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: Kriegsgeſchichtlich hatten ſie inſofern recht, als die Ritter
tatſächlich Einzelkämpfer waren. .Es gab zu ihrer Zeit
faſt nichts, was man eine militäriſche Drganiſation nennen
könnte. Ebenſo kann man in dieſer Zeit kaum von Strategie,
oder doch nicht von Taktik reden. Im Geſecht ſuchte ſich
jeder ſeinen Gegner und ſuchte ihn zu beſiegen, ohne ſich
um rechts und links viel zu bekümmern. Wenn wir aber
bedenken, daß die Bewaffnung eine viel harmloſere war,
daß beſonders die ſtarken Schußwaffen manchen Stoß ab-
hielien, daß die Heere meiſt aus wenigen Tauſend, oft
nur aus Hunderten beſtanden, daß die Behandlung der
Gefangenen im ganzen milde war, ſo ſchwindet von dem
Glanz dieſes Heldentums im Licht der Geſchichte ein
gutes Stück. Jedenfalls erforderte es viel weniger an
Nervenkraft als die Kriege der Gegenwart. Das iſt aller-
- dings richtig, eine Disziplin in unſerem Sinne beengte
die Ritter nicht, abgeſehen von dem Moral- und Ehren-
koder jener Tage, der oft verflucht wenig beachtet wurde.
Der Mangel an Disziplin ſteigerte ſich nicht ſelten zu
völliger Unbotmäßigkeit , die dann den militäriſchen
Wert eines Heeres auf ein Minimum bhHerabſezte. Man
darf aber auch nicht vergeſſen, daß uns die Taten jener
Zeit meiſt als Sage überliefert ſind, die ofi nicht nur ſehr
weit von der Wirklichkeit ſich entfernten, ſondern bis-
weilen ins Gegenteil umſchlugen, wie 3. B. die Winkelried-
ſage, wenn man ihr auf den Grund geht.
Als aber vor nunmehr 700 Jahren bei Morgarten in
der Schweiz und bei Roſebeke in Flandern bürgerliche
Gevierthaufen, alſo Fußvolk, über Ritterheere ſiegten und
damit dem Rittertum als militäriſche Einrichtung den
Todesſtoß verſetzte, da trat die militäriſche Disziplin ihren
Siegeszug an. Bon da an galt der Einzelne nicht mehr,
als er als Glied im Gevierthaufen leiſtete. Das gilt für
alle folgenden Zeiten. Die aufkommende Zucht war aber
bei weitem Härter als in der Gegenwart. Sie bot für
Heldentaten einzelner bedeutend weniger Raum als die
frühere. Wir hören dann auc; weniger davon. Die
Zucht ſteigerte ſich allmählich zu ungewöhnlicher Härte
und erreichte zur Zeit der ſtehenden Söldnerheere ihren
Höhepunkt. In unſeren Bolksliedern ſingen wir noch
davon. (Zu Straßburg auf der Schanz. Es geht bei ge-
dämpftem Trommelklang u. a.) Erſt als Napoleon einen
Teil ſeiner Infanterie in Schüßenſchwärme auflöſte, da
hören wir wieder mehr von Heldentaten einzelner. Da
wuchs die Selbſtändigkeit, die Verantwortung und die
Gelegenheit zu Auszeichnungen, zunächſt für die Unter-
führer, dann auch für den einzelnen Mann. Dann hat
Moltke die ganze Infanterie in dünne Schüzenlinien auſ-
gelöſt, die bis in unſere Zeit immer dünner und länger
geworden ſind, und die damit immer höhere Anforderungen
an die Nerven, an den Geiſt und an die moraliſche Kraft
der Soldaten ſtellen.
Damit iſt natürlich auch die Disziplin eine andere ge-
worden. Sie war deſto ſtrenger, je ſtarrer der militäriſche
Körper war. Ze beweglicher dieſer wurde, deſto milder
wurde ſie. Allerdings deſto größer wurden auch die mo-
raliſchen Anforderungen an den Krieger, denen am Ende
nur genügt werden kann, wenn die Bildung und das all-
gemeine Empfinden dazu die Grundlage geben. Es iſt
vor allem das ſeit hundert Jahren in den Völkern lebendige
Nationalgefühl, das die Abſchwächung der militäriſchen
Disziplin geſtattete. Es iſt auch deſonders für uns die
Quelle der kriegeriſchen Leiſtungsfähigkeit. Der deutſche
Soldat weiß, wofür er kämpft. Seine Disziplin iſt mehr
als zu allen andern Zeiten ein bewußtes Sichindendienſt-
ſtellen für eine große Jdee, eben die des Vaterlandes.
Damit mag ſein perſönlicher militäriſcher Ehrgeiz einge-
ſchränkt werden, damit wächſt aber ſeine Leiſtung moraliſch
Über alle perſönlichen Heldentaten früherer Zeit hoch hinaus
und erhält die höchſte Weihe.
