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Siyriftleiter und Verleger ſind zu den Fahnen
gerufen; den Verleger vertritt Lehrer P. Rolof,
Hamburg 23, Fichteſtr. 30, die Schriftleiter Rektor
A. Strnve, Hamburg-Suhlsbättel, Hummelsbütiler
Landſtraße 121.
Seite
Inhalt.
a. 235
Durchhalten
Unſere Krieger . . 236
Heldentum einſt und jet. Von A. Paſchen . 236
Fremdwörterei im deutſchen Unterricht. Von Peter Soops 237
Aus Hamburg . .. . . . . .» 238
Rundſchau 238
Büchermarkt . 240
Vereins-Anzeiger 240
Unſere Krieger!
Ziäix Raiſer und Reiß farben den Heidentod:
Dr. Ernſt Behn, Heinrich Herzß- Realgymnaſium, Unter-
offizier der Reſerve.
Dr. Albert Wink, Realſchule v. d. Lübeckertor und
Oberrealſchule auf der Uhlenhorſt, gefallen am 20. Okt.
Berwundetſind:
Georg S<hult, Boßberg 19, Vizefeldwebel.
Artur PBeiſeric, Schwenckeſtraße 93, Feſtungshülfs-
lazareit in der Wagnerſchule in Ulm.
Das Eiſerne Kreuz erhielten:
Paul Hillers, Koppel 98, Leutnant im Reſerve-
Infanterie-Regiment 31.
Hans Leitner, Seminarſchule Wallſtraße, Gefreiter.
Dr. H. Ed delbüttel, Oberrealſchule vor dem Holſten-
tor, Leutnant der Reſerve.
Friß Weltzien, Humboldtſtraße 87, Unteroffizier, er-
hielt außer dem Eiſernen Kreuz auch das Mecklen-
burgiſche Verdienſtkreuz 2. Klaſſe.
Anmerkung der Schriftleitung: Sich er e Nachrichten
über unſere Krieger ſind ſtets willkommen; die Leſer werden
dringend gebeten, uns ſolche zukommen zu laſſen; für die nächſte
Ausgabe müſſen ſie ſpäteſtens am Mittwoch hier eintreſſen.
Heldentum einſt und jetzt.
Vor dem gegenwärtigen Kriege ging eine Redensart in
unſerem Volke um, die da ſagte : Kriegeriſches Heldentum
im früheren Sinue =- etwa bis 1815 oder auch noc< bis
1871 -- gibt 2s heute nicht mehr. Dafür iſt bei der Art
der modernen Kriegführung und Bewaffnung gar kein Raum
und keine Gelegenheit. Es gelten nur noch Majjen und
möglichſt verheerend wirkende Waffen. Der Krieg wird
mehr mit Maſchinen geführt als mit lebendigen, geiſtbe-
ſihenden Menſchen. Ja, eine unerhört harte und den
einzelnen bis zum „Kadavergehorſam“ zwingende Disziplin
macht die Soldaten ſelbſt zu willenloſen Maſchinen und
jagt ſie rückſichtslos in Kampf und Tod.
Dieſes Urteil über den Krieg iſt wohl ausgegangen
von den Anhängern der Friedensbewegung. Politiſche
Strömungen und Parteien, in deren politiſche Theorien
dieſe Meinung paßte, ergriffen ſie mit Eifer und Erfolg,
ſuchten ſie nach Möglichkeit zu verbreiten und ihren Zwecken
dienſtbar zu machen. Sie ſchien doh ſo gut begründet,
und es gelang ſc<hließlich, ſie gewiſſermaßen als eine Art
Dogma großer Maſſen des Volkes einzuprägen, wie ſich
an dem koloſſalen Erfolg einſchlägiger Broſchüren und
Bücher feſtſtellen ließ.
Auch an die Pforten der Schüle wurde ſtark geklopft,
um die große Weisheit einzulaſſen. Sie ſollte alle Folge-
rungen daraus ziehen und beſonders dem „Heldenkultus“
und dem no< viel ſchlimmeren „Hurrapatriotismus“,
den man in allen Ecken witterte, gründlich zuleibe gehen.
Sie mußte, deſſen war man ſicher, die Jugend vor allen
angeblich falſchen. Jdealen bewahren, alle Neigung zu
kriegeriſcher Tätigkeit ausrotten und dafür die Jdeen
der allgemeinen Bölkerverbrüderung deſto feſter im Gemüt
der Jugend und damit des Volkes verankern.
