Full text: Hamburgische Schulzeitung - 23.1915 (23)

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Und man muß geſtehen, dieſer Gedanke, im darſtellen- 
ven Unterrichie, ſogar an lebenden Modellen, unter Eichen 
und Buchen und auf grünem Raſen erarbeitet, eine Schil- 
derung von Kampf und Not und Sieg und Tod und un- 
beſieglichem Humor im Spiegel unſerer Eiſenzeit wieder- 
ſtrahlen zu laſſen, iſt ſo aus der Zeit herausgeboren, ſo 
organiſq; aus ihr emporgewachſen, daß eigentlich jede 
Schule nach Maßgabe ihrer Kräfte dieſe Pfade wandeln ſollte. 
„Bruk ümmer flietig diene Kraft !* 
„Man leewt blot, wenn man düchtig ſchafft !* 
Und das tut Frig Müller mit ſeinen Jungen im Wil- 
helm-Gymnaſium von unten an bis zu den „Herren“ 
Jungen nach oben hin in der Prima. 
Davon legt, wie ſchon ſo häufig, auch dieſe intereſſante 
Ausſtellung wiederum ein beredtes Zeugnis ab. =- Alles 
in planmäßiger Vorbereitung erarbeitete Dinge, die dort 
zur Darſtellung kamen, teils farbig, teils in Schwarz-weiß- 
kunſt. = | 
Man ſah zum Teil geradezu künſtleriſch hervorragende 
Zeichnungen und Bilder, vor allem von dem Primus 
omnium, einem zeichneriſch jedenfalls ganz beſonders be- 
gabten Schüler Reyersbach, der eine geradezu verblüffende 
Ideenfülle in ſeiagen Zeichnungen (allein 54 farbige Poſt- 
kartenentwürfe) und Modellierarbeiten zur Darſtellung bringt. 
Ganz beſonders iſt noch zu erwähnen, daß auch, ſowohl 
in den Zeichnungen als auch in den Plaſtiken, der geſunde 
deutſche „ Humor“ zur lebendigen Betätigung kommt. Das 
ſollte nie im darſtellenden Unterrichte verſäumt werden! 
„Schafft Sonnenſchein ins Haus hinein!“ Auch in die 
Schulhäuſer, und das möglichſt viel! Jeder Lehrer und 
jede Lehrerin ſollte das Prinzip auf jedem morgendlichen 
Schulwege beherzigen: „Wenigſtens einmal am Tage ſollten 
Kinder in der Schule herzhaft gelacht haben.“ 
Das kann man auch, wenn man in der Ausſjtellung 
im Wilhelm-Gymnaſium „The germans“, „Im Dienſte 
der Kultur“ (Ein frierender Sepoy) und „Die Strategen“ 
nebſt manchen anderen Bildern kindlichen Humors betrachtet. 
Bei den Modellierverſuchen dominiert auch in hervor- 
ragender Weiſe der vorhin erwähnte Hans Reyersbach, 
deſſen Jdeenreichtum und darſtellende Kraft neben anderen 
ſehr guten Leiſtungen unzweifelhaft künſtleriſch zu großen 
Hoffnungen berechtigt. „Hagenbeck's neueſte Tiertransporte 
vom Kriegsſchauplas“, der „galliſche Hahn“, der japaniſche 
Affe, der engliſche Bullenbeißer, der ruſſiſche Bär, nebſt all 
den andern dahin gehenden Dingen verraten guten Humor 
als belebendes Element in der darſtellenden Seelenkraft. 
Paul Orlamünder. 
»Geſellſchaft der Lreunde““. Vortrag von Otto Ernſt 
am Mittwoch, den 3. Februar, im Curiohaus. 
Den Vortrag über „Die Revolution der deutſchen Seele“ 
hat Otto Ernſt bereits in der „Litter. Geſellſchaft“ gehalten. 
Die Tageszeitungen haben ihn beſprochen, und wir brauchen 
deshalb auf den Inhalt nicht weiter einzugehen. Wir 
hörten vor Jahren in einer Verſammlung der „Friedens- 
geſellichaft“ ſeligen Andenkens einen Vortrag von Otto 
Ernſt, in dem er beſonders dem alten Ernſt Moritz Arndt 
zu Leibe ging, deſſen rachedurſtige Berſe gegen Frankreich 
nicht ſeinen Beifall finden konnten. Damals hat uns 
Okto Ernſt nicht gefallen. Aber ſeitdem ſchlug mancher an 
jeine Bruſt, und ſo kam es bei vielen zu einer Revolution 
der Deutſchen Seele. Dem Vortrage über dieſen Gegen- 
ſtand konnten wir freudigen Herzens zuſtimmen ; das be- 
zeugte auch der lebhafte, ehrliche Beifall, der leider nicht 
großen Zahl von Zuhörern. Der Vortrag war eine Tat 
des Herzens, kein =- Bericht. M. 
