Full text: Hamburgische Schulzeitung - 23.1915 (23)

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Heiſe enthält über 100 090 Fremdwörter!! Und dabei iſt 
erwieſen, daß die Fremdwörterei nicht nur die Klarheit, 
Verſtändlichkeit und Schönheit der Sprache beeinträchtigt, 
ſondern unſerer Achtung bei andern Bölkern Abbruch tut, 
die BVolksſeele gefährdet und unſerm Geſchäftsleben großen 
Schaden zufügt (der ſich auf viele Millionen jährlich beziffert). 
Sollte es da nicht auch die Schule ſich angelegen ſein laſſen, 
dieſem Bolksfehler und -Uebel entgegen zu arbeiten, ſoviel 
immer möglich ? Und doch ſieht es in dieſem Punkt noch 
traurig aus. Obwohl es ſchon wiſfſenſchaftliche 
Lehrbücher der Mutterſprache gibt, die mit deutſchen 
Fachausdrückenarbeiten, glauben daneben manche 
Verfaſſer von Uebungsbüchern für Volksſ<ulen nicht 
ohne die lateiniſchen Benennungen auskommen zu können. 
Sie ſind ſa „wiſſenſchaftlicher*“. Ja, was man ſo nennt. 
Wiſſenſchaft kommt von wiſſen; und Wiſſen und 
Verſtehen iſt ſicher eher von deutſchen, d. h). verſtändlichen 
Bezeichnungen zu erwarten als von fremden, unverſtänd- 
lichen. = Z. B. tranſitiv =- ja, jo iſt es ſchon falſch 
geſchrieben! -- alſ9: transitiv kann ein Kind nicht ver- 
ſtehen, auch nach verſuchter Erklärung nicht, aber zielend, 
das iſt ſinnfällig und an ſich klar. Ebenſo Subjekt, Objekt, 
Pronomen uſw. = leere Schälle, mit Gegenſiand, Er- 
gänzung, Fürwort iſt man gleich mitten in der Sache. 
Doch damit nicht genug; manches deutſche Uebungsbuch 
nimmt ſich in den Uebungsaufgaben der Fremdwörter noch 
beſonders an. So auch unſer hamburgiſhes. Es be- 
ſchränkt ſich dabei nicht auf wirklich unentbehrliche Fremd- 
wörter. 
Erſaßwort gefunden und im Gebrauch iſt, friſten in den 
Uebungsaufgaben ihr Daſein weiter. Unſer hamburgiſches 
Uebungsbud von B. P. Müller leidet in ſehr be- 
denklichem Maße an der Fremdwortſucht. Man findet in 
den neueſten Auflagen noc< viele veraltete, nur wenig ge- 
bräuchliche, jedenfalls ganz entbehrliche Fremdwörter. Jh 
Nenne u. a. im 1. Heft (44. Aufl. 1915), Seite 39: Partie, 
gratulieren; im 2. Heft (43. Aufl. 1914), Seite 6: Alphabet, 
Amphibium, Geographie (das Wort ſagt für die Erd- 
kunde ſeit Karl Ritter nicht genug; denn Erdkunde 
iſt nicht mehr bloß Erd- „Beſchreibung“), Auktion, Gratula- 
tion, Lektion, Quotient. Seite 52: Kontra8t, Publikum, 
Lokal, Zirkular, Fazit, Notiz, Akzent, Aſyl, anonym, 
Eramen, Exempel, Exemplar, Exil, Experiment, extra, Biblio- 
thek, Parterre; Seite 92: Deſerteur, Redakteur, Malheur, 
Tour, Trottoir, Niveau, Plateau, Bonbon, Flakon, Saiſon, 
Waggon, Etabliſſement, Entree, Couſin und Couſine, Refrain, 
Terrain, Souterrain, Annonce, aunoncieren, Courage, Gage, 
Plantage, Logis, Bouillon, Billet. 
Unter den Fremdwörtern ſind auch manche aufgeführt, 
die man beſſer als völlig eingedeutſchte, als Lehnwörter 
anſieht, 3. B. Zigarre, Zentner, Porzellan, Zeder, Zar, Gips, 
Silbe, Sirup, Atlas, Firnis, Kompaß, Bluſe, Truppe, 
Gruppe, Möbel, Schokolade. = Der Berfaſſer täte gut, 
in einer Neuauflage die genannten, ſchon gut erſezten und 
zum Teil ungebräuchlichen Fremdlinge einfach zu ſtreichen. 
Eine beſondere Einübung verdienen ſie jedenfalls nicht. 
Und wenn einer ſie ſpäter wirklich noch mal gebraucht und 
ſchreibt ſie falſch, was liegt daran? Kein Geringerer als 
Prof. Dr. Eduard Engel ſagt über die Schreibung der 
Fremdwörter (Deutſche Stilkunſt, Seite 88): „Je lächer- 
licher man ſie ſchreibt, deſto eher werden ſie verſchwinden ; 
es iſt ein Aergernis, daß die Verfaſſer unſerer Wörterbücher 
der Rechtſchreibung Tauſende von Fremdwörtern mitauf- 
nehmen“. Id füge hinzu: denn eben dadurch mit erben 
ſie ſich „wie eine ewige Krankheit“ fort; und wiederhole, 
was bei uns nicht oft genug geſagt werden kann: „Kein 
Fremdwort für das, was deutſch gut ausgedrückt werden 
kann !* Peter Hoops. 