Wie ſteht es nun in Wirklichkeit ? War jene Redens-
art berechtigt, oder war ſie eine von den Alltagsweisheiten,
die ſo leicht unbeſehen übernommen werden, weil ſie von
jo vielen im Munde geführt werden und daher als ſelbſt-
verſtändlich gelten? Eine 186monatige Kriegserfahrung
müßte uns darüber Aufſchluß geben können.
I<h meine, ſie hat es gründlc<h getan, und ſie hat jene
Redeweiſe entlarvt als eine Afterweisheit, wie der Krieg
ja auch ſonſt manche Klärung gebracht hat. Schon unſer
Gefühl ſagt uns, daß es nicht ſo iſt, als man uns glauben
machen wollte. Täglich hören und leſen wir von Taten
unſerer Feldgrauen, die von einem Heldenmut, einem
Heldenſinn und einer Heldenkraft zeugen, wie ſie in Keiner Zeit
Übertroffen worden ſind. Da werden die verwegenſten
Batrouillengänge ausgeführt; da ſtehen Tapfere ſtunden-
und tagelang auf den exponiertſten Beobachtungspoſten
und laſſen ſich von keiner Gefahr und keiner Schwierig-
keit ſchrecken. Da ſtürmt Infanterie auf die ſtärkſten Be-
feitigungen, ſelbſt auf Feſtungen los und nimmt ſie. Da
liegen unſere Braven 2--3 Tage lang in nie gekanntem
Artilleriefeuer und halten aus. Da graven ſie im ärgſten
Granatſfeuer ihre verſchütteten Kameraden aus verſchütteten
Stollen heraus, ohne Rückſicht auf die eigene Geſahr. Da
hält ein Zug in vorgeichobener Stellung bis zum leßten
Mann gegen zahlloſe Feinde und meldet in höchſter Todes-
not ruhig telephoniſch nach rückwärts: Wir halten die
Stellung; wir find noch 20; bald darauf: wir ſind noch
12, wir jind noch 6; und dann hört man nichts mehr von
ihnen. Da wird während des heftigſten Gefechts der zer-
riſſene oder zerſchoſſene Draht immer wieder mit Erfolg
abgeſucht und geflickt. Da ſteigt der kühne Flieger Über
die feindliche Linie, über Feſtungen und befeſtigte Lager
und Pläße und macht in Ruhe ſeine Beobachtungen und
wirft mit der größten Ueberlegung ſeine Bomben ab. Da
ſind Krieger zweimal und öfter verwundet und haben keinen
lebhafteren Wunſch, als wieder hinauszuziegen in den
arimmen Männerſtreit, wo der Tod umgeht und reiche
Beute findet. Und ſo wie es zu Lande iſt, ſo iſt es zur
See. Muß ſich eiwa die Fahrt der 50 von der Emden mit
ihrem braven Führer, Kapitänleutnant Mücke, verſtecken
vor irgend einer Tor- und Argonautenfahrt des Altertums
oder eines fahrenden Ritters, vor denen ſie voraus hat,
daß ſie nicht Sage ſondern Wirklichkeit iſt? Und das
alles ſoll kein Heldentum ſein, das ſich allem früheren ge-
troſt an die Seite ſtellen kann ? Und da ſoll kein Raum
ſein für perſönliche Tapferkeit ? Für das alles ſoll
eine rückſichtsloſe Disziplin der Treiber ſein, der dieſe
Tapferen willen- und bewußtlos zu ſolchen Taten auf-
ſtachelt ? Tauſend- und tauſendmal nein! Schon die
Frage erſcheint uns als eine unerhörte Beleidigung für all
die Braven. Wir ſind im Gegenteil davon Überzeugt: zu
keiner Zeit hat es größere Tapferkeit, größeren Opfergeiſt,
größeren Tatendrang und Kampfesmut gegeben als in
dieſem Rieſenkampf unſeres Volkes um Daſein und Ehre.
Dieſe Feſtſtellung würde zur Beantwortung der vorliegenden
Frage genügen, ohne daß man viel Widerſpruch erwarten
müßte. Aber auch eine nüchterne Betrachtung der ge-
ſchichtlichen Tatſachen führt zu keinem anderen Ergebnis.
Gab es in der Vergangenheit wirklich mehr Gelegen-
heit zu perſönlicher Auszeichnung? In keiner Weiſel!
Unſere Vorſtellung von einem Helden als einem tapfern,
möglichſt aus eigenem Antrieb und nach eigener Ueber-
legung handelnden Einzelkrieger, der große kriegeriſche
Taten und Wageſtücke ausführt, ſtammt im weſentlichen
aus der Zeit der Romantik zu Beginn des 19. Jahr-
hunderts. Sie ließ die alten Ritter- und Heldenſagen
wieder aufleben und ſchuf ſo das Bild ihres „Helden“.