellten wir in Ausſicht, daß diejenigen Schüler, die mindeſtens 
100 M&. in Gold einliefern würden, als Dank ſür ihre 
Tätigkeit das vom Zeichenlehrer Dorn entworfene Erinnerungs- 
blatt bekämen. Nun brachten die Kinder ihr Gold mit. 
Der Erfolg iſt bis heute folgender: Es ſind von mir an 
die Poſt für die Reichsbank abgeliefert im Februar 2020 MKk., 
im März 680 Mkg., im Ypril 440 Mk., im Mai 750 Mk., 
im Juni 450 MKk., im Auguſt 750 Mkk., im September 
51C Mk., im Oktober 500 MKk., zuſammen 6130 MK. 
Zu dieſem Ergebnis bemerke ich: 
1. Zur Beförderung des Sammeleifers der Knaben und 
Mädchen hat ſich das Dorn'ſche Erinnerungsblatt als ſehr 
zweckmäßig erwieſen. Es iſt erziehl ih ja durchaus zu 
rechtfertigen, den Schülern für ihre freiwillige Arbeit im 
Dienſte des Baterlandes dieſe kleine Auszeichnung zu ge- 
währen, umſomehr, als es ſich dabei um eine fürs ganze 
Leben dauernde Erinnerung handelt. Zum andern geben 
die zwei aufgedruckten Strophen: 
No<h zu jung zum Waſffentragen, 
half ich doch die Feinde ſchlagen -- für Knaben. 
und--Konnt ich auch nicht Waffen tragen, 
half ich doch die Feinde ſchlagen -- für Mädchen. 
Sinn und Bedeutung der Goldſammelarbeit der Kinder 
treffend wieder. Es iſt mir deswegen auch ganz verſtänd- 
lich, wenn Schüler und Eltern oleichmäßig großes Gewicht 
auf die Erlangung dieſer Auszeichnung legten. I< weiß, 
daß Eltern ſelbſt ſammeln gingen, um ihren Kindern den 
Ehrenſchein zu gewinnen. Andrerſeits erinnere ich mich 
mehrfacher Anfragen von Schülern (einer kam ſogar weinend) 
in dem Sinne: „IG habe nur 60 Mk. und kann nicht 
mehr Gold ſchaffen. Bekomme ich doch den Schein ?“ Ich 
gab dann ermunternd etwas nach und erklärte mich auch 
mit weniger zufrieden. Dann kam ein Zehn- oder Zwanzig- 
markſtück meiſtens ſehr bald. 
Kk: 2. Es iſt gut, wenn von Zeit zu Zeit in den Klaſſen 
immer wieder auf die Sammlung hingewieſen wird. Da- 
durch wird der Fleiß wieder neu angeregt. Eine Erinnerung nach 
Oſtern brachte Ende April/ Anfang Mai 440+-750=1190 Mk., 
die nach Pfingſten 450 Mk., die nach den Sommerferien 
1260 Mä., nach den Herbſtferien bisher 500 Mk. Man 
ſieht alſo, es nüßt immer wieder, und wir dürfen daher 
in unſerer Anregung nicht innehalten. 
3. Ob die landwirtſchaftliche Bevölkerung das Gold 
bejonders an ſich hält, wie man zuweilen in der DOeffent- 
lichkeit hört, kann ich nach meinen Erfahrungen nicht ent- 
ſcheiden. Uns haben wenigſtens die Kinder von Landleuten 
ebenſogut Gold gebracht als die andrer Leute. Viel eher 
neige ich dazu, zu ſagen, daß ältere Perſonen, insbeſondere 
Frauen, am meiſten bereit ſind, ihr Gold anzuhalten. Oft 
genug habe ich von Kindern gehört, daß ſie berichteten: 
„Die 20 Mk&. hat meine Großmutter noch gehabt“, oder 
„Meine Tante wollte die 40 Mk. ſich noch aufheben, wenn 
die Ruſſen kämen“ oder dergleichen. Hier ſcheint eine 
Aufklärung dringend vonnöten zu ſein. Wir haden denn 
auch unſeren älteren Schülern wiederholt das Ueberflüſſige, 
ja Unſinnige ſolcher Auffaſſung klargemacht und ſie dann 
auf die ältere Berwandtſchaft oder Bekanntſchaft losgeſchickt 
meiſtens mit gutem Erfolge. 