Daß es auch jezt ohne Disziplin nicht geht, iſt ſelbſt-
verſtändlich. Sie iſt nötig zur Unterſtüßung der ſittlichen
Kräfte, die natürlich nicht -vollkommen in Erſcheinung
treten. Sie iſt nötig, weil es ſich heute um große Orga-
niſationen handelt, die ohne Ordnung nicht zu handhaben
und ohne Disziplin. militäriſch wertlos ſind. Aber ſie. be-
ruht zur Hauptſache auf dem Untergrunde einer freien
Selbſtbeſtimmung und einer freiwilligen Unterordnung, wie
die große Zahl unſerer Freiwilligen zeigt. Jhre Strenge
tritt deshalb im ſtärkſten Eiſenhagel auch am wenigſten in
Erſcheinung.
Es iſt alſo. nicht ſo, daß die Kriegführung der Gegen-
wart für Einzelauszeichnungen kaum Gelegenheit gibt,
ſondern gerade das Gegenteil iſt der Fal. Noch viel
weniger kann davon die Rede ſein, daß eine ins Uner-
hörte geſteigerte Disziplin die Maſſen in Kampf und Tod
treibt. Der „Drang nach vorn“, von dem wir ſo oft und
gern gehört haben, der, vom Standpunkte des Führers be-
trachtet, ſooar gefährlich werden kann, beweiſt wieder das
gerade Gegenteil.
Selbſtverſtändlich erſcheinen die erwähnten und ge-
rühmten Eigenſchaften unſerer Feldgrauen und die Zu-
ſtände in unſerem Heere nicht in Bollkommenheit, die es
nirgends auf Erden gibt. Auch der Tapferſte hängt am
Leben und kann ſich von einem gewiſſen Grauen vor dem
Schlachtentod nicht freiſprechen. Hat doch felbſt Blücher,
einer der verwegenſien Soldaten unſeres Bolkes, zeitlebens
über den „Hundsfott“ in ſich, d. 9. Über den inneren
immer wieder erwachenden Widerwillen gegen den Soldaten-
tod und gegen die Widerwärtigäeiten und Unannehmlich-
keiten des Kriegsdienſtes gewettert und geklagt. Dieſes
natürliche Gefühl ſchändet niemand. Aber daß es troß
der in der Gegenwart ungleich größeren Gefahr überwunden
wird, das ehrt unſere Krieger und macht ſie zu ganzen
Männern. Jedenfalls ſteht ein ſo Ueberwindender moraliſch
viel höher und gefällt uns viel - mehr als ein ſich um
nichts ſorgender Draufgänger und Raufbold, der nur an
dem Kampfe an ſich Gefallen ſindet.
Bedenken wir daneben noch, daß das Leben in der
Gegenwart viel mehr Inhalt und damit mehr Wert hat
als in vergangenen Tagen, daß darum auch der Tod
weniger leicht genommen wird als in Zeiten minderer Kultur
und bei vielen ungultivierten Bölkern, ſo kommen wir
erſt re<ht zu dem Schluß, daß das Heldentum unſerer
Tage und Unſeres Volkes, wie wir es täglich und jtünd-
lich bewundern, jedem andern nicht nur nicht nachſteht,
ſondern es viel eher übertrifft.
Jene zu Anfang erwähnte Redeweiſe haut alſo gänz-
lich daneben, und die Schule hat nach wie vor alle Ur-
fache, unſere Jugend mit den Taten unſerer Kämper be-
kannt zu machen und fie zu ſchildern als größte Mannes-
leiſtungen, nicht mit Leichtfertigkeit und mit Darſtellung
von Aeußerlichkeiten, ſondern mit dem ganzen Ernſt, der
ſolHen Dingen entſpricht. Sie ſollen dabei die ganze
Größe jener Taten, aber auch die ganze Schwere und den
ganzen Ernſt, der damit verbunden iſt, kennen und em-
pfinden lernen, damit ſich die angeborene Kampfesfreudig-
Reit unſerer männlichen Jugend erfüllt mit dem Geiſt
Unſerer Großen und geadelt wird zu höchſtem ſittlichen
Kriegertum, das wir auch in Zukunft, in erſter Linie zur
Sicherung des Friedens, nicht entbehren können.
A. Paſchen, 3. 3. im Felde.
Fremdwörterei im deutſchen Unterricht.
Der ſehr verdiente Allgemeine Deutſche Sprach-
verein hat als Wahlſpruch den ebenſo berechtigten wie
maßvollen Grundſa3ß aufgeſtellt: Kein Fremdwort
fürdas, wasdeutſc<hgut ausgedrückti werden
kann. Das iſt ein Saß, den kein anderes Voik für ſeine
Sprache aufzuſtellen braucht, weil er ſich bei jedem von
ſelbſt verſteht. So ſollte es auch bei uns ſein! Kein Bolk
außer uns Der:tſcen kennt Fremdwörterbücher! Das von