Nein, viele, für die längſt ein gutes deutſches 
Aus Hamburg. . | 
Hamburgiſche Shulſynode, Die Wahlen am 4. Dez. 
1915 hatten folgende Ergebniſſe: 
1. Zum Bortreter der Synode in der Oberſchulbehörde 
erwählte der 2. Wahlkörper mit großer Mehrheit Herrn 
Theodor Blinckmann. 
il. In den Synodalausſchuß wurden folgende Herren 
gewählt : 
1. Volksſchulen: Johs. A. L. Stilck, G. V. Heinrich, E. 
A. Lübkert, Johs. M. A. Troſt. 
2. Höhere Schulen: G. Coym, M. F. T. Bertram, A. F. 
Hohle. 
83. Nicht ſtaatliche Schulen: Dr. A. W. Lange, H. M. G. 
Thedſen. 
4. Landſchulen : H. Schlüter. 
IW. In die Schulkommiſſionen wurden gewählt die 
Herren: H. F. C. Edeler, H. H. E. Troſt, Dr. A. W. 
Lange, G. €. F. Z. Deppe, J. Wobhlenberg, Dr. I. 
Löwenberg, C. H. Dannmeyer, D. H. Freerichs, G. H. 
W. Hoffmann, I. I. A. Kolz, I. P. A. Borbis, UA. E. 
F. Schwieker, C. G. A. König. 
Die Wahl Th. Blinckmanns in die Behörde ift er- 
folgt, ohne daß ſie von ſeinen Gegnern aus dem Jahre 
1905 grundfäßlichen Widerſpruch gefunden hätte; das iſt 
ein erfreuliches Zeichen dafür, daß der Burgfrieden ge- 
achtet wird. Daß dieje AN<tung des Burgſriedens leider 
noch nicht allgemein iſt, zeigt die Rufrechterhaltung des 
Boykotts der Hamburgiſchen Schulzeitung durch unſeren 
größten Lehrerverein. 
Rundſchau. 
Aus dem Geſc<haftsführenden Ansfſchuß des 
Deutſchen Lehrervereittas. Der Schleswig-Holſteiniſche 
Lehrerverein hat folgenden Antrag eingereicht: „Der Deut- 
ſche Lehrerverein möge in Berbindung mit andern Berufs- 
vereinen für eine bedeutende, den ſozialen Berhältniſſen der 
Geſchädigten entſprechende Erhöhung der in dem Militär- 
verſorgungsgeſes vom 31. Mai 1906 und dem Militär- 
hinterbliebenengeſe8 vom 17. Mai 1907 gewährleiſteten 
Kriegsverſorgung an den zuſtändigen Stellen vorſtellig 
werden.“ Dur Einſetzung einer Kommiſſion hat der Ge- 
ſchäftsführende Ausſchuß bereits in dieſem Sinne vorge- 
arbeitet. = Der Sächſiſche Lehrerverein beantragt: „Die 
Berſammlung der Zweigvereinsvorſikenden wolle beſchließen, 
daß ein beſonderer Saßzungsausſchuß eingeſezt werde, der 
alle Anträge auf Aenderungen und Neuerungen im Deuts- 
ſchon Lehrerverein prüfen und der Vertreterverſammlung 
des Deutſchen Lehrervereins Vorſchläge machen ſoll.“ = 
Im Anſchluß an dieſen Antrag beſchäftigt ſich der Ge- 
ſchäftsführende Ausſchuß mit dem Arbeitsprogramm des 
Deutſchen Lehrervereins für das Jahr 1916 und beſchließt, 
die Herausgabe des Reiſebuches um ein Jahr hinauszu- 
ſchieben. 
Die Geſellſchaft für Verbreitung von Volks- 
bildung hielt am Sonntag, den 5. d. Mis., unter dem 
Vorſitz des Prinzen Heinrich zu Schoenaich - CarolatHh, ihre 
44. Hauptverſammlung ab. Die Geſellſchaft hat ihre Ein- 
richtungen und Mittel in größtem Umfange für die geiſtige 
Verſorgung der Truppen im Felde und in den Lazaretten 
zur Verfügung geſtellt. Sie verſorgte etwa 2000 Truppen- 
teile und Lazarette mit Leſeſtoff und gab für dieſen Zweck 
225 000 Bücher und 70 000 Bände und Hefte von Zeit- 
ſchriften ab. Die eigenen Mittel der Geſellſchaft reichten 
für dieſe Leiſtungen nicht aus. Ihre Aufrufe zur Unter- 
ſtüßung der geiſtigen Kriegsfürſorge fanden aber in den 
weiteſten Kreiſen Gehör, und es wurden ihr 48 000 Mk. 
und etwa 100 000 neue und gebrauchte Bücher zur Ber- 
fügung geſtellt. Von den geſchenkten Büchern wurden 
nur die durchaus geeigneten verwandt. Für die von der 
Geſellichaft angeregte und vom Generalgouvernement in 
Belgien eingerichtete Bildungszentrale in Brüſſel übernahm 

	        
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