4. In neuerer Zeit ſchämen ſich manche Leute nun 
jc<on, ihr Gold abzugeben, weil ſie meinen, ſie hätten zu 
lange mit der Ablieferung gewartet. Sie fürchten, man 
würde ſie bei Poſt und Bank deshalb ſcheel anſehen. Vor 
14 Tagen habe ich darin noch ein ganz lehrreiches Bei- 
ſpiel erlebt. Die Kinder eines Ohlsdorfer Geſchäftsmannes 
brachten mir am Montag Morgen 200 Mk. „Woher? 
„Wir haben das geſtern noch eingenommen“. „Wie kommt 
das ?“ „Eine Dame hat einen Grabſtein bezahlt. Sie 
ſagte zu Mutter, ſie hätte noch Gold, möchte aber nicht 
mehr damit zur Poſt gehen. Mutter hat ihr dann geſagt, 
ſie möge es ihr nur geben. Die Kinder nähmen es mit 
zur Schule, und das Gold käme dann an den richtigen 
Plas“. I< habe dieſe Kinder über ſolc< verſtändiges 
Tun ſehr gelobt, im übrigen aber Gelegenheit genommen, 
in den oberen Klaſſen auch auf dieſe Auffaſſung der Sache 
hinzuweiſen und zu bitten, daß in ſolchen Fällen falſcher 
Scham das Geld mit zur Schule gebracht werden möge. 
Wir dürfen und wollen in unſerer Arbeit für Deutſch- 
land auch in dieſen kleinen Dingen nicht nachlaſjen. Alſo: 
Ihr Schulen, ſe8t das Goldſammeln fort. Ihr könnt noch 
ſehr viel tun. 
Briefe, die ihn hoffentlich erreichen. 
1. Lieber Soldat! I< habe hier ein ſchönes 
Paket. Das will ich Ihnen auch hin ſchicken. Ich gehe 
ſchon in der 6. Klaſſe und bin ſchon 8 Jahre alt. Haben 
Sie ſchon Kinder oder ſind Sie noch jung, ich bin noch 
jung. I< habe noch einen Bruder und der geht erſt in 
der 7. Klaſſe. Grete Z. 
29. Lieber Soldat! I< bin ac<ht Jahr und 
mödte Dir ein Packet ſchicken. Bitte ſchreiben Sie mich 
 
mal wieder und ich geh in der 6. Klaſſe. Wie gehts 
Ihnen, mir gehts ganz gut. Wir kommen heute um 12 
raus. Hilda E. 
3. Lieber Soldat! I< mödte Dir gerne mal 
einen Brief ſchreiben. Wie geht es Dir denn ? Mir geht 
es ſehr gut. Lieber Soldat, hoffentlich iſt der Krieg bald 
zu Ende und Du kommſt geſund wieder. Lieber Soldat 
ſchreibe bald mal wieder es grüßt Gret<en S&S. 
4. Lieber Soldad! Wiegetes Dir hofendlich gut. 
Und ich ſchenke Dir ein Paket und ich geh in der 6. Klaſſe 
und bin 9 Jare alt. Und ich will Dir eine Freude machen. 
Und hofendlich kommſt Du wieder aus dem Krig nach 
Deiner Mutter. Und Du biſt noch ſo jong und moſt den 
Krig mit machen. Herzlichen Grus Paul M. 
5. Liber Soldat! Der Krig wert woll bald zu 
ände ſein. Wir ſchicken Pakete wäg. Nun können wir 
nicht ſo fil ezen. Bei Cuxhaven ſind auch drei Flieger ge- 
weſen. Unſer Unkel iſt auch im Krig gefallen. Morgens 
ſind bei uns die Fänſter ferfroren. Das iſt ſchade das es 
Winter giebt. - Von Hans B.
	        
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