Ein muſtergültiges Schulgeſangbuch iſt uns durch 
Zufall in die Hände gefallen; es iſt das Feldgeſang- 
buch für die evangeliſchen Mannſchaften des deutſchen 
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Heeres. Es enthält 30 unſerer bekannteſten und ſchönſten 
Geſänge : Ein feſte Burg, =- Jeſus, geh voran, -- Jeſus, 
meine Zuverſicht =- und andere mehr, außerdem einige Gebete 
und 10 geiſtliche Bolkslieder, wie Harre, meine Seele, =- 
Ich bete an die Macht der Liebe, = Bater, ich rufe dich, = 
Wir treten zum Beten. =- Das Büchlein wiegt 20 8 und 
enthält reichlichen Stoff für unſere Volksſchule. Möge 
man, wenn man es in Rückſicht auf den Geſangsunterricht 
für zweckmäßig hält, die Weiſen in Noten dazu ſeßen! 
Daß unſere Schüler ſich mit einem Buch mit über 500 
Geſängen abſchleppen, iſt wirklich überflüſſig; es gibt kein 
zweiies Schulbuch, von dem ein ſo geringer Teil in der 
Schule wirklich gebraucht wird. Wir möchten die Auf- 
merkſamkeit des behördlichen Ausſchuſjes, der für die Be=- 
ſchaffung unſerer Schulbücher zu ſorgen hat, auf die An= 
gelegenheit lenken; der Staatskaſje und den Kindern wäre 
eine weſentliche Erleichterung gegeben. S-e. 
Iundſchau. 
Der Legrer im Teide als Geſangsmeiſtter. In 
der „Köln. Bolksztg.“ veröffentlicht der Kreisſchulinſpektor 
Dr. Renſing aus Eſſen eine Anzahl Feldbriefe von Lehrern, 
um an ihnen zu zeigen, mit welchem Geiſte unſere Kollegen 
unter den Fahnen ſtehen. Er kommt zu dem Urteil: „Dem 
Lehrerſtande fällt ein guter Teil an den herrlichen Erfolgen 
zu, die bisher errungen worden ſind. Er hat in die Herzen 
der Jugend den Willen zur opferſreudigen Baterlandsliebe 
gepflanzt, der über anderthalb Millionen Freiwillige auf 
den Plan rief. Die Krieger aus dem Lehrerjtande tragen 
auch jetzt zum guten Geijte unſerer Truppen weſentlich bei, 
wie mir bereits von mehreren höheren Offizieren berichtet 
wurde. Und die vielen Auszeichnungen von Lehrern mit 
dem Eiſernen Kreuze beweiſen, daß die Lehrerſchaft an 
Tapferkeit hinter keinem andern Stande zurückſtieht.“ 
In einem der Briefe ſchildert ein Lehrer feine Tätigkeit 
als Geſangsmeiſter : 
Vor einigen Tagen habe ich einen Chor in meiner 
Kompanie gegründet. Unſer Hauptmann, dem wir ein 
Ständchen brachten, zollte uns viel Anerkennung und DanK. 
Er äußerte den Wunſch, wir möchten die Lieder am nächſten 
Abend Seiner Kaiſerlichen Hoheit dem Kronprinzen vor- 
tragen. Am nächſten Tage entwickelte ſich nun eine rege 
Ueberei, jo daß meine Sänger bald um ihre ſchönen 
Stimmen kamen. I< habe hier ein brillantes Stimm=- 
material. Unſer Revier, ein franzöſiſcher Vereinsſaal, wurde 
prächtig dekoriert. Seine Kaiſerliche Hobeit freute ſich, 
ſeine Wachtkompanie ſingen zu hören und erſchien pünktlich 
zur angeſagten Stunde: Freitag nachmittag 5 Uhr. Ich 
begann beklommenen Herzens zu dirigieren. Leiſe, weh- 
mütig ſette das erſte Lied ein, das an einigen Stellen zu 
freudiger Entſchloſſenheit wuchs, um ergeben zu enden. Die 
Sänger folgten meinem Stab, einem Stück Billardqueue, 
genau. Die Erregung jſ<wand. Sofort ſezte ich mit dem 
zweiten Liede ein. Freudig, von edler Begeiſterung ge- 
tragen, durch den hohen Augenblick geſteigert, klangen die 
echt deutſchen Worte, die durch den zeitgemäßen Inhalt 
und durc< klangvolle Kompoſition zum Ausdruck gebracht, 
bei allen eine begeiſterte Stimmung hervorriefen. Leiſe, 
faſt reſigniert rollten die Schlußakkorde durchg den Raum : 
Fahr wohl, mein teures Heimatland, fahr ewig, ewig wohl! 
Nun no<h das dritte Lied: „Es brauſt ein Ruf!“, mit 
elementarer Wucht, hinreißend! I< machte meine Ehren- 
bezeigung. Seine Kaiſerliche Hoheit löſte ſic) aus der 
Gruppe der ihn umgebenden Offiziere, kam auf mich zu, 
reichte mir, freudig winkend, die Hand und lobte vor allem 
die Auffaſſung der Geſänge und die herrlichen Tenöre. 
Dann wandte er ſich freundlich grüßend und dankend zu 
den Sängern und verabſchiedete ſich mit: Ade, Kameraden! 
== Kurz nac< 8 Uhr kam die Meldung, daß Antwerpen 
gefallen ſei. Welch ein Zubel!
	